Der BGH hat die ab Mai 2019 geänderten Preisanpassungsklauseln in Berliner Fernwärmelieferungsverträgen gebilligt. Die vorherigen Klauseln waren gerichtlich gekippt worden. Die neuen Klauseln bewegen sich nach dem BGH aber nun innerhalb des Gestaltungsspielraums des Energieversorgers. Insbesondere stehen demnach das Kosten- und Marktelement in einem angemessenen Verhältnis zueinander.
Darum geht es
Bei den zwei vorliegenden Verfahren handelt es sich um weitere von zahlreichen beim BGH anhängigen und mittlerweile überwiegend entschiedenen Verfahren, in denen Kunden Ansprüche gegen das Fernwärmeversorgungsunternehmen geltend machen.
In beiden Verfahren beliefert die Beklagte die jeweiligen Kläger seit dem Jahr 2007 beziehungsweise seit dem Jahr 2013 auf der Grundlage von Allgemeinen Versorgungsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV mit Fernwärme.
Hiernach stellt die Beklagte ihren Kunden einen verbrauchsunabhängigen Bereitstellungspreis und einen verbrauchsabhängigen Arbeitspreis in Rechnung, die sie nach Maßgabe im Vertrag vorgesehener Preisänderungsklauseln jährlich anpasst.
Nachdem das Kammergericht Anfang des Jahres 2019 in einem anderen gegen die Beklagte gerichteten Rechtsstreit die auf den Arbeitspreis bezogene Preisänderungsklausel für unwirksam erklärt hatte, legte die Beklagte ab Mai 2019 ihren Abrechnungen eine geänderte Preisanpassungsformel zum Arbeitspreis zugrunde, welche sie zuvor öffentlich bekannt gegeben hatte.
Demnach knüpfte die Veränderung des Arbeitspreises jeweils hälftig einerseits an die jährlichen Veränderungen eines vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Wärmepreisindexes als Marktelement sowie andererseits an die jährlichen Veränderungen eines von der Energielieferantin der Beklagten veröffentlichten Tarifs als Kostenelement an. Die Preisänderungsklausel sieht als Referenzjahre für das Markt- und das Kostenelement jeweils das Jahr 2018 vor.
Die Kläger haben mit den von ihnen erhobenen Klagen u.a. die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur einseitigen Einführung der (neuen) Preisänderungsklausel in den Energielieferungsvertrag ab Mai 2019 nicht berechtigt gewesen sei. Ferner haben die Kläger insoweit Rückzahlung von Fernwärmeentgelt verlangt.
Die Berufungsgerichte haben in beiden Verfahren die Beklagte zwar als berechtigt angesehen, eine unwirksame Preisänderungsklausel auch während des laufenden Versorgungsverhältnisses für die Zukunft einseitig anzupassen, wenn dadurch sichergestellt wird, dass die Klausel § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entspricht.
Die Berufungsgerichte meinten jedoch, auch die neue Preisänderungsklausel sei nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB unwirksam, da die Beklagte für den Ausgangspreis einerseits sowie für das Markt- und Kostenelement andererseits ohne sachlichen Grund unterschiedliche Referenzjahre gewählt habe.
Mit beiden Revisionen verfolgt die Beklagte die Abweisung der Feststellungsklagen über die ab Mai 2019 verwendeten Preisänderungsklausel und die Abweisung der Zahlungsklagen, soweit diese auf der Annahme der Unwirksamkeit auch dieser Preisänderungsklausel beruhen, weiter.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die beiden Revisionen der Beklagten hatten Erfolg. Der BGH hat entschieden, dass die von der Beklagten ab Mai 2019 verwendete Preisänderungsklausel wirksam ist.
Um den gesetzlichen Anforderungen nach § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV zu genügen, müssen Preisänderungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei der Erzeugung und Bereitstellung von Fernwärme (Kostenelement) als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt (Marktelement) angemessen berücksichtigen.
Dabei kommt dem Fernwärmeversorger, der während des laufenden Fernwärmelieferungsverhältnisses eine unwirksame Preisänderungsklausel für die Zukunft in zulässiger Weise einseitig durch eine angepasste Preisänderungsklausel ersetzt, ein eigener Gestaltungsspielraum zu.
Die Grenzen dieses Gestaltungsspielraums hat die Beklagte bei der angepassten Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis nicht überschritten. Anders als die beiden Berufungsgerichte gemeint haben, hat sie sachliche und nachvollziehbare Anknüpfungspunkte für die jeweiligen Preisänderungsparameter gewählt.
Die Klausel enthält mit dem Wärmepreisindex des Statistischen Bundesamts ein geeignetes Marktelement. Ferner nimmt sie hinsichtlich des Kostenelements unmittelbar auf die eigenen Wärmebezugskosten der Beklagten Bezug und stellt beide Parameter in ein angemessenes Verhältnis.
Dabei ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Versorger als Bezugsjahr für das Markt- und das Kostenelement das der Einführung der angepassten Klausel vorausgehende Jahr - hier das Jahr 2018 - festlegt. Auch die Wahl des Arbeitspreises des Jahres 2015 als Ausgangspreis in der angepassten Preisänderungsklausel ist nicht zu beanstanden.
Der Fernwärmeversorger hält sich grundsätzlich innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums, wenn er im Fall der zulässigen einseitigen Anpassung einer unwirksamen Preisänderungsklausel den Ausgangspreis pauschalierend unter Orientierung an der „Dreijahreslösung“ des BGH bestimmt.
Die von der Beklagten hier vorgenommene Orientierung des Arbeitspreises an der Dreijahreslösung eröffnet ihr keine unangemessenen Preisgestaltungsspielräume.
Denn die Dreijahreslösung bezweckt gerade, das bei Vertragsschluss bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bei langfristigen Energieversorgungsverträgen über die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu halten und ein gravierendes Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung zu vermeiden.
Unschädlich ist dabei, dass die Beklagte die Parameter der angepassten Preisänderungsklausel auch dergestalt hätte wählen können, dass sich für die jeweiligen Kläger ein günstigerer Preis ergeben hätte. Denn es ist nicht erforderlich, eine im laufenden Vertragsverhältnis einseitig angepasste Preisänderungsklausel so auszugestalten, dass sich bei ihrer Anwendung für einzelne oder alle Fernwärmekunden stets der denkbar günstigste Preis ergibt.
Voraussetzung ist aber insoweit, dass der Fernwärmeversorger sachliche und nachvollziehbare Anknüpfungspunkte für die jeweiligen Preisänderungsparameter zur Wahrung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung gewählt hat. Es dürfen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die vom Versorger gewählte Pauschalierung einseitig der Wahrung seiner eigenen wirtschaftlichen Interessen dient.
BGH, Urteile v. 27.09.2023 - VIII ZR 249/22 und VIII ZR 263/22
Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 27.09.2023