Die Regelung zur externen Teilung von Betriebsrenten im Versorgungsausgleich verstößt bei verfassungskonformer Anwendung nicht gegen das Grundgesetz - § 17 VersAusglG ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Der Ausgleichswert muss von den Gerichten so bestimmt werden, dass die Versorgungsleistungen nicht unangemessen verringert werden.
Darum geht es
Das Vorlageverfahren betrifft § 17 des Gesetzes über den Versorgungsausgleich (VersAusglG), der bei Ehescheidung für bestimmte Anrechte aus der betrieblichen Altersvorsorge auch ohne Zustimmung der im Versorgungsausgleich ausgleichsberechtigten Person die externe Teilung ermöglicht.
Grundsätzlich wird der Versorgungsausgleich heute im Wege der sogenannten internen Teilung durchgeführt, bei der das Familiengericht für die ausgleichsberechtigte Person ein Anrecht bei dem Versorgungsträger überträgt, bei dem auch das im Versorgungsausgleich zu teilende Anrecht der ausgleichspflichtigen Person besteht.
Nach § 17 VersAusglG ist hingegen auf Wunsch des Versorgungsträgers auch gegen den Willen der ausgleichsberechtigten Person die sogenannte externe Teilung vorzunehmen. Dies gilt für Anrechte aus einer Direktzusage oder einer Unterstützungskasse, sofern sie nicht die Beitragsbemessungsgrenze überschreiten.
Bei der externen Teilung wird für die ausgleichsberechtigte Person ein Anrecht nicht beim Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person, sondern bei einem anderen Versorgungsträger begründet.
Im Zentrum des Vorlagebeschlusses stehen sogenannte Transferverluste. Diese resultieren aus der Art und Weise, wie der aktuelle Kapitalwert des Ehezeitanteils des im Versorgungsausgleich zu teilenden Anrechts berechnet wird.
Der aktuelle Kapitalwert ist Grundlage des Ausgleichswerts, den der Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person als Kapitalbetrag an den Versorgungsträger der ausgleichsberechtigten Person zahlen muss. Dieser vom „alten“ Versorgungsträger zu zahlende Betrag wird unter anderem ermittelt, indem der Gesamtbetrag der künftig voraussichtlich zu erbringenden Versorgungsleistungen auf den Bewertungszeitpunkt abgezinst wird.
Ist dabei der Abzinsungszinssatz höher als der Zinssatz, mit dem der Zielversorgungsträger aktuell kalkuliert, wird der Zielversorgungsträger aus dem an ihn gezahlten Kapitalbetrag Anrechte regelmäßig lediglich in solcher Höhe begründen, dass die ausgleichsberechtigte Person entsprechend verringerte Versorgungsleistungen zu erwarten hat. Faktisch trifft dies ganz überwiegend die Ehefrau, nicht den Ehemann.
Wesentliche Entscheidungsgründe
§ 17 VersAusglG ist nicht verfassungswidrig. Bei verfassungskonformer Anwendung ist § 17 VersAusglG mit den Eigentumsgrundrechten der ausgleichspflichtigen und der ausgleichsberechtigten Person vereinbar und wahrt die verfassungsrechtlichen Grenzen faktischer Benachteiligung von Frauen.
Die Gerichte müssen den Ausgleichswert bei der externen Teilung so bestimmen, dass die ausgleichsberechtigte Person keine unangemessene Verringerung ihrer Versorgungsleistungen zu erwarten hat. Das Gesetz belässt den Gerichten den dafür erforderlichen Entscheidungsspielraum, den die Gerichte nutzen müssen.
Zum einen wird beim Versorgungsausgleich das Eigentumsgrundrecht der ausgleichspflichtigen Person durch die Teilung ihrer Versorgungsrechte und -anwartschaften beschränkt. Die Beschränkung ist zwar grundsätzlich verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil sie dazu dient, für die ausgleichsberechtigte Person eine eigenständige Alters- und Invaliditätssicherung zu begründen.
