Patrizier-Design © fotolia.de

Nachbarstreit: Anspruch gegen angrenzende Fenster?

Das OLG Nürnberg hat die Klage eines Nachbarn auf den Umbau grenzseitiger Fenster abgewiesen. Demnach können im Einzelfall trotz Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen keine verschlossenen und blickdichten Fenster am Nachbarhaus verlangt werden, wenn dies wegen der baulichen Gegebenheiten und in Abwägung der beiderseitigen Interessen eine unbillige Härte darstellen würde.

Darum geht es

Der Kläger verlangte unter Berufung auf die bayerischen Nachbarrechtsvorschriften von den beklagten Nachbarn die zu seinem Grundstück zugewandten Wohnraumfenster so umzubauen, dass ein Öffnen und ein Durchblicken bis zur Höhe von 1,80 m über dem Boden nicht möglich sind. 

Der Kläger ist Eigentümer eines im Jahr 2017 errichteten Einfamilienhauses, die Beklagten wohnen seit 2019 auf dem Nachbargrundstück. 

Beide Grundstücke waren zunächst Teil eines größeren Grundstücks. Infolge der Grundstücksteilung im Jahr 2000 wurde das Wohnhaus, in dem die Beklagten wohnen, zu einem Grenzbau. 

Die Wohnung der Beklagten hat mehrere Fenster sowie eine Balkonfenstertür, deren Abstand zur Grundstücksgrenze des Klägers weniger als 60 Zentimeter beträgt. 

In erster Instanz hatte das Landgericht Nürnberg-Fürth den vom Kläger gegen die Grundstücksnachbarn geltend gemachten Anspruch, die auf der Grundstücksgrenze befindlichen Fenster großflächig blickdicht zu gestalten und geschlossen zu halten, zuerkannt (Urt. v. 18.08.2022 - 14 O 6102/21).

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das OLG Nürnberg hat die Klage eines Nachbarn auf Durchsetzung des „Fensterrechts“ in der Berufungsinstanz abgewiesen. Damit hat das OLG die Entscheidung des Landgericht Nürnberg-Fürth abgeändert.

Das OLG Nürnberg sah die auf das „Fensterrecht“ gestützten Anspruchsvoraussetzungen zwar grundsätzlich als gegeben, erachtete die Durchsetzung des Anspruchs im konkreten Einzelfall in der Gesamtwürdigung aber als unbillige Härte. 

Der Senat hatte sich in einem Ortstermin ein eigenes Bild von den konkreten Wohnverhältnissen gemacht und die streitgegenständlichen Fenster, insbesondere die etwaig zu verschattenden Fensterflächen, die Lichtverhältnisse in sämtlichen betroffenen Räumen und die Fluchtwege der Wohnung in Augenschein genommen. 

Unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten der Wohnung und in Abwägung der jeweiligen Interessen beider Seiten kam das Oberlandesgericht zu dem Ergebnis, dass dem Kläger ein Berufen auf das nachbarrechtliche „Fensterrecht“ im konkreten Einzelfall verwehrt ist. 

Maßgeblich war aus Sicht des Gerichts zum einen, dass bis zu 80 % der Fensterflächen von der blickdichten Gestaltung betroffen wären und eine ausreichende Licht- und Luftzufuhr der Wohnung bei Durchsetzung des Anspruchs nicht mehr gewährleistet wäre. 

Zum anderen hat das Gericht berücksichtigt, dass bei einem dauerhaften Verschließen der Balkontür auch der notwendige zweite Fluchtweg nicht mehr gegeben wäre. In Gesamtbetrachtung der konkreten Umstände erachtete das Gericht die Ausübung des Fensterrechts daher als unzulässig.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das OLG Nürnberg hat die Revision zum Bayerischen Obersten Landesgericht zugelassen.

OLG Nürnberg, Urt. v. 18.06.2024 - 6 U 2481/22

Quelle: OLG Nürnberg, Pressemitteilung v. 24.06.2024

Gratis-Download: Report mit Synopse!

Schnell die relevanten Unterschiede zwischen der HOAI 2013 und der HOAI 2020 erkennen und vorbereitet sein!

» Jetzt hier kostenlos herunterladen!

Bearbeiten Sie Ihre Baurechtsmandate schnell und rechtssicher!

248,00 € zzgl. Versand und USt