Familienrecht -

Elterliche Sorge: Entscheidung über Urlaubsreise

Bei gemeinsamer elterlicher Sorge unterfällt die Entscheidung, mit dem Kind unter den gegenwärtigen Verhältnissen eine Urlaubsreise in die Türkei zu unternehmen, nicht der Alleinentscheidungsbefugnis gemäß § 1687 Absatz 1 BGB. Das hat das OLG Frankfurt entschieden. Bei einer derartigen Urlaubsreise müssen die Eltern sich demnach ggf. untereinander abstimmen.

Sachverhalt

Die Mutter buchte im Januar 2016 für den Sommer eine Urlaubsreise mit ihrem achtjährigen Kind in die Türkei inklusive Flug nach Antalya und Transfer zum Hotel. Die geschiedenen Eltern des Kindes haben das gemeinsame Sorgerecht. Der Vater verweigerte die im Mai 2016 erbetene Zustimmung zu der beabsichtigten Reise und begründete dies mit der politischen Lage und einer eventuellen Terrorgefahr. Im Wege einer einstweiligen Anordnung hat die Mutter beantragt, die Zustimmung des Vaters zu der Reise zu ersetzen.

Das Amtsgericht hat der Mutter die Befugnis übertragen, über die Durchführung der Türkeireise mit dem achtjährigen Kind allein zu entscheiden. Da nur eine entfernte Gefahr bestehe, würden die Nachteile einer Nichtdurchführung der Urlaubsreise überwiegen. Dagegen wendet sich der Vater mit seiner Beschwerde und macht geltend, dass durch die aktuellen Ereignisse in der Türkei die Gefährdung für das Kind noch konkreter geworden sei. Aufgrund der Gefahr für dessen Leib und Leben sei es geboten, die Reise zu verwehren.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Das OLG setzt die Wirksamkeit des Beschlusses hinsichtlich der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf die Mutter einstweilen aus. Eine Urlaubsreise des Kindes in die Türkei bedarf der Zustimmung des mitsorgeberechtigten Vaters. Wenn Umstände vorliegen, unter denen eine Reise besondere Gefahren mit sich bringt, die mit dem Reiseziel zusammenhängen und über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehen, ist sie nicht mehr von der Alleinentscheidungsbefugnis aus § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB gedeckt.

Solche Risiken bejaht das OLG. Die Türkei war in letzter Zeit mehrmals das Ziel terroristischer Anschläge. Auch die Region von Antalya war 2015 bereits von solchen Anschlägen betroffen. Schon vor Monaten wurde in den Medien über Drohungen extremistischer Gruppen mit Anschlägen in der Touristenregion berichtet. Diese Gefahren schließen Urlaubsreisen in diese Region zwar nicht aus. Bei gemeinsamem Sorgerecht müssen aber beide Elternteile zustimmen.

Die Entscheidung über eine Übertragung nach § 1628 BGB kann zwar auch im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 49 FamFG ergehen. Dies setzt jedoch voraus, dass der geltend gemachte Anspruch materiell-rechtlich besteht. Daher können nur solche Anordnungen ergehen, für die es auch in einem Hauptsacheverfahren eine Rechtsgrundlage gibt. Eine einstweilige Anordnung kann nur ergehen, wenn nach den vorhandenen Erkenntnissen mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass auch ein Hauptsacheverfahren zu einer dahin gehenden Regelung führen würde.

Das OLG hat erhebliche Zweifel, ob die für die Entscheidung maßgeblichen Umstände nach ihrer Gewichtung die hier erfolgte Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis auf die Mutter rechtfertigen. Weder der Wille des Kindes und dessen Freude auf den Urlaub noch die eventuellen finanziellen Folgen eines Rücktritts von der Reise können den Ausschlag geben. Maßgeblich ist zunächst, ob sich die Haltung der Eltern als Ausübung der Elternverantwortung darstellt. Dass es der Elternverantwortung entsprechen kann, von der Reise abzusehen, ist unabhängig von einer etwaigen Reisewarnung des Auswärtigen Amts zu beurteilen.

Die Haltung des Vaters kann nicht als schikanöse Intervention abgetan werden. Auch wenn die Mutter davon ausgeht, dass die Reise gefahrlos durchgeführt werden kann, bedeutet dies nicht, dass die Befürchtungen des Vaters von vornherein unbegründet sind. Die Regierung der Türkei hat inzwischen den Ausnahmezustand ausgerufen. Bei dieser Sachlage (Massenverhaftungen und Regierungsentscheidungen von existenzieller Bedeutung) besteht eine konkrete Gefahr, dass eventuelle Unruhen auch Auswirkungen auf die Urlaubsregionen haben können. Das OLG hält die nachteiligen Folgen für das Kindeswohl, die ein Nichtantritt des Urlaubs mit sich bringt, für weniger gravierend als die möglichen Folgen einer Durchführung der Urlaubsreise.

Folgerungen aus der Entscheidung

Nach dieser Entscheidung ist – bei gemeinsamem Sorgerecht für das Kind – eine Abstimmung zwischen den Eltern zwingend erforderlich, wenn die Reise eines Elternteils mit dem Kind in eine als bedenklich eingestufte Urlaubsregion führt. Entgegen der sonst vorliegenden Alleinentscheidungsbefugnis des reisenden Elternteils wird dann die Zustimmung des anderen sorgeberechtigten Elternteils als unabdingbar erachtet.

Praxishinweis

Sieht ein Elternteil in einer Reise reale und spürbare, aber nicht abschätzbare Gefahren für sein Kind, darf die Reise mangels Zustimmung nicht stattfinden. Auch wenn keine Reisewarnung des Auswärtigen Amts vorliegt, sind die vom anderen Elternteil vorgetragenen Argumente objektiv zu prüfen. Handelt es sich nicht um eine schikanöse Intervention, sondern um eine Befürchtung des anderen Elternteils, die durch Medienberichte etc. bestätigt wird, kann die Zustimmung nicht im Wege einer einstweiligen Anordnung ersetzt werden.

OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 21.07.2016 – 5 UF 206/16

Quelle: Ass. jur. Nicole Seier