Manche Vermieter verlangen Mieterhöhungen, die über dem Mietspiegel liegen und verweisen dabei auf die Inflation seit Erlass des jeweiligen Mietspiegels („Stichtagszuschlag“). Das Landgericht München I hat allerdings darauf hingewiesen, dass sich eine ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete mit einem Anstieg des Verbraucherpreisindex nicht begründen lässt.
Darum geht es
Die Klägerin begehrte die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Sie vertrat insbesondere die Ansicht, es sei in Zeiten hoher Inflation die Berücksichtigung einer Stichtagsdifferenz sachgerecht.
Die Klägerin forderte deshalb einen Zuschlag zu den Mietwerten des Mietspiegels 2023 wegen einer ungewöhnlichen Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete, die in der Zeit zwischen der Datenerhebung zum Mietspiegel und dem Zugang des Mieterhöhungsverlangens eingetreten sei.
Der beim Amtsgericht München zur Entscheidung berufene Richter ist dieser Auffassung nicht gefolgt und hat die Klage abgewiesen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Landgericht München I hat die Auffassung der Vorinstanz bestätigt. Die zuständige Kammer hat in ihrer grundlegenden, richtungsweisenden Entscheidung für ganz München insbesondere ausgeführt:
Zwar komme den Gerichten nach einem Urteil des BGH aus dem Jahr 2013 bei Beurteilung eines Mieterhöhungsverlangens in Fällen, in denen zwischen dem Erhebungsstichtag eines Mietspiegels und dem Zugang des Zustimmungsverlangens nachträglich „ungewöhnliche Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete“ festzustellen sind, ein weiter Beurteilungsspielraum zu.
In dessen Rahmen ist das Tatgericht grundsätzlich auch befugt, einen Stichtagszuschlag vorzunehmen, wenn dies dem Gericht zur Bildung einer sachgerechten Einzelvergleichsmiete angemessen erscheint.
Nach Einschätzung des Landgerichts hat das Erstgericht vorliegend seinen Beurteilungsspielraum eingehalten. Insbesondere habe es eine ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete zutreffend verneint.
Dies wurde auch damit begründet, dass ein Anstieg nach dem Index für Nettokaltmieten in Bayern von nur wenig mehr als 3 % keinen außergewöhnlichen Mietanstieg bedeutet.
Das Landgericht München I wies darauf hin, dass sich eine „ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete“ über den Mietspiegel hinaus nicht mit einem Anstieg des Verbraucherpreisindex begründen lässt.
Beim Berechnen des Verbraucherpreisindex bzw. der Inflationsrate wird ein sog. Warenkorb verwendet, der rund 700 Güterarten umfasst und sämtliche von privaten Haushalten in Deutschland gekauften Waren und Dienstleistungen repräsentiert.
Dem Verbraucherpreisindex könne für den spezifischen Anstieg der Wohnungsmieten und erst recht für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete keine belastbare Aussage entnommen werden.
Auch betonte die zuständige Kammer, dass die Einführung einer „Stichtagspraxis“ zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen, die die bedeutsame Befriedungsfunktion des Mietspiegels gerade in angespannten Mietmärkten gefährden könnte.
Auf den Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO, wonach die Entscheidung des Erstgerichts zutreffend ist, wurde die Berufung zurückgenommen.
Landgericht München I, Beschl. v. 17.07.2024 - 14 S 3692/24
Quelle: Landgericht München I, Pressemitteilung v. 08.08.2024