Sofern sich allerdings die Kürzung nicht annähernd spiegelbildlich im Erwerb eines Anrechts durch die ausgleichsberechtigte Person auswirkt, kann dies jedoch zur Verfassungswidrigkeit führen.
Auch das Eigentumsgrundrecht der ausgleichsberechtigten Person wird durch die externe Teilung beschränkt. Auch diese Beschränkung bedarf besonderer Rechtfertigung, wenn die ausgleichsberechtigte Person infolge externer Teilung mit niedrigeren Versorgungsleistungen rechnen muss als die Kürzung auf Seiten der ausgleichspflichtigen Person beträgt und als sie selbst erhielte, wenn auch ihr ein Anrecht durch interne Teilung beim ursprünglichen Versorger übertragen würde.
Wenn die externe Teilung nach § 17 VersAusglG bei unterstellt identischen biometrischen Faktoren dazu führt, dass die aus dem neu begründeten Anrecht erwartbaren Versorgungsleistungen im Vergleich zum Ertrag bei interner Teilung und im Vergleich zur Kürzung des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person verringert ist, bedarf dies also eigener Rechtfertigung sowohl gegenüber der ausgleichspflichtigen Person als auch gegenüber der ausgleichsberechtigten Person.
Im Ergebnis kann die externe Teilung nach § 17 VersAusglG jedoch in verfassungskonformer Weise durchgeführt werden.
Es dient verfassungsrechtlich legitimen Zwecken, die externe Teilung der in § 17 VersAusglG genannten Anrechte (Betriebsrenten aus einer Direktzusage oder Unterstützungskasse) auch über die Wertgrenze des § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG hinaus zu erlauben.
Die Regelung zielt darauf ab, Arbeitgeber, die eine Zusage betrieblicher Altersversorgung in Gestalt einer Direktzusage oder aus einer Unterstützungskasse erteilt haben, davor zu schützen, weitere Personen in ihre Versorgung aufnehmen zu müssen, die sie nicht selbst als Vertragspartner ausgewählt haben.
Mittelbar dient die Regelung des § 17 VersAusglG zudem der Förderung der betrieblichen Altersvorsorge. Diese als zweite Säule der sozialen Absicherung im Alter zu unterstützen, ist ein legitimes Ziel des Gesetzgebers.
Bei der Durchführung der externen Teilung sind die gegenläufigen Interessen angemessen in Ausgleich zu bringen.
In die Abwägung einzustellen sind auf der einen Seite neben den Eigentumsgrundrechten der ausgleichsberechtigten und der ausgleichspflichtigen Person auch die verfassungsrechtlichen Grenzen faktischer Benachteiligung von Frauen.
Denn das Grundgesetz steht auch solchen Regelungen entgegen, die neutral formuliert und auch nicht verdeckt auf Benachteiligung ausgerichtet sind, jedoch tatsächlich ganz überwiegend Frauen benachteiligen.
Auf der anderen Seite ist das berechtigte Interesse von Arbeitgebern zu berücksichtigen, im Fall der Zusage einer betrieblichen Altersversorgung im Wege der Direktzusage oder der Unterstützungskasse von zusätzlichen Lasten interner Teilung verschont zu bleiben, zugleich aber im Rahmen der externen Teilung lediglich aufwandsneutralen Kapitalabfluss hinnehmen zu müssen.
Dabei dürfen die Nachteile der externen Teilung nicht um jeden Preis auf die ausgleichsberechtigte Person verlagert werden.
Der einseitigen Belastung der ausgleichsberechtigten Person sind - zumal wegen der Aufteilung von familienbezogener und berufsbezogener Tätigkeit zwischen den Ehepartnern überwiegend Frauen ausgleichsberechtigt und von den Nachteilen externer Teilung betroffen sind - enge Grenzen gesetzt.
