Das OLG Celle hat die Verpflichtung der Nachlassgerichte zur Erbenermittlung konkretisiert. Ein Erbrecht des Staates darf demnach erst nach ausreichenden Nachforschungen zu anderen Erben festgestellt werden. Die Anforderungen an die Erbenermittlung dürfen nicht zu niedrig angesetzt werden. Regelmäßig müssen mindestens Anfragen an Sterbe-, Ehe- und Geburtenregister gerichtet werden.
Darum geht es
Hat ein Verstorbener keinen Ehe- oder Lebenspartner und keine Verwandten und hat er auch nicht durch ein Testament oder eine andere letztwillige Verfügung einen Erben eingesetzt, so erbt der Staat nach § 1936 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sein Vermögen.
Dieses sog. Erbrecht des Fiskus stellt das Nachlassgericht nach § 1964 BGB fest, wenn ein Erbe nicht innerhalb einer den Umständen entsprechenden Frist zu ermitteln ist.
In dem zu entscheidenden Fall war die Erblasserin am 24.02.2021 in der von ihr gemieteten Wohnung in Bremervörde tot aufgefunden worden. Das für die Bestattung zuständige Ordnungsamt hatte keine Informationen zu Angehörigen.
Das Zentrale Testamentsregister wies zwar auf eine namentlich benannte Tochter der Erblasserin hin. Das Standes- und Einwohnermeldeamt an dem angegebenen Geburtsort dieser Tochter teilte aber mit, dass diese dort nicht gemeldet sei.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Auf dieser Grundlage konnte das Erbrecht des Fiskus nach dem Beschluss des OLG Celle noch nicht festgestellt werden. Das Gericht hat hervorgehoben, dass die Anforderungen an die Erbenermittlungspflicht des Nachlassgerichts nicht zu niedrig angesetzt werden dürfen.
Zwar stehen Reichweite und Umfang der Erbenermittlungen im pflichtgemäßen Ermessen des Nachlassgerichts. Auch darf das Nachlassgericht beispielweise nach § 1965 BGB von einer öffentlichen Aufforderung zur Anmeldung von Erbrechten absehen, wenn die dafür erforderlichen Kosten im Hinblick auf das Vermögen des Erblassers unverhältnismäßig hoch wären.
Der Wert des Nachlasses war hier aber noch nicht ausreichend ermittelt. Zudem könne selbst bei einer Überschuldung nicht ohne weiteres angenommen werden, dass ein Erbe die Erbschaft ausschlagen werde.
Als Faustformel betonte der Senat, dass regelmäßig mindestens Anfragen an Sterbe-, Ehe- und Geburtenregister der feststellbaren Lebensmittelpunkte eines Erblassers gerichtet werden müssen.
Da im vorliegenden Fall zudem der Name, das Geburtsdatum und der Geburtsort einer möglichen Tochter bekannt waren, mussten auch ausgehend von diesen Informationen weitere Ermittlungen erfolgen.
Diese nach dem Beschluss des Senats durchgeführten weiteren Ermittlungen waren letztlich auch erfolgreich. In der vermüllten Wohnung der Erblasserin wurden neben der Anschrift der Tochter Nachweise über zwei Konten sowie rund 1.000 € Bargeld gefunden.
OLG Celle, Beschl. v. 20.04.2021 - 6 W 60/21
Quelle: OLG Celle, Pressemitteilung v. 17.06.2021