Wann will der Erblasser die Geltung des Testaments von einer bestimmten Bedingung abhängig machen? Und wann ist eine Formulierung nicht wörtlich gemeint? Das Kammergericht Berlin hat entschieden, dass die Formulierung „für den Fall, dass ich heute verunglücke“, keine Bedingung für die Geltung des Testaments ist, sondern damit nur der Anlass der Testamentserrichtung mitgeteilt wird.
Sachverhalt
Die Erblasserin und deren Exmann waren zwei Mal verheiratet und sind zwei Mal geschieden worden, zuletzt 1986. Sohn 1 wurde während der ersten Ehe, Sohn 2 während der zweiten Ehe geboren. Der Exmann war zum Todeszeitpunkt Betreuer des Sohnes 1. Nach dem Tod der Erblasserin hat er einen gemeinschaftlichen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge beantragt, wonach (weil zum Todeszeitpunkt auch die zweite Ehe geschieden war) die Kinder als Miterben zu ½ ausgewiesen werden. Dieser Erbschein wurde erteilt.
Rund ein halbes Jahr später reichte er ein formwirksames Testament der Erblasserin aus dem Jahr 1999 beim Nachlassgericht ein. Sie hatte dort geschrieben: „Testament – Für den Fall, dass ich heute, am … tödlich verunglücke, fällt mein gesamter Nachlass … (Aufzählung) zu gleichen Teil an: Exmann, Sohn 1, Sohn 2, … Anordnung eines Testamentvollstreckers über den Erbteil des Sohnes 1 … Datum, Unterschrift. Aufgesetzt bei bester Gesundheit und bei vollem Bewusstsein.“
Das Nachlassgericht befragte den Exmann und die Söhne zur Testamentserrichtung. Der Exmann hatte ausgeführt, die Erblasserin sei gesund gewesen, habe auch keine riskanten Aktionen geplant. Er hatte auch zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung trotz Scheidung noch mit der Erblasserin zusammengelebt und für die gemeinsamen Kinder gesorgt, insbesondere für Sohn 1. Das gemeinsame Haus ist von beiden je zur Hälfte finanziert worden.
Nach der Scheidung hatte der Mann am Haus weiter gebaut und Aufwendungen für Werterhaltung/Wertsteigerung getätigt. Die Erblasserin hatte auch öfter erwähnt, dass sie ein Testament (Erbeinsetzung mit ihm und den Söhnen) errichtet hätte. Sohn 2 führte aus, die Mutter habe mit ihm nicht im Detail über ein Testament gesprochen. Sie sei aber intelligent gewesen und deshalb sei es abwegig, das Testament entgegen dem exakten Wortlaut zu verstehen.
Es habe auch kein Anlass bestanden, den Exmann testamentarisch zu bedenken. Darüber hinaus hatte zwar der Exmann (Vater) tatsächlich Baumaßnahmen vorgenommen, das Haus ist aber auch nach vielen Jahren noch nicht fertig. Seine Mutter hatte mit ihm, dem Sohn, und seiner Cousine im Jahr 2006 besprochen, wie Dinge nach ihrem Tod geregelt sein sollten, und dabei habe der Exmann/Vater keine Rolle gespielt.
Das Nachlassgericht hat daraufhin den Erbschein wegen Unrichtigkeit eingezogen, da das Testament aus dem Jahre 1999 zum Zeitpunkt des Erbfalls gelte. Hiergegen legte Sohn 2 Beschwerde ein und argumentierte, eine Auslegung gegen den eindeutigen Wortlaut sei nicht statthaft. Das Testament sollte nur gelten, wenn die Erblasserin an dem benannten Tage tödlich verunglückt wäre.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der erteilte Erbschein war einzuziehen. Er weist fälschlich die gesetzliche Erbfolge aus. Die Erblasserin hatte aber durch das formgültige Testament von 1999 die Erbfolge anders geregelt. Die Eingangsformulierung „Für den Fall, dass ich heute verunglücke …“ ist keine Bedingung, von deren Eintritt die Wirksamkeit des Testaments abhängen soll. Sie ist lediglich Ausdruck für den Anlass der Testamentserrichtung.
Zunächst muss trotz des vermeintlich eindeutigen Wortlautes eine Auslegung vorgenommen werden, denn es ist stets zu fragen, was die der Erblasserin mit ihren Worten hatte sagen wollen. Demnach ist auch das hiesige Testament der Auslegung zugänglich, §§ 133, 2084 BGB.
