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Testamentsauslegung bei falschen Begriffen

Welche Folgen haben unklare bzw. rechtlich falsche Begriffe in einem Testament? In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass in einer Zuwendung eines wertmäßig wesentlichen Nachlassgegenstands eine Erbeinsetzung gesehen werden kann. Dabei ist der wirkliche Wille des Erblassers maßgebend. Das OLG München hat ein Testament im Hinblick auf die Begriffe „erben“ und „vermachen“ ausgelegt.

Sachverhalt

Die Erblasserin war verwitwet und kinderlos. Nach ihrem Tod wurde das folgende, fast wörtlich wiedergegebene handschriftliche Testament eröffnet:

„Mein letzter Wille.
Mein Haus mit Inventar in der … vererbe ich an das Ehepaar … mein Firmpatenkind), … Mein Haus in der … vererbe ich an das Ehepaar … Sie wohnen im Haus.
Innerhalb von 10 Jahren dürfen die Häuser nicht verkauft werden. Es wäre schön, wenn ein Familienmitglied die Häuser bewohnen würde.
Mein (Firmpatenkind) … erbt € 20.000,-.
Frau … erbt ebenfalls € 20.000,-.
Je € 10.000,- erbt ... (7 Personen)
€ 5.000,- erbt …(3 Personen)
Sollte ich mein altes Auto (Corsa) noch besitzen, erbt es ...
Die Sparbücher können für das Erbe verwendet werden. Den Rest meines Vermögens erhält das Ehepaar ... (Anmerkung Verfasser: Firmpatenkind)
Eine Bedingung:
Nicht benötigtes Inventar darf nicht verkauft werden, sondern nur verschenkt werden an Verwandte, gute Freunde, Nachbarn u. an den katholischen Flohmarkt. …“

Das Firmpatenkind beantragte gemeinsam mit dem Ehepartner einen Erbschein, der sie jeweils zu ½ als Erben benennt. Hiergegen wandten sich die beiden Hausbewohner und beantragten einen Erbschein, der sie neben den Firmpatenkind-Eheleuten zu jeweils ¼ als Erben ausweist. Das Geldvermögen der Erblasserin belief sich auf insgesamt ca. 330.000 €. Das Haus, das für die Firmpatenkind-Eheleute vorgesehen war, hatte laut Sachverständigengutachten ein Wert von etwa 170.000 €. Das Haus, das den Hausbewohnern zukommen sollte, hatte einen Wert von etwa 70.000 €. Beide Häuser stehen auf einem ungeteilten Grundstück.

Das Nachlassgericht hat durch Beschluss die Erteilung eines Erbscheins zugunsten des Firmpatenkindes und dessen Ehepartner angekündigt und die sofortige Wirkung des Beschlusses ausgesetzt. Gegen den Beschluss legten die beiden Hausbewohner frist- und formgerecht Beschwerde ein.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die Beschwerde blieb in der Sache ohne Erfolg. Zunächst bestätigte das OLG München die gängige Rechtsprechung, wonach vom Erblasser verwendete erbrechtliche Begrifflichkeiten, wie z.B. erben und vermachen, grundsätzlich auszulegen sind. Sodann qualifiziert er die insgesamt elf von der Erblasserin testamentarisch zugewandten Geldbeträge trotz der verwendeten Begrifflichkeit „erbt“ als Vermächtnisse.

In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass von einem Vermächtnis auszugehen ist, wenn ein Erblasser konkrete Geldbeträge zuwendet. Sodann arbeitet das Gericht heraus, dass das Testament in zwei Richtungen ausgelegt werden kann. Zum einen in die vom Nachlassgericht gewählte Richtung, nach der die Firmpatenkind-Eheleute Erben zu ½ sind und die Häuser als (Voraus-)Vermächtnisse zugewendet sind. Und zum anderen dahingehend, dass sämtliche Beteiligte Miterben jeweils in Höhe der zugewendeten Vermögensgruppen sind.

Letztere Auslegungsvariante ist nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht naheliegend. Für die vom Nachlassgericht favorisierte Auslegung spricht zum einen der äußere Aufbau des Testaments. Die Firmpatenkind-Eheleute werden an erster Stelle erwähnt und erhalten den Rest des Vermögens. Zudem spricht dafür, dass die Firmpatenkind-Eheleute insgesamt den weitaus größten Anteil am Erbe erhalten sollen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Häuser auf einem ungeteilten Grundstück stehen. Nach der Vorstellung der Erblasserin kam es nicht auf den Grundstückswert, sondern auf den Wert der Häuser an.

Folgerungen aus der Entscheidung

In seiner Entscheidung weist das OLG München zudem nochmals auf die gängige Rechtsprechung zur Auslegung von Testamenten hin, bei denen der Erblasser ohne einen Erben zu benennen wesentliche Vermögensgegenstände (wie z.B. eine Immobilie) zuwendet. Hier ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt, dass bei einer Zuwendung eines wertmäßig wesentlichen Nachlassgegenstandes eine Erbeinsetzung gesehen werden kann.

Praxishinweis

Zu Beginn einer jeglichen Testamentsauslegung steht immer das Ziel, den Willen des Erblassers allein über den Wortlaut bzw. die Wortbedeutung unter Beachtung des sprachlichen Kontexts (Grammatik, Zeichensetzung, Absätze etc.) zu ermitteln. Diese Art der Auslegung wird wörtliche, einfache, erläuternde oder auch unmittelbare Auslegung genannt.

Bei der wörtlichen Auslegung ist der Sinn der Worte nach dem allgemeinen Sprachgebrauch unter Berücksichtigung von z.B. persönlichen, regionalen, umgangssprachlichen oder berufsbedingten Einschlägen in der Gedankenwelt des Erblassers maßgebend. Aber selbst wenn der Wortlaut nach dem (juristisch) üblichen bzw. allgemeinen Sprachgebrauch eindeutig ist (z.B. „erben“ oder „vermachen“), kann eine gegensätzliche Auslegung dem tatsächlichen Erblasserwille näher kommen. Es besteht bei der Auslegung keine absolute Bindung an den Wortlaut. Es ist ausschließlich der wirkliche Wille maßgebend.

OLG München, Beschl. v. 09.08.2016 - 31 Wx 286/15

Quelle: Rechtsanwalt Ralf Mangold