Allein die Bezeichnung als „Berliner Testament“ führt nicht ohne weiteres zu einer Alleinerbschaft des länger lebenden Ehepartners. Aufgrund der Formulierungen in einem Testament und besonderer Familienkonstellationen hat das OLG Düsseldorf den verbliebenen Ehemann lediglich als nicht befreiten Vorerben eingestuft. Zudem konnte seine Frau die Person des Nacherben noch nachträglich ändern.
Sachverhalt
Die Erblasserin hat im Jahr 1985 wörtlich wie folgt samt Unterschrift testiert: „Nach meinem Tode vermache ich meinen gesamten Nachlaß meinem Ehemann … Mein Vermögen besteht hauptsächlich aus dem Haus, in J..- Ich weise darauf hin, daß das Haus nicht verkauft werden darf; da ich nach dem Tode meines Ehemannes H., meine Tochter aus 1. Ehe, als Alleinerbin einsetze - dieses gilt auch für das übrige gesamte Vermögen.“
Darunter hat der Ehemann wörtlich wie folgt samt Unterschrift testiert: „Mein letzter Wille! Nach meinem Tode vermache ich meinen gesamten Nachlaß meiner Ehefrau… Meine Kinder, Tochter F. …, Sohn G. …, erben nach dem Tode meiner Ehefrau… je zur Hälfte meinen gesamten Nachlaß.“
Auf dem gleichen Blatt fügte die Erblasserin noch einen von beiden Erblassern nochmals unterzeichneten Zusatz an: „Unser beider letzter Wille darf nur auf Gegenseitigkeit geändert werden.“
Im Jahr 2014 verfassten die Eheleute ein weiteres, von beiden unterschriebenes Schriftstück, in dem es wörtlich heißt: „BERLINER TESTAMENT V. 19. JUNI 1985 WIR fINDEN UNSER oBIGES TESTAMENT NICHT, dESHAB sOLL die beiliEGENDE COPIE V. 19. JUNI 1985 WEITERHIN GÜLTIG SEIN.“
Nachdem die Tochter der Erblasserin verstorben war, hat die Erblasserin gemeinsam mit dem Lebensgefährten ihrer Tochter in einem Erbvertrag zunächst die Erbeinsetzung ihres Ehemannes als nicht befreiten Vorerben bestätigt und den Lebensgefährten der Tochter anstelle der vorverstorbenen Tochter als Nacherben eingesetzt.
Weiter enterbte sie explizit ihre drei Nichten und stelle klar, dass ihr Ehemann enterbt ist, insoweit er nicht als befreiter Vorerbe begünstigt ist. Dies sollte auch für die Kinder des Ehemannes und dessen Verwandten gelten.
Der Ehemann hat nach dem Tod der Erblasserin einen Erbschein auf der Grundlage des Testaments aus dem Jahr 1985 beantragt, der ihn als Alleinerben, hilfsweise als befreiten Vorerben ausweist. Das Nachlassgericht hat durch Beschluss festgestellt, dass der Ehemann Alleinerbe geworden ist. Gegen diesen Beschluss legte der Lebensgefährte der Tochter Beschwerde ein.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Die zulässige Beschwerde war auch erfolgreich. Das OLG Düsseldorf ist der Ansicht, dass der Ehemann weder Alleinerbe noch befreiter Vorerbe geworden ist. Es legt die Verfügungen von Todes wegen dahingehend aus, dass der Ehemann unbefreiter Vorerbe und der Lebensgefährten der Tochter Nacherbe geworden ist.
Schon allein aus dem Testament aus dem Jahr 1985 folgt, dass der Ehemann lediglich nicht befreiter Vorerbe werden sollte.
Denn selbst unter Beachtung des Wortlautes des nachträglichen Schriftstückes aus dem Jahr 2014 „Berliner Testament“ ergibt sich aus den Verfügungen von Todes wegen von 1985 nicht, dass die Eheleute über ihr gemeinschaftliches Vermögen i.S.d. § 2269 BGB einheitlich sowohl nach dem ersten als auch nach dem zweiten Erbfall bestimmen wollten.
Die Eheleute haben das gemeinschaftliche Vermögen letztendlich nicht einem gemeinsam gewählten Dritten zugedacht. Vielmehr sollte das Vermögen des Ehemannes in dessen Familie und das Vermögen der Ehefrau in deren Familie fallen.
Aus diesem Grund war die Erblasserin insbesondere auch nach dem Tod ihrer Tochter nicht darin gehindert, eine andere Person als Nacherben einzusetzen. Den Lebensgefährten der Tochter, ihren sog. „Schwiegersohn“, hatte sie auch immer als Familienangehörigen betrachtet.
Diese vorgenannte Auslegung ergibt sich schon aus dem Testament selbst. Ein Rückgriff auf § 2269 BGB sowie auf § 2270 Abs.1 BGB war daher nicht notwendig.
Folgerungen aus der Entscheidung
Die Auslegung der Verfügungen von Todes wegen durch das OLG Düsseldorf ist nachvollziehbar. Das Nachlassgericht hatte wohl übersehen, dass schon die testamentarischen Anordnungen der Eheleute aus dem Jahr 1985 in naheliegender Weise als unbefreite Vor- und Nacherbschaft auszulegen war.
Die Möglichkeit der einseitigen Abänderungsmöglichkeit im Hinblick auf den Nacherben drängte sich hier ebenfalls auf. Sowohl der Ehemann als auch die Ehefrau hatten unabhängig voneinander eigene Nacherben aus dem Kreis der eigenen Familie bestimmt. Warum sollte es dann nicht dem Willen der Testierenden zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung entsprochen haben, dass der einzelne Ehepartner alleine die jeweils von ihm für sein eigenes Vermögen bestimmten Nacherbeneinsetzung abändern zu dürfen.
Praxishinweis
Eine Auslegung mit ähnlichen Wertungen erfolgt auch häufig in Bezug auf gemeinschaftliche Testamente, in denen sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben und einen oder mehrere Familienangehörige nur eines Ehepartners als Schlusserben einsetzen. In diesem Fällen gelangt man häufig zu einer Auslegung dahingehend, dass wenn der Ehepartner vorverstirbt, dessen Angehörigen nicht als Schlusserben eingesetzt sind, der überlebende Ehepartner noch nach dessen Tod Änderungen bei der Schlusserbeneinsetzung vornehmen darf.
In diesen Fallkonstellationen dürfte es dann entscheidend auf das Näheverhältnis der Schlusserben zum nichtverwandten vorverstorbenen Ehepartner kommen. Es wird ansonsten naheliegend sein, dass es dem vorverstorbenen Ehepartner nicht so wichtig war, wer Schlusserbe werden wird.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.08.2018 – 3 Wx 67/18
Quelle: Rechtsanwalt Ralf Mangold