Das OLG Stuttgart hat erläutert, inwieweit die Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei der Festsetzung des Verfahrenswerts in Ehesachen zu berücksichtigen sind. Die Entscheidung zeigt beispielhaft die Berechnung der Wertfestsetzung in einem Scheidungsverfahren. Auf eine Erhöhung des Verfahrenswerts wegen vorhandenen Vermögens der Eheleute sollten Anwälte frühzeitig hinweisen.
Sachverhalt
Im Scheidungsverfahren betrug das monatliche Nettoeinkommen der Ehefrau 2.000 € und des Ehemanns 3.100 €. Die Eheleute verfügten gemeinsam über ein Bruttovermögen von 200.000 €, dem Verbindlichkeiten i.H.v. 70.000 € entgegenstanden. Der Ehemann hatte zudem ein weiteres Barvermögen von 65.000 €. Die Eheleute haben zwei minderjährige Kinder.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Das OLG errechnet ein gemeinsames Nettoeinkommen der Eheleute von 5.100 € monatlich, von dem für jedes Kind jeweils 300 € als Pauschbetrag abzuziehen sind. Der Bezug von Kindergeld erhöhe das Einkommen nicht, weil das Kindergeld gerade zur Deckung des Bedarfs der Kinder einzusetzen ist und damit den Eheleuten nicht frei zur Verfügung steht. Damit beträgt das einzusetzende monatliche Einkommen 4.500 € und das dreifache Monatseinkommen 13.500 €.
Bei der Bestimmung des Vermögens hält das OLG den Ansatz eines Freibetrags i.H.v. 30.000 € je Ehegatte für angezeigt und angemessen. Weitere Freibeträge für gemeinsame Kinder hält das OLG dagegen nicht für erforderlich, weil die Belange der Kinder bereits dadurch angemessen und ausreichend berücksichtigt seien, dass bei der Einkommensermittlung ein Pauschbetrag von monatlich 300 € für jedes Kind in Abzug gebracht wird, ohne dass ggf. bezogenes Kindergeld das Einkommen erhöht.
Als Vermögen setzt das OLG daher an:
Wert der Immobilie: | 200.000 € |
Verbindlichkeiten: | - 70.000 € |
weiteres Vermögen Antragsgegner: | 65.000 € |
Zwischensumme: | 195.000 € |
Freibetrag Ehefrau: | - 30.000 € |
Freibetrag Ehemann: | - 30.000 € |
Summe: | 135.000 € |
Für die Wertfestsetzung berücksichtigt das OLG 5 % des ermittelten Wertes, sodass weitere 6.750 € (5 % aus 135.000 €) für den Wert der Ehesache zu berücksichtigen sind. Daraus folgt als Verfahrenswert der Ehesache ein Gesamtbetrag von 20.250 € (13.500 € aus Einkommen und 6.750 € aus Vermögen).
Folgerungen aus der Entscheidung
Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 FamGKG ist in Ehesachen der Verfahrenswert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten nach Ermessen zu bestimmen.
Für die Einkommensverhältnisse ist das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten einzusetzen, § 43 Abs. 2 FamGKG. Dabei genügen Näherungswerte, da es nicht Sinn des Festsetzungsverfahrens ist, vergleichbar einem unterhaltsrechtlichen Streitverfahren exakte Einkommensbeträge zu ermitteln.
Bei der Festsetzung des Verfahrenswertes ist nach h.M. zudem auf die konkrete Leistungsfähigkeit der Beteiligten abzustellen und deshalb vom Nettoeinkommen ein Abschlag für Unterhaltsverpflichtungen vorzunehmen (z.B. OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.10.2015 – 15 WF 176/15, FamRZ 2016, 1295 m. w. N.; a.A. – kein Abschlag; z.B. OLG Köln, Beschl. v. 16.11.2016 – 4 WF 106/16, FamRZ 2017, 647).
Für den Pauschalwert setzt die Rechtsprechung Werte von 200 € bis 300 € an (vgl. die Nachweise bei OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.08.2017 – 4 WF 73/17, NZFam 2018, 88). Jedenfalls ist der Pauschalbetrag unabhängig vom Alter der Kinder und den Einkommensverhältnissen der Eltern zu bestimmen (so auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.8.2017 – 4 WF 73/17, NZFam 2018, 88).
Bei der Wertermittlung wird allgemein ein Vermögensfreibetrag abgezogen. Insoweit werden Freibeträge von 15.000 € bis zu 64.000 € je Ehegatten angesetzt (vgl. die Nachweise bei OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.05.2017 – 2 WF 93/17, FamRZ 2017, 1769), wobei dann auch für die vorhandenen Kinder oftmals weitere Freibeträge angesetzt werden. Das OLG Stuttgart geht hier etwa vom mittleren Wert aus (30.000 € je Ehegatte).
Nach Ermittlung des Vermögens wird dann ein bestimmter Prozentsatz des Vermögens für die Wertfestsetzung angesetzt; 5 % werden vielfach angesetzt, wenn das Vermögen vorwiegend aus dem (nicht liquiden) Immobilienvermögen besteht (ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.8.2017 – 4 WF 73/17, NZFam 2018, 88). Bei mehrheitlichem Barvermögen oder leicht zu veräußernden Wertpapieren kommen auch höhere Werte in Betracht (zumeist bis zu 10 %).
Praxishinweis
Die Entscheidung zeigt, dass die Anwälte im eigenen Interesse möglichst frühzeitig (z.B. bereits innerhalb der Antragsschrift), jedenfalls aber vor der gerichtlichen Wertfestsetzung auf eine Erhöhung des Verfahrenswerts angesichts vorhandenen Vermögens der Eheleute hinweisen sollten. Dabei sollten zumindest ungefähre Angaben zur Höhe des Vermögens getätigt werden. Denn für die Berücksichtigung des Vermögens kommt es nicht darauf an, ob das Vermögen Gegenstand der Ehesache gewesen ist (vgl. auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.8.2017 – 4 WF 73/17, NZFam 2018, 88).
OLG Stuttgart, Beschl. v. 03.01.2018 – 18 WF 149/17
Quelle: Richter am OLG Frank Götsche