Petra Beerhalter © fotolia.de

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Miet- und WEG-Recht -

Mietminderung als Folge erhöhten Verkehrslärms

BGH, Urt. v. 19.12.2012 - XIII ZR 152/12

Dem Mieter steht eine Minderung der Miete wegen vorübergehend erhöhtem Straßenlärm durch eine Baustelle nur unter besonderen Umständen zu.

Darum geht es

Ein Mieter wohnte bereits seit 2004 in der Innenstadt Berlins. Von Juni 2009 bis November 2010 musste wegen einer Baustelle der stadteinwärts fahrende Verkehr über die am Mietshaus befindliche, bislang ruhige Seitenstraße umgeleitet werden. Dadurch kam es dort in diesem Zeitraum zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen. Aus diesem Grund kürzte einer der Mieter ab Oktober 2009 die Miete um 10 %, weil er sich durch den Verkehrslärm gestört fühlte. In der gestiegenen Lärmbelästigung sah er einen Mietmangel. Der Vermieter war anderer Ansicht und verklagte ihn auf Zahlung der restlichen Miete in Höhe von insgesamt 1.386,19 €.

Das Amtsgericht gab der Klage des Vermieters statt. Aufgrund einer Berufung des Mieters wurde der zu entrichtende Betrag auf 553,22 € reduziert. Die hiergegen vom Vermieter eingelegte Revision hatte Erfolg.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der Bundesgerichtshof gab der Revision des Vermieters - und damit der Klage in voller Höhe - statt.

Die Richter verwiesen zunächst darauf, dass ein Mieter auch bei einer durch eine Straßenbaustelle verursachten Lärmbelästigung einen Anspruch auf Mietminderung haben kann. Dies setzt allerdings voraus, dass der Verkehrslärm eine Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs darstellt.

Davon kann normalerweise nur dann ausgegangen werden, wenn eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt. Eine solche wurde hier jedoch nach den Feststellungen des Gerichts nicht getroffen. Bei Abschluss des Mietvertrags wurde die Beschaffenheit weder ausdrücklich vereinbart, noch wurde eine stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung getroffen. Eine solche setzt voraus, dass der Vermieter erkannt hat oder erkennen musste, dass der Mieter die ruhige Lage als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Zustand der Wohnung ansieht und dass der Vermieter hierauf zustimmend reagiert hat.

Fehlt eine Beschaffenheitsvereinbarung, ist zur Bestimmung des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietwohnung die Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung des Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben maßgeblich.

Das bedeutet: Wenn die vorübergehende Lärmbelastung innerhalb einer für eine Innenstadtlage in Berlin üblichen Grenze liegt, liegt kein Mietmangel vor. Da die vorgetragenen Lärmwerte nach den im Berliner Mietspiegel ausgewiesenen Grenzen keine hohe Belastung darstellen, müssen die Mieter die erhöhte Lärmbelästigung hier hinnehmen und können sich nicht auf einen Mietmangel berufen.

Folgerungen aus der Entscheidung

Aus der Entscheidung ergibt sich, dass jedenfalls Mieter in Innenstadtlage wegen einer vorübergehend erhöhten Verkehrslärmbelastung durch eine Baustelle grundsätzlich keinen Anspruch auf Mietminderung haben. Dies gilt allerdings nicht, wenn die dort üblichen Grenzwerte nicht eingehalten werden.

Praxishinweis

Als Rechtsanwalt sollten Sie Mieter darauf hinweisen, dass sie bei durch eine Baustelle vorübergehend verursachtem Verkehrslärm nur selten einen Anspruch auf Minderung der Miete haben. Auf der sicheren Seite sind Mieter dagegen, wenn in den Mietvertrag aufgenommen wird, dass sich die Wohnung in einer ruhigen Lage befindet.

Unter Umständen kann es sich für den Mieter auch positiv auswirken, wenn in der Wohnungsanzeige von einer ruhigen Lage die Rede war. Dies gilt vor allem dann, wenn sich die Wohnung im Innenstadtbereich einer Großstadt befindet, denn hier kommt es am häufigsten zu einer vorübergehenden Änderung der Verkehrssituation.

Ein wichtiges Kriterium ist gewöhnlich der Mietspiegel der jeweiligen Gemeinde.

Keinesfalls sollte davon ausgegangen werden, dass ab einer bestimmten Dauer des Verkehrslärms automatisch ein Anspruch des Mieters auf Mietminderung besteht.

Anders stellt sich das Problem aus Sicht des Vermieters dar. Allerdings sollten Vermieter darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass auch Umwelteinflüsse, wie zum Beispiel Lärm, den Mieter im Einzelfall zu einer Mietminderung berechtigen können. Denn es kommt hier nicht darauf an, von wem der Lärm ausgeht. Der Vermieter muss den Lärm nicht selbst verschuldet haben. Vielmehr kommt es darauf an, in welchem Zustand sich die Mietsache laut Mietvertrag befinden soll.

Bei einer dauerhaften Zunahme des Verkehrs aufgrund des Ausbaus einer Straße können Vermieter etwa zum Einbau von Isolierfenstern mit einer höheren Schallschutzklasse verpflichtet sein. Allerdings hat der Bundesgerichtshof nicht genau konkretisiert, wann eine Beeinträchtigung noch als vorläufig und wann sie als dauerhaft einzustufen ist.

Dabei dürfte auch auf die Maßnahme selbst abzustellen sein. Bei einer Umleitung steht von vornherein fest, dass es sich nur um ein Provisorium handelt, das wieder rückgängig gemacht wird. Jedenfalls hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass "vorläufig" wesentlich länger sein kann als ein halbes Jahr.

Quelle: Harald Büring - vom 19.03.13