Wer auf einem Fahrrad mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,73 Promille unterwegs ist und anschließend das von ihm geforderte medizinisch-psychologische Gutachten (MPG) nicht fristgerecht beibringt, dem kann die Fahrerlaubnis entzogen sowie das Fahrradfahren verboten werden. Das hat das Verwaltungsgericht Neustadt a.d. Weinstraße in einem Eilverfahren entschieden.
Darum geht es
Der im Rhein-Pfalz-Kreis wohnhafte Antragsteller geriet im Juli 2013 nach dem Besuch eines Festes im Nachbarort gegen 23:30 Uhr mit seinem Fahrrad ohne Licht auf einer öffentlichen Straße in eine Verkehrskontrolle der Polizei. Die anschließende Blutalkoholuntersuchung ergab einen Wert von 1,73 Promille. Das Amtsgericht Speyer verurteilte ihn mit Urteil vom 04.03.2014 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.000 €.
Nachdem der Rhein-Pfalz-Kreis von der Verurteilung Mitte März 2014 erfahren hatte, forderte er den Antragsteller Anfang April 2014 auf, innerhalb von 2 Monaten ein MPG zur Frage seiner weiteren Fahreignung vorzulegen. Da der Antragsteller das Gutachten in der Folgezeit nicht beibrachte, entzog ihm der Antragsgegner mit Bescheid vom 04.07.2014 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis der Klasse 3 und untersagte ihm das Fahren von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (Fahrrad und Mofa).
Der Antragsteller legte dagegen Widerspruch ein und suchte um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz mit der Begründung nach, der Antragsgegner habe nicht ausreichend beachtet, dass die Trunkenheitsfahrt nur mit dem Fahrrad erfolgt sei. Mit Ausnahme dieses einen Vorfalls habe er ansonsten immer unbeanstandet am Straßenverkehr teilgenommen.
Er sei auch aus beruflichen Gründen dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen. Die ihm gesetzte Frist von zwei Monaten zur Beibringung des Gutachtens sei wesentlich zu kurz bemessen. Es existiere im Übrigen keine Rechtsgrundlage zum Untersagen des Führens von Fahrrädern.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Gericht hat den Eilantrag mit Beschluss vom 08.08.2014 abgelehnt.
Zur Begründung führten die Richter aus: Die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung der Fahrerlaubnis der Klasse 3 sei offensichtlich rechtmäßig. Nach den einschlägigen Vorschriften der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) müsse die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Entziehung der Fahrerlaubnis die Beibringung eines MPG anordnen, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer BAK von 1,6 Promille oder mehr geführt worden sei. Hier habe der Antragsteller im Juli 2013 mit einer BAK von 1,73 Promille ein Fahrrad im Straßenverkehr geführt. Ein Fahrrad sei ein Fahrzeug im Sinne der FeV.
Die Teilnahme am Straßenverkehr in erheblich alkoholisiertem Zustand stelle mit jedem Fahrzeug eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs dar. Da eine BAK von 1,6 Promille oder mehr den Verdacht eines die Fahreignung ausschließenden Alkoholmissbrauchs begründe, müsse daher schon aus Gründen der Gefahrenabwehr den Eignungszweifeln nachgegangen werden, gleichgültig welches Fahrzeug geführt worden sei.
Die bei dem Antragsteller gemessene BAK spreche für ein hohes Maß an Alkoholgewöhnung, das nur durch den regelmäßigen Konsum großer Mengen alkoholischer Getränke erreicht werden könne. Dies wiederum lasse die Befürchtung zu, dass der Antragsteller in stark alkoholisiertem Zustand auch motorisiert am Straßenverkehr teilnehme. Um abzuklären, ob dies der Fall sei, oder ob der Antragsteller über eine Persönlichkeitsstruktur verfüge, die es ihm ermögliche, sein Verhalten so zu steuern, dass er in betrunkenem Zustand wirklich kein Kraftfahrzeug benutze, habe der Antragsgegner die Beibringung eines MPG anordnen müssen.
Da sich der Antragsteller geweigert habe, das Gutachten fristgerecht beizubringen, habe der Antragsgegner auf seine Nichteignung schließen dürfen. Die gesetzte Frist von 2 Monaten sei nicht zu kurz bemessen gewesen. Es bestehe auch ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung, denn Gefahren, die von ungeeigneten Kraftfahrern für andere Verkehrsteilnehmer und sich selbst ausgingen, könnten nicht länger hingenommen werden. Es sei daher unerheblich, dass der Antragsteller nach eigenen Angaben aus beruflichen Gründen dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen sei und er mit Ausnahme des einen Vorfalls immer unbeanstandet am Straßenverkehr teilgenommen habe.
Auch die angeordnete Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen sei offensichtlich rechtmäßig. Nach den einschlägigen Bestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes und der FeV sei das Führen von Fahrzeugen zu untersagen oder zu beschränken, wenn jemand sich als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet hierzu erweise. Dies sei hier der Fall.
Das Fahrradfahren im Straßenverkehr mit einer BAK von 1,6 Promille oder mehr führe zur absoluten Fahruntüchtigkeit für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge. Zur Klärung der Eignungszweifel habe der Antragsgegner von dem Antragsteller daher zu Recht ein MPG fordern können. Da dieses nicht fristgerecht beigebracht worden sei, habe der Antragsgegner auch hier auf die Nichteignung des Antragstellers schließen können.
Die getroffene Maßnahme sei auch verhältnismäßig. Nicht nur die Nutzung von Kraftfahrzeugen, sondern auch das Führen von Mofas und Fahrrädern infolge der Wirkung erheblicher Alkoholmengen stelle ein erhöhtes Verkehrsrisiko dar. Wenn auch das von alkoholisierten Radfahrern ausgehende Gefährdungspotential statistisch geringer sein möge als dasjenige von alkoholisierten Kraftfahrern, könne es im Einzelfall doch zu einer erheblichen Gefährdung und auch zu Schädigungen von Leib und Leben bzw. Sachwerten kommen.
Denn der Führer eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs könne andere motorisierte Verkehrsteilnehmer durch seine Fahrweise (z.B. bei einspurigen Fahrzeugen durch Nichthalten der Spur infolge eines alkoholbedingten gestörten Gleichgewichtssinns) in Bedrängnis bringen und zu die Verkehrssicherheit gefährdenden Reaktionen veranlassen (z.B. reflexbedingtes Ausweichen auf die Gegenfahrbahn oder den Bürgersteig).
Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zulässig.
Verwaltungsgericht Neustadt, Beschl. v. 08.08.2014 - 3 L 636/14.NW
Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt, Pressemitteilung v. 12.08.2014