Das vorlegende Oberlandesgericht hat die Grenze bei einer Abweichung der Zielversorgung von der Ausgangsversorgung um mehr als 10 % gesehen. Dagegen ist verfassungsrechtlich nichts einzuwenden.
Zwar mag - je nach Zinsentwicklung - die Begrenzung der Leistungsverminderung bei externer Teilung nach § 17 VersAusglG auf maximal 10 % dazu führen, dass Ausgleichswerte in einer Höhe festgesetzt werden, die der Arbeitgeber nicht aufwandsneutral an den Zielversorger leisten kann.
Wenn der Arbeitgeber den Aufwand der Zahlung eines entsprechenden Kapitalbetrags vermeiden will, kann er jedoch die interne Teilung nach § 10 VersAusglG wählen, was ihm nach § 17 VersAusglG immer möglich bleibt und auch im gerichtlichen Verfahren sichergestellt werden muss.
§ 17 VersAusglG hindert die Gerichte nicht daran, den Versorgungsausgleich im Fall externer Teilung in verfassungsgemäßer Weise zu regeln und lässt insbesondere eine Festsetzung des Ausgleichswerts zu, die erwartbare verfassungswidrige Effekte der externen Teilung vermeidet.
Ob die Grundrechte der Ausgleichsberechtigten gewahrt sind, ist daher eine Frage der gerichtlichen Norm-anwendung im Einzelfall. Zwar unterbreitet der Versorgungsträger dem Familiengericht einen Vorschlag für die Bestimmung des Ausgleichswerts.
Dieser Vorschlag ist jedoch nicht bindend. Kann aus dem vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Ausgleichswert weder bei dem gewählten Zielversorger noch bei der aufnahmeverpflichteten Versorgungsausgleichskasse noch bei der aufnahmebereiten gesetzlichen Rentenversicherung eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Versorgung begründet werden, muss das Familiengericht den Ausgleichswert so anpassen, dass Transferverluste, die außer Verhältnis zu den Vorteilen der externen Teilung stehen, vermieden werden.
Dem Arbeitgeber muss dabei die Möglichkeit bleiben, angesichts des gerichtlich bestimmten Ausgleichsbetrags doch die interne Teilung zu wählen.
Die Vorlage macht auch eine Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes geltend. Die Frage der hälftigen Aufteilung von Anrechten zwischen den Geschiedenen betrifft jedoch allein deren Verhältnis, nicht aber den in § 17 VersAusglG angelegten Interessenausgleich im Verhältnis zwischen ausgleichsberechtigter Person und Arbeitgeber.
Der auf Gleichheit im Innenverhältnis der Geschiedenen gerichtete Halbteilungsgrundsatz bietet dafür keinen geeigneten Maßstab.
Auch am allgemeinen Gleichheitssatz gemessen ist § 17 VersAusglG verfassungsgemäß. Die Regelung benachteiligt zwar Inhaber von Versorgungsanrechten aus Direktzusage und Unterstützungskasse gegenüber Inhabern sonstiger betrieblicher Versorgungsanrechte, die eine einseitig verlangte externe Teilung nur in den deutlich geringeren Wertgrenzen des § 14 VersAusglG hinzunehmen haben.
Zudem benachteiligt § 17 VersAusglG Inhaber von Versorgungsanrechten, die sich innerhalb der Wertgrenze des § 17 VersAusglG halten und daher eine externe Teilung hinnehmen müssen, gegenüber jenen, deren Anrechte die Wertgrenze des § 17 VersAusglG überschreiten und daher intern geteilt werden. Beides ist jedoch bei verfassungskonformer Anwendung zu rechtfertigen. Auch insoweit kommt es auf die Rechtsanwendung durch die Gerichte an.
BVerfG, Urt. v. 26.05.2020 - 1 BvL 5/18
Quelle: BVerfG, Pressemitteilung v. 26.05.2020