Wird bei einem Immobilienkaufvertrag ein Wohnrecht für den Veräußerer und eine Pflegeverpflichtung für die Erwerberin vereinbart, führt der Tod des Veräußerers nur wenige Wochen später nicht zu einem Zahlungsanspruch der Erben. Eine Ausgleichspflicht für das gegenstandslos gewordene Wohnrecht und die Pflegeverpflichtung besteht nicht. Das hat das OLG Frankfurt entschieden.
Darum geht es
Die Antragstellerin ist - neben ihren zwei Geschwistern - zu 1/3 Erbin ihres 2014 verstorbenen Bruders. Ihr Bruder hatte im Frühjahr 2014 seinen Grundbesitz an seine Nichte, die Antragsgegnerin, verkauft. Nach den vertraglichen Regelungen erhielt der Bruder ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht.
Der Jahreswert dieses Wohnrechts wurde mit 2.592 € beziffert. Die Nichte verpflichtete sich zudem zur Pflege des Erblassers im häuslichen Bereich, solange dies für sie möglich und zumutbar war. Der Wert ihrer Pflegeleistungen wurde mit einem Jahreswert von 2.460 € beziffert.
Der Kaufpreis betrug 86.000 €. Nach Berücksichtigung einer Grundbuchbelastung sowie „eines für den Verkäufer einzutragenden Wohnrechts... (kapitalisiert 21.666 €) unter Übernahme von Pflegeleistungen (kapitalisiert 20.563 €)“ zahlte die Nichte noch 10.000 €.
Knapp drei Wochen nach Abschluss dieses Kaufvertrages verstarb der Erblasser überraschend. Die Antragstellerin ist der Ansicht, der Kaufvertrag sei im Wege ergänzender Vertragsauslegung so zu verstehen, dass die Nichte zur Zahlung der kapitalisierten Werte für das nicht genutzte Wohnrecht und die nicht erbrachten Pflegeleistungen verpflichtet sei.
Sie begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Zahlungsklage. Das Landgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Auch nach großzügigen Maßstäben besteht demnach für die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin keine hinreichende Erfolgsaussicht.
Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung sei eine Lücke im Regelungskonzept des Vertrags, die geschlossen werden müsse.
Die ergänzende Auslegung darf dabei nicht zu einer freien richterlichen Vertragsgestaltung ausufern. Hier fehlt es bereits an einer Lücke im Kaufvertrag. Beide Seiten hätten sich bei Abschluss im Ungewissen darüber befunden, wie lange der Verkäufer (der Erblasser) leben und ob er zu Lebzeiten pflegebedürftig im Sinne des Vertrages werden würde.
Die Nichte sei das Risiko eingegangen, dass sie - sofern der Erblasser sehr alt werde, gleichzeitig aber bald nach Vertragsschluss pflegebedürftig - über einen sehr langen Zeitraum Pflegeleistungen erbringen müsse.
Umgekehrt sei der Erblasser das Risiko eingegangen, dass er im Fall seines frühen Todes sein Grundstück an die Nichte überlassen habe, obwohl sie ihn nicht pflegen und ein Wohnrecht nur für kurze Zeit habe erdulden müssen.
Es sei kein Grund ersichtlich, warum im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung deswegen eingegriffen werden sollte, da sich das Risiko des Erblassers zu einem sehr frühen Zeitpunkt realisiert habe. Auch im umgekehrten Fall, wenn die Nichte ihre Verpflichtungen für einen sehr langen Zeitraum hätte erfüllen müssen, hätte kein Anlass für eine ergänzende Vertragsauslegung bestanden.
Raum für eine Anpassung des Vertrages nach den so genannten Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bestehe ebenfalls nicht. „Bei der Vereinbarung eines lebenslangen Wohnungsrechts muss jeder Vertragsteil grundsätzlich damit rechnen, dass der Berechtigte sein Recht wegen Krankheit und Pflegebedürftigkeit nicht bis zu seinem Tod ausüben kann.
Für den Tod des Berechtigten könne insoweit nichts anderes gelten. Gleiches gelte für die Pflegeverpflichtung. Auch hier müsse jeder Vertragsteil grundsätzlich damit rechnen, dass diese Verpflichtung infolge des Todes des Berechtigten bereits kurze Zeit nach dem Abschluss des Vertrages gegenstandslos werde.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar.
OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 06.05.2019 - 8 W 13/19
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Pressemitteilung v. 18.06.2019