Das Amtsgericht Hannover hat die außerordentliche Kündigung eines Mietvertrags wegen der Lagerung von „Polenböllern“ bestätigt. Der Mieter hatte die Sprengkörper zusätzlich mit Glasscherben ummantelt und in der Mietwohnung gelagert. Nach eigenen Angaben wollte er damit gegen eine Rattenplage vorgehen. Das Gericht hielt eine Abmahnung angesichts der Gefahr durch die Böller für entbehrlich.
Darum geht es
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts bewohnt der Mieter die Wohnung der Klägerin seit Anfang 2008. Im August 2019 wurde der Klägerin bekannt, dass der Beklagte sog. „Polenböller“ zuhause lagerte, welche er zusätzlich mit Glasscherben ummantelt hatte.
Aufgrund dessen wurde der Beklagte im Zuge eines Strafverfahrens durch einen Strafbefehl zu einer Geldstrafe verurteilt. Mit Schreiben vom 06.09.2019 erklärte die Klägerin die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses, hilfsweise erklärte sie die ordentliche Kündigung zum 30.06.2020, aufgrund unzumutbaren Mieterverhaltens – was zwischen den Parteien streitig ist. Der Kündigung widersprach der Beklagte mit dem Verweis auf den Grad seiner Behinderung von 30 Prozent.
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe gefährlichen Sprengstoff in seiner Wohnung gelagert. Dieser könne nur dem Zwecke dienen, Menschen oder Tiere verletzen zu wollen. Ferner behauptet die Klägerin, dass die Substanz des Wohnhauses, sowie die Unversehrtheit der Mitmieter durch die Sprengkörper gefährdet seien.
Der Beklagte behauptet, die Sprengkörper seien dazu gedacht gewesen, sie im Garten zu zünden, um sich der vorherrschenden Rattenplage anzunehmen. Insoweit sei das Vorhaben - laut Internetforen - eine übliche Methode, sich eines Rattenproblems anzunehmen. Weiter behauptet der
Beklagte, er hätte weder die Substanz des Hauses noch andere Mieter gefährden können. Er hätte bei der Zündung der Sprengkörper auf hinreichend Sicherheitsabstand geachtet.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Räumung der streitgegenständlichen Wohnung gem. §§ 543, 546 Abs. 1 BGB.
Die Klägerin hat das Mietverhältnis wirksam mit Schreiben vom 06.09.2019 durch außerordentliche Kündigung beendet, § 543 BGB. Die Kündigungserklärung wurde dem Beklagten in Schriftform gem. § 568 I BGB übersandt und ist diesem zugegangen.
Das Kündigungsschreiben enthielt gem. § 569 IV BGB die Darlegung des Grundes, aus welchem sich die Kündigung ergab, sowie den Hinweis auf die Widerspruchsmöglichkeit des Beklagten nach §§ 568 II, 574 ff. BGB. Die Klägerin war berechtigt, die außerordentliche Kündigung auszusprechen, da insofern ein wichtiger Grund vorliegt.
Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Auch eine einmalige Pflichtverletzung kann so erheblich sein, dass dem Anderen die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (BeckOK BGB/Wiederhold, 53. Auflage, § 543 BGB Rn. 6). Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Beklagte hat Sprengkörper, nämlich sog. „Polenböller“, in der Wohnung gelagert, welche er zusätzlich mit Glasscherben ummantelt hat.
Diese sind nicht nur geeignet die Mietsache in ihrer Substanz zu beschädigen, sondern stellen darüber hinaus auch eine Gefahr für die Gesundheit der Mitmieter des Hauses dar. Sprengkörper dieser Art sind in Deutschland nicht zugelassen.
Die Sprengstoffmenge übersteigt die in Deutschland erlaubte Grenze und zudem ist die Stoffzusammensetzung nicht immer bekannt. Darüber hinaus gibt es keine Qualitätsprüfungen der Produkte, wodurch diese eine gesteigerte Gefährlichkeit aufweisen.
Somit folgt eine erhebliche Gefahr durch den Umgang mit derartigen Sprengkörpern. Der Gebrauch von Sprengkörpern allgemein ist – ungeachtet der Gefährlichkeit der streitgegenständlichen Sprengkörper – gem. § 23 II 2 1. SprengV nur in der Silvesternacht erlaubt und nicht darüber hinaus.
