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Wohnungseigentum: Erfolgreiche Kläger müssen Prozesskosten mittragen

Der BGH hat auf Grundlage der WEG-Reform 2020 entschieden, dass Wohnungseigentümer, die erfolgreich gegen Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft geklagt haben, trotzdem die Prozesskosten anteilig mitfinanzieren müssen. Soweit keine abweichenden Regelungen bestehen, handelt es sich demnach um Verwaltungskosten, die nach dem allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel umzulegen sind.

Darum geht es

Die drei Klägerinnen sind Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Eigentümerinnen jeweils einer der insgesamt acht Wohnungseigentumseinheiten. 

In der Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 2019 ist geregelt, dass die Verwaltungskosten zu gleichen Teilen auf die Wohnungseigentumseinheiten umgelegt werden.

Im Jahr 2021 fochten die Klägerinnen bei dem Amtsgericht einen von den Eigentümern gefassten Beschluss an (im Folgenden: Vorprozess). Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dazu verurteilt, die Kosten des Vorprozesses zu tragen. 

Im April 2022 beschlossen die Eigentümer, diese Kosten durch eine Sonderumlage zu finanzieren. Hierfür sollte je Wohnungseigentumseinheit ein Betrag in Höhe von 799,21 € gezahlt werden, mithin auch von jeder der Klägerinnen.

Gegen diesen Beschluss wenden sich die Klägerinnen mit ihrer Anfechtungsklage, die vor dem Amtsgericht Rostock keinen Erfolg gehabt hat (Urt. v. 31.08.2022 - 54 C 13/22 WEG). Auf die Berufung einer der Klägerinnen hat das Landgericht Rostock der Klage stattgegeben (Urt. v. 16.06.2023 - 9 S 109/22). 

Dagegen wendet sich die beklagte Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der BGH hat der Revision stattgegeben und die amtsgerichtliche Entscheidung wiederhergestellt, so dass die Anfechtungsklage endgültig abgewiesen worden ist. 

Der Beschluss über die Erhebung der Sonderumlage entspricht demnach ordnungsmäßiger Verwaltung. Nach dem in der Gemeinschaft geltenden Kostenverteilungsschlüssel seien die Prozesskosten des Vorprozesses auch auf die obsiegenden Anfechtungsklägerinnen umzulegen. 

Die Gemeinschaftsordnung sei dahin auszulegen, dass mit dem dort verwendeten Begriff der Verwaltungskosten auf die entsprechende, aktuell geltende gesetzliche Regelung Bezug genommen wird. Ob die Kosten des Vorprozesses zu den Verwaltungskosten gehören, ist daher nach dem im Zeitpunkt der Beschlussfassung geltenden § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG zu beurteilen. 

Die umstrittene Frage, ob hiernach Prozesskosten, die in Beschlussklageverfahren der unterlegenen Gemeinschaft auferlegt worden sind, auf alle Miteigentümer einschließlich der obsiegenden Kläger umzulegen sind, hat der BGH nun bejaht.

Beschlussklagen sind seit dem 01.12.2020 nicht mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer, sondern gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten (§ 44 Abs. 2 Satz 1 WEG). 

Damit sind auch Kosten, die der Gemeinschaft in einem Beschlussklageverfahren auferlegt worden sind, Verwaltungskosten der Gemeinschaft, an denen sämtliche Wohnungseigentümer unabhängig von ihrer Parteistellung im Prozess zu beteiligen sind. 

Eine einschränkende Auslegung des § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG unter Wertungsgesichtspunkten kommt nicht in Betracht. Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Kostenfolge - insbesondere in kleinen Gemeinschaften - potentielle Beschlusskläger von einer Klage abhalten kann. 

Es fehlt aber an einer planwidrigen Regelungslücke. Dass der Gesetzgeber übersehen hat, dass § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG aufgrund der nunmehrigen Parteistellung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bei Beschlussklagen auch die Kosten des obsiegenden Beschlussklägers erfasst, kann nicht angenommen werden. 

Auch die Rechtskraft der Kostenentscheidung des Vorprozesses hat keinen Einfluss auf den anzuwendenden Umlageschlüssel.

Ob materiell-rechtliche Erstattungsansprüche der obsiegenden Beschlusskläger gegen die Gemeinschaft denkbar sind, hat der BGH offengelassen, weil derartige Ansprüche im Rahmen der Beschlussfassung über eine Sonderumlage grundsätzlich nicht berücksichtigt werden müssen.

Der BGH hat zudem entschieden, dass der Beschluss auch nicht - wie das Landgericht gemeint hatte - wegen eines Ermessensausfalls ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht. 

Zwar eröffnet § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG die Möglichkeit, für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von dem vereinbarten bzw. gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichende Verteilung zu beschließen. Eine derartige Entscheidung bedarf aber einer gesonderten Beschlussfassung vor Erhebung der Sonderumlage. 

Solange eine Beschlussfassung zur Änderung der Kostenverteilung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG nicht erfolgt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt worden ist, entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung, bei der Beschlussfassung über eine Sonderumlage den geltenden Kostenverteilungsschlüssel anzuwenden. 

Ein Ermessen für die Anwendung eines anderen Kostenverteilungsschlüssels stand den Wohnungseigentümern bei der Beschlussfassung über die Sonderumlage daher nicht zu. 

Der BGH hat darüber hinaus geklärt, dass ein solcher Beschluss auch nicht deswegen ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, weil den Wohnungseigentümern - wie es hier möglicherweise der Fall war - nicht bewusst war, dass sie vorab einen anderen Kostenverteilungsschlüssel hätten beschließen können. 

Denn die Wohnungseigentümer dürfen sich ohne Weiteres an ihre Vereinbarungen halten und ihre Beschlüsse auf deren Grundlage fassen; sie sind nicht gehalten, vor jeder Beschlussfassung mögliche Änderungen der geltenden Vereinbarungen in Betracht zu ziehen.

BGH, Urt. v. 19.07.2024 - V ZR 139/23

Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 19.07.2024

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