Ist die letztwillige Verfügung mit einem am Tag der Errichtung oder einem in einer bestimmten Situation eintretenden Ereignis textlich konditional verknüpft, ist anerkannt, dass der Wille des Erblassers dahingehend zu erforschen ist, ob eine echte Bedingung für die Gültigkeit des Testaments vorliegt (mit deren Ausfall das aufschiebend bedingte Rechtsgeschäft unwirksam wird, § 158 Abs. 1 BGB, – was selten der Fall ist), oder ob es sich lediglich um die Mitteilung eines Beweggrundes oder eines Anlasses für die Testamentserrichtung handelt, wofür ein Konditionalsatz verwendet wird, ohne aber die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung hiervon tatsächlich abhängig machen zu wollen (Regelfall).
Die Auslegungsbedürftigkeit ist dann gegeben, wenn nach Nichteintritt des genannten Ereignisses der Erblasser das Testament nicht widerrufen oder ein anderes Testament errichtet hat – wie hier. Der Regelfall ist anerkannt für Testamente, die vor schweren medizinischen Eingriffen, gefährlichen Reisen, etc. errichtet werden.
Für die Frage, ob der Erblasser die Wirksamkeit seiner Anordnung von einer echten Bedingung abhängig machen oder nur den Grund oder Anlass der Testamentserrichtung wiedergeben wollte, muss eine unmittelbare Verknüpfung zwischen dem angegebenen Ereignis und dem Eintritt der testamentarischen Erbfolge gegeben sein, um Ersteres anzunehmen.
Lässt der Inhalt der Anordnung keinen Zusammenhang mit Todesart oder Todeszeitpunkt erkennen, ist anzunehmen, dass das Testament auch dann gelten soll, wenn der Erblasser unter anderen Umständen stirbt als den angegebenen.
Die textliche Verortung der Gedanken direkt am Anfang im Testament spricht dafür, dass es eher um die Mitteilung des Anlasses der Testamentserrichtung geht als um eine Bedingung. Daneben gab es hier bei der Testamentserrichtung objektiv keine Situation, bei der die Erblasserin sich ernsthaft Gedanken um ihren Tod hätte machen müssen. Sie lebte nach der Testamentserrichtung noch 16 Jahre und hat das Testament nicht geändert.
Der Erblasserin war das Testament auch bekannt, als im Jahre 2006 über die mögliche Erbfolge diskutiert wurde. Sie hatte es also bewusst nicht widerrufen. Dies zeigt, dass sie selbst von der Fortgeltung ihres Testaments ausging. Es sind auch hier keine Umstände festzustellen, die die Erblasserin bewogen haben könnten, nur für den einzigen Tag der Testamentserrichtung von der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen.
Folgerungen aus der Entscheidung
Der Beschluss zeigt wieder einmal, dass auch vermeintlich eindeutige letztwillige Verfügungen grundsätzlich der Auslegung zugänglich sind und insbesondere bei scheinbar eindeutigem Wortlaut dennoch nach dem vermeintlichen Willen des Erblassers geforscht werden muss.
Hierbei ist insbesondere dann, wenn scheinbar konditionale Beziehungen im Testament erwähnt werden, zu hinterfragen, ob diese erwähnten Situationen tatsächlich eine „conditio sine qua non“ im Rahmen des § 158 BGB sein sollen oder ob damit nicht nur die Gedanken und Motive anlässlich der Testamentserrichtung diskutiert werden.
Es wird regelmäßig von Zweiterem auszugehen sein, insbesondere wenn der Erblasser das ihm bekannte, scheinbar unter Bedingung stehende Testament nicht ändert oder widerruft, wenn die Bedingung eben nicht eintritt und wenn auch letztlich das erwähnte Ereignis für die konkrete Ausgestaltung der Erbfolge überhaupt keine Rolle spielt.
Praxishinweis
Derjenige, der sich mit der Testamentsauslegung zu befassen hat, muss sich klar sein, dass auch ein scheinbar eindeutiger Wortlaut im Hinblick auf eine konditionale Verknüpfung der letztwilligen Verfügung mit einem Ereignis oder einer Situation auslegungsbedürftig ist und sogar eher nicht zu einer „conditio sine qua non“ führen wird. Weiter ist zu beachten, dass dieses durch das Nachlassgericht von Amts wegen vorgenommen wird und dass das unreflektierte Abstellen allein auf den Wortlaut einer letztwilligen Verfügung im Zweifel nicht zum Erfolg führen wird.
KG Berlin, Beschl. v. 24.04.2018 – 6 W 10/18
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Erbrecht Miles B. Bäßler