Sofern der Beklagte also vorträgt, die Sprengkörper benutzen zu wollen, um Ratten im Garten des Hauses zu beseitigen, handelt es sich nicht um eine für Laien gängige und mitnichten um eine anerkannte Methode der Schädlingsbekämpfung.
Zudem bedürfte es zu der Nutzung der Sprengkörper einer Erlaubnis nach §§ 7 oder 27 SprengG, eines Befähigungsscheins nach § 20 SprengG oder einer Ausnahmebewilligung nach § 24 I SprengG (vgl. § 23 II 1 1. SprengV). Darüber hinaus ist ausschließlich der Besitz von Sprengkörpern der Kategorien F1 und F2 für Laien erlaubt.
Sprengkörper der Kategorie F3 oder höher erfordern auch in der Silvesternacht einer Genehmigung. Sog. „Polenböller“ hingegen fallen unter § 40 SprengG und sind mithin nicht genehmigungsfähig.
Demnach hat der Beklagte nicht nur sog. „Polenböller“ angekauft oder selbst hergestellt, sondern diese auch noch durch Glasscherben verändert, so dass diese an Gefährlichkeit gewonnen haben und diese auch im Garten des Miethauses zünden wollen. Erschwerend kommt hinzu, dass von jedem Sprengkörper eine spezifische Explosionsgefahr ausgeht.
Insbesondere bei nicht zugelassenen oder von Laien selbst gebauten Sprengkörpern ist davon auszugehen, dass eine erhebliche Gefährdung der Umgebung vorliegt, die darin begründet liegt, dass die Sprengkörper durch eine Fehlfunktion detonieren können. Die von dem Beklagten durchgeführte Ummantelung der Sprengkörper durch Glasscherben, verstärkt diese Gefährlichkeit des Sprengkörpers. Umherfliegende Glasscherben können erhebliche Verletzungen bei Menschen oder Tieren hervorrufen.
Überdies steht nach Überzeugung des Gerichts fest, dass durch die Ummantelung der Sprengkörper mit Glasscherben die Steigerung der Gefährlichkeit der Sprengkörper beabsichtigt wurde. Die Maßnahme wurde mit dem Vorsatz vorgenommen, um bei der Detonation die Zerstörungskraft der sog. „Polenböller“ zu steigern.
Insoweit hat der Beklagte zugestanden, Ratten mit den Sprengkörpern erlegen zu wollen. Sofern der Beklagte vorträgt, er hätte bei der kontrollierten Detonation der Sprengkörper hinreichend Abstand zu Gebäuden und etwaigen Dritten gehalten, vermag das Gericht dies nicht nachzuvollziehen.
Die Explosion eines nichtgenehmigten Sprengkörpers ist insbesondere aufgrund ihrer Unkontrollierbarkeit besonders gefährlich. Der Beklagte wird als Laie kaum in der Lage sein das Ausmaß der Explosionen der einzelnen Sprengkörper richtig bewerten zu können.
Darüber hinaus würde jedwede Prognose durch herumfliegende Glassplitter erschwert. Angesichts des Umstandes, dass der Beklagte gewillt war, die Sprengkörper im Garten des Hauses zu zünden, kann eine Sorgfaltspflichtverletzung bezüglich der Achtung von Belangen seiner Mitmieter und seiner Vermieterin nicht negiert werden.
Im Übrigen ist bereits die Lagerung der Sprengkörper in der Wohnung des Beklagten, insbesondere im Hinblick auf die vorgenommene Modifikation der Sprengkörper durch das Anbringen von Gegenständen, ein Verstoß gegen Punkt 2 Ziffer 4 der Hausordnung. Die unter Punkt 2 der Hausordnung aufgelisteten Handlungen dienen der Sicherheit der Hausgemeinschaft und des Gebäudes selbst.
