Ein Erbvertrag, der nur Verfügungen von Todeswegen enthält, kann später aus der amtlichen Verwahrung herausverlangt werden. Wird aber mit dem Erbvertrag eine weitere vertragliche Verpflichtung wie z.B. ein Ehevertrag verbunden, besteht kein Anspruch auf Herausgabe dieser Urkunde. Dies gilt auch, wenn der kombinierte Vertrag später aufgehoben wurde. Das hat das OLG Frankfurt entschieden.
Darum geht es
Die Beteiligten sind verheiratet. Sie schlossen 2011 einen notariellen Vertrag. Mit diesem änderten sie zum einen ihren 1988 aufgesetzten Ehevertrag ab und errichteten zum anderen einen Erbvertrag (sog. kombinierter Ehe- und Erbvertrag).
Die Urkunde gaben sie in amtliche Verwahrung. 2018 errichteten sie mit notarieller Urkunde ein gemeinschaftliches Testament und widerriefen den 2011 beurkundeten Erbvertrag.
An den Erklärungen zum Ehevertrag aus dem Jahr 2011 sollte sich dagegen nichts ändern. Auch diese Urkunde gaben sie in amtliche Verwahrung.
2018 und 2019 begehrten sie erfolglos die Herausgabe der Urkunden. Daraufhin hoben sie mit notarieller Urkunde 2022 die Verträge von 2011 und 2018 auf und beantragten erneut die Rückgabe der Urkunden.
Das Nachlassgericht hat beide Anträge zurückgwiesen (Amtsgericht Gelnhausen, Beschl. v. 22.03.2023 - 34 IV 573/18).
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Vorinstanz hatte vor dem OLG Frankfurt am Main teilweise Erfolg, soweit es die Herausgabe des gemeinschaftlichen Testaments betrifft.
Allerdings können die Beteiligten nach dem OLG nicht die Herausgabe des kombinierten Ehe- und Erbvertrags aus dem Jahr 2011 verlangen. Der gesetzliche Herausgabeanspruch nach § 2256 Abs. 2 BGB für Testamente sei nach dem eindeutigen Willen des Reformgesetzgebers für Erbverträge eingeschränkt.
Soweit ein Erbvertrag neben der Verfügung von Todes wegen weitere Regelungen enthalte, sei eine Herausgabe ausgeschlossen (§ 2300 Abs. 2 BGB). Die herausverlangte Urkunde der Eheleute aus dem Jahr 2011 umfasse neben dem Erbvertrag auch Regelungen zum Ehevertrag.
Damit unterfalle sie nicht dem Herausgabeanspruch. Da es sich um ein rein formelles Verfahren handele, komme es trotz der zwischenzeitlichen Aufhebung nicht auf die Unwirksamkeit des Erbvertrages an.
Der Anwendungsbereich des Rückgabeanspruchs sei auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung zu erweitern. Zwar liegt nach dem OLG im Hinblick auf das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein Grundrechtseingriff vor.
Die Testierenden hätten selbst bei sehr persönlichen Inhalten nicht mehr die Möglichkeit, eine Eröffnung des Erbvertrags zu verhindern und müssten die Bekanntgabe eines mittlerweile geänderten Willens in Kauf nehmen.
Dieser Eingriff sei aber unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm gerechtfertigt. Die Beschränkung der Rücknahmemöglichkeit bei kombinierten Erbverträgen diene dem Schutz der die ehevertraglichen Regelungen enthaltenen Originalurkunde vor Verlust.
Da ein Ehevertrag typischerweise Regelungen enthalte, die zu Lebzeiten maßgeblich seien, bestehe ein besonderes Interesse am Erhalt der Urkunde.
Im Übrigen hätten die Eheleute sich freiwillig dafür entschieden, den kombinierten Ehe- und Erbvertrag in die amtliche Verwahrung zu geben.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 19.09.2023 - 21 W 63/23
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Pressemitteilung v. 25.09.2023