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Familienrecht -

Inhaltskontrolle bei Eheverträgen: Sittenwidrige Unterhaltsregelung

Vertragliche Beschränkungen des Unterhaltsanspruchs auf das Existenzminimum führen zur Unwirksamkeit der Regelung, wenn bereits bei Vertragsschluss absehbar war, dass berufliche Einschränkungen wegen der Kinderbetreuung nur einen Ehegatten treffen. Das hat das OLG Celle entschieden und damit eine Regelung eines Ehevertrags zum nachehelichen Unterhalt für sittenwidrig und nichtig erklärt.

Sachverhalt

Anlässlich der Heirat schlossen die Eheleute einen notariellen Ehevertrag, in dem die Zugewinngemeinschaft mit dem unabänderlichen Ausschluss des Zugewinns bei Beendigung anders als durch Tod sowie der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt vereinbart wurden.

Für den Fall, dass dem Ehegatten der monatlich notwendige Eigenbedarf nicht zur Verfügung stünde, sollte die Differenz zwischen den tatsächlichen Einkünften des Ehegatten und dem Betrag des notwendigen Eigenbedarfs als Unterhalt geschuldet werden, wenn der bedürftige Ehegatte dann Kinderbetreuungsunterhalt nach §§ 1570, 1572 Nr. 2 BGB verlangen könnte.

Der Ehemann arbeitete weiterhin in Vollzeit als geschäftsführender Gesellschafter, wogegen die Ehefrau für die Kinder ihre Vollzeittätigkeit in Teilzeit umwandelte. Sie fühlt sich nach der Trennung benachteiligt und begehrt Auskunft über das Vermögen des Exmannes mit entsprechenden Nachweisen. Ihr Auskunftsanspruch wurde abgelehnt, wogegen sich ihre Beschwerde richtet.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Ihre Beschwerde bezüglich des Auskunftsanspruchs ist begründet, da diese Regelung des nachehelichen Unterhalts im Ehevertrag sittenwidrig ist. Trotz bestehender Möglichkeit zur vertraglichen Regelung von Scheidungsfolgen darf nicht nur ein Ehegatte einseitig und unzumutbar belastet werden. Einer solchen Regelung ist nach § 138 BGB die Anerkennung direkt zu versagen.

Die vorhandene Regelung zum nachehelichen Unterhalt ist nichtig, weil sie den zum Kernbereich der gesetzlich geregelten Scheidungsfolgen gehörenden Betreuungsunterhalt derart begrenzt, dass eine dem Kindeswohl entsprechende Kinderbetreuung entweder ausgeschlossen ist oder die damit verbundenen Einbußen alleine auf die wirtschaftlich schwächere Ehefrau abgewälzt werden.

Zudem wird der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt insgesamt bis auf den Betreuungsunterhalt ausgeschlossen, der aber weder die Teilhabe des betreuenden Elternteiles an den ehelichen Lebensverhältnissen noch auch nur den Ausgleich ehebedingter Nachteile während der Betreuungszeit umfassen soll.

Vielmehr soll er nur geschuldet sein, soweit die wegen der Kinderbetreuung beschränkten Einkünfte nicht das Existenzminimum erreichen. Der gerade wegen der Kinderbetreuung unterhaltsbedürftige Ehegatte wird auf das Sozialhilfeniveau zurückgesetzt, was ihn unangemessen benachteiligt.

Werden somit zu Lasten eines Ehegatten Ansprüche aus dem Kernbereich der Scheidungsfolgen ausgeschlossen oder eingeschränkt, sodass der Zweck der gesetzlichen Regelung nicht mehr erreicht werden kann, ist die Vereinbarung sittenwidrig, soweit sie nicht ausnahmsweise durch besonders bedeutsame Belange des anderen Ehegatten gerechtfertigt erscheint.

Folgerungen aus der Entscheidung

Trotz Vertragsfreiheit ist eine Vereinbarung, die einen der Ehegatten einseitig belastet und diesen benachteiligt, nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn der andere Teil dabei die Unterlegenheit des anderen bewusst ausgenutzt und somit auch subjektiv verwerflich gehandelt hat. Neben einseitig belastenden Regelungen im Vertrag sind weitere Umstände festzustellen, die die Überlegenheit eines Ehegatten bei Vertragsschluss belegen können, was hier nicht erkennbar ist.

Bestand bei Vertragsschluss noch kein Kinderwunsch oder war wegen der beiderseitigen Berufstätigkeit des Paares nicht absehbar, dass einer der Ehegatten seine Berufstätigkeit aufgeben würde, hindern Modifikation oder Ausschluss dieses Anspruches die Wirksamkeit des Vertrages nicht.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung und Konzeption der Ehe bildet diese den Ausgangspunkt für die Gründung einer Familie. Beide Ehepartner hegten einen konkreten und zeitnah umzusetzenden Kinderwunsch – davon ausgehend, dass die Ehefrau ihre Erwerbstätigkeit für Kinderbetreuung aufgeben oder zumindest wesentlich einschränken würde. Es war absehbar, dass die Ehefrau die daraus folgenden beruflichen Einschränkungen alleine zu tragen haben würde.

Aufgrund dieser „Tendenz zur Alleinverdiener-Ehe“ ist die Modifikation des Betreuungsunterhaltes wegen des Eingriffs in den Kernbereich der Scheidungsfolgen einer besonderen Wirksamkeitskontrolle zu unterziehen. Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt wird ausgeschlossen und auf den Notfall des Erreichens des Existenzminimums als Obergrenze des Bedarfs begrenzt.

Die finanziellen Folgen der Kindererziehung und die damit unvermeidlich verbundene finanzielle Beeinträchtigung durch die Scheidung werden einzig der Ehefrau aufgehalst, ohne dass eine ausgleichende Regelung zugunsten der Ehefrau formuliert wird. Da sich somit weder aus Ehevertrag, Zuschnitt der Ehe noch Lebensverhältnissen der Ehegatten Umstände ergeben, die die einseitige, den Kernbereich der Scheidungsfolgen betreffende Lastenverteilung subjektiv anerkennenswert und gerechtfertigt erscheinen lassen, ist die Regelung sittenwidrig.

Praxishinweis

Dieser Ehevertrag wirkt sich hinsichtlich des Betreuungsunterhalts insgesamt und ausschließlich nachteilig auf die Ehefrau aus, die auf gesetzlicher Grundlage besser dastünde. Obwohl der notarielle Vertrag keinen Ausgleich für die allein die Ehefrau treffenden Beschränkungen enthält, genügt das nicht, um die Nichtigkeit des Vertrages insgesamt zu begründen.

Denn die gesetzlichen Scheidungsfolgen sind nicht in der Weise vorgegeben, dass die nachteilige Abweichung von einer gesetzlich vorgesehenen Berechtigung zwingend durch günstige Regelungen an anderer Stelle ausgeglichen werden müssten. Daher sind – gerade bei Abschluss eines solchen von der gesetzlichen Regelung abweichenden Ehevertrags – besondere Anforderungen an die den Prozess begleitenden Rechtsberater zu stellen; diese sind gefordert, beiden Parteien die rechtlichen, erst später eintretenden Konsequenzen eines solchen Vertragsabschlusses gewissenhaft und erschöpfend vor Augen zu führen.

OLG Celle, Beschl. v. 13.09.2018 – 17 UF 28/18

Quelle: Ass. jur. Nicole Seier