Aufgrund der Gefährlichkeit von Sprengkörpern, denen die Eigenschaft anhaftet auch ohne gezieltes Anfachen der Zündschnur zu detonieren, ist eine erhebliche Gefährdung der Mietsache zu befürchten. Sofern der Beklagte dazu ausführt, eine mögliche Explosion würde lediglich seine Küche betreffen, in der die Sprengkörper gelagert wurden, vermag die Aussage keine Abhilfe zu schaffen. Sollte sich eine Beschädigung durch die Sprengkörper auf die
Küche des Beklagten begrenzen lassen, handelt es sich trotz dessen um eine Beschädigung des Gebäudes, welches im Eigentum der Klägerin steht. Das Ausmaß der Beschädigung erfordert nicht, dass Wohnungen von Mitmietern in Mitleidenschaft gezogen werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass es bei einer unkontrollierten Detonation der Sprengkörper in der Küche zu einer Kumulation der Sprengkraft der verschiedenen Sprengkörper kommen könnte, obgleich es sich um lediglich um „wenige“ Sprengkörper handelte, wie der Beklagte betonte. Die Zerstörungskraft würde durch jeden explodierenden Sprengkörper gesteigert.
Des Weiteren ist es der Klägerin unzumutbar an dem Vertragsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist festzuhalten. Die Feststellung der Unzumutbarkeit hat gem. § 543 I 2 BGB im Wege der Interessenabwägung zu erfolgen. Erfolgt die Kündigung einer Person, die schon lange Zeit im Haus wohnt und von Krankheiten seelischer oder körperlicher Art geplagt wird, muss ein erhöhtes Maß an Verständnis und Rücksichtnahme erfolgen.
Vorliegend hat der Beklagte Sprengkörper in seiner Küche gelagert, die einen Verstoß gegen § 40 SprengG darstellen. Somit hat der Beklagte dadurch, dass er die Sprengkörper in seiner Wohnung aufbewahrte bereits einen Straftatbestand erfüllt.
Darüber hinaus hat der Beklagte erklärt, die mit Glasscherben versetzten Sprengkörper verwenden zu wollen und diese im Garten des Mietshauses explodieren zu lassen. Damit besteht eine konkrete Gefährdungslage der Bausubstanz des Gebäudes, sowie eine konkrete Gefährdung für die Gesundheit der Mitmieter.
Insoweit trifft die Klägerin als Vermieterin die Pflicht ihre Mieter zu schützen. Auch unter Berücksichtigung des grundrechtlichen Schutzes der Wohnung aus Art. 13 GG und der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG kann eine Abwägung zu Gunsten des Beklagten nicht erfolgen. Die Handlung des Beklagten stellt aus der Sicht eines objektiven Dritten eine unverhältnismäßige Maßnahme dar, ein Problem zu lösen.
Bezogen auf eine etwaige Rattenplage im Garten hätte der Beklagte sich an die Vermieterin halten müssen, um sie dazu zu bewegen sich des Problems anzunehmen. Sich selbst der Rattenplage anzunehmen und diese dann auch noch mit Sprengkörpern erlegen zu wollen, fällt weder in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten als Mieter noch in seinen Kompetenzbereich. Die Schädlingsbekämpfung obläge allein einem Fachmann.
Des Weiteren wird aus dem Schriftwechsel des Beklagten deutlich, dass es an der Einsichtsfähigkeit mangelt, zu erkennen welche Gefahr von den Sprengkörpern in seiner Wohnung ausgeht. Vielmehr wird durch die Ummantelung der Sprengkörper mit Glasscherben deutlich, dass der Beklagte sich keinerlei Gedanken über die Gefährlichkeit der Mittel machte oder diese gänzlich verkannt hat.
Demnach darf die Klägerin befürchten, dass der Beklagte von seinem Vorhaben keinen Abstand nimmt oder zumindest erneut Sprengkörper ankaufen oder herstellen würde, die für sein Umfeld gefährlich sind.
Dies wird insbesondere durch die Aussage des Beklagten deutlich, wonach er beteuert sich sog. „Polenböller“ aus einem Ansinnen vor Silvester 2018 heraus beschafft zu haben welches er sich selbst nicht erklären könne. Wohingegen er zu einem anderen Zeitpunkt vorträgt, er brauche die sog. „Polenböller“ um sich einer Rattenplage anzunehmen.
Eine Abmahnung war nach § 543 III 2 Nr. 2 BGB entbehrlich. Die von dem Beklagten verursachte Gefährdung müssen die Mitmieter und die Klägerin nicht hinzunehmen. Das Risiko, dass die Abmahnung erfolglos bleiben würde, kann den Mitmietern und der Klägerin nicht zugemutet werden.
In diesem Fall würde über einen nicht absehbaren Zeitraum die vorgenannte konkrete Gefährdung der Hausbewohner fortbestehen (vgl. AG Pinneberg, Urt. v. 29.08.2002 - 68 C 23/02; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.05.2010 - I-24 U 170/09).
Der Vortrag des Beklagten, es läge ein Fall der sozialen Härte vor, mag die Interessenabwägung nicht zu seinen Gunsten entscheiden.
Eine besondere soziale Härte im Sinne des § 574 I BGB liegt vor, wenn unter Berücksichtigung des Normzwecks von § 574 BGB, der den Schutz des Mieters und der mit ihm zusammenlebenden Personen vor unbilligen Nachteilen erreichen will, eine Beeinträchtigung wirtschaftlicher, finanzieller, gesundheitlicher, familiärer oder persönlicher Art vorliegt, die diejenigen Umstände, Unbequemlichkeiten und Nachteile, die die Beendigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum üblicherweise mit sich bringen, übersteigt und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände im Hinblick auf den sozialen Schutzzweck nicht zumutbar ist.
Der Beklagte hat einen Grad der Behinderung von 30 aufgrund einer Operation am Herzen. Diese äußert sich durch Kurzatmigkeit und Schweißausbrüche. Dabei handelt es sich jedoch nicht um derartige Einschränkungen, die es dem Beklagten unmöglich machen dürften neuen Wohnraum zu beschaffen.
Aufgrund seiner Behinderung ist der Beklagte nicht auf bestimmte Voraussetzungen in seinem Umfeld angewiesen, die eine bestimmte Beschaffenheit der neuen Wohnung voraussetzen oder des Umfeldes in dem sich die Wohnung befindet.
Darüber hinaus ist aufgrund eines Umzugs auch keine Verschlechterung seines allgemeinen Gesundheitszustandes zu befürchten, welche einen hinreichende Härte darstellen könnte um einen Verbleib in der Wohnung zu rechtfertigen (vgl. Schmidt-Futterer, Blank § 574 Rn. 47 f.). Der Beklagte ist vielmehr gesundheitlich hinreichend stabil einen Umzug durchzuführen.
Auch der Vortrag, der Beklagte könne dem Umzug nicht ohne Fremdhilfe bewältigen begründet keine soziale Härte. Insoweit ist es dem Beklagten möglich durch Umzugshelfer Abhilfe zu schaffen. Zumal ein Umzug ein lediglich temporärer Umstand ist, welcher auch für einen gesunden Menschen eine Belastung darstellt.
Die angespannte Situation am Wohnungsmarkt ist für die Begründung sozialer Härte nicht ausreichend. Der Beklagte hat zwar nachgewiesen, sich bei der Wohnungsvermittlung gemeldet zu haben und dort abgewiesen worden zu sein, jedoch ist die Beschaffung einer Wohnung über die Wohnungsvermittlung der Stadt Hannover nicht die einzige Möglichkeit, die dem Beklagten zur Verfügung steht.
Vielmehr obliegt es dem Beklagten sich auf dem freien Wohnungsmarkt um entsprechende Wohnungen zu bemühen. Denn auch auf dem freien Wohnungsmarkt wird sozialer Wohnraum angeboten. Ein Fall der sozialen Härte läge erst dann vor, wenn Ersatzwohnraum nicht beschafft werden kann (Schmidt-Futterer, Blank § 574 Rn. 30).
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Beklagte hat nicht nachgewiesen sich auf dem freien Wohnungsmarkt hinreichend um eine neue Wohnung bemüht zu haben. Insoweit überwiegt das Interesse der Klägerin ihre Mieter zu schützen, das Interesse des Beklagten am Verbleib in seiner Wohnung.
Dem Beklagten wurde von Amts wegen die aus dem Tenor ersichtliche Räumungsfrist gewährt, § 721 ZPO. Bei der Bemessung der Räumungsfrist hat das Gericht berücksichtigt, dass der Beklagte zum Auffinden einer geeigneten Wohnung angesichts seiner Situation und der Lage auf dem hannoverschen Immobilienmarkt gerade in der derzeitig angespannten Lage um die Corona-Pandemie einen gewissen Vorlauf benötigen wird.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Amtsgericht Hannover, Urt. v. 04.05.2020 - 474 C 13200/19
Quelle: Amtsgericht Hannover, Pressemitteilung v. 06.07.2020