Arbeitsrecht -

Betriebsratswahl: Sitzverteilung nach d´Hondtschem Höchstzahlverfahren

Die Anwendung des sogenannten d´Hondtschen Höchstzahlverfahrens bei der Verteilung der Betriebsratssitze nach einer Betriebsratswahl ist nach Ansicht des BAG verfassungsgemäß. Dieses Verfahren wird insbesondere in größeren Betrieben mit mehreren Vorschlagslisten angewendet. Eine Beispielsrechnung verdeutlicht diese Methode zur Sitzzuteilung im Betriebsrat.

Sachverhalt

Es ging um eine Betriebsratswahl, bei der ein aus 17 Mitgliedern bestehender Betriebsrat gewählt worden war. Die Liste A erhielt 557 Stimmen, die Liste B 306 Stimmen und die Liste C 279 Stimmen. Die Sitze wurden wie vom Gesetz vorgesehen nach dem d´Hondtschen Höchstzahlverfahren verteilt. Danach entfielen auf die Liste A neun Sitze und auf die Listen B und C jeweils vier Sitze.

Bei einer Verteilung der Sitze nach anderen Verfahren hätte das Ergebnis anderes gelautet. Nach dem Verfahren Hare/Niemeyer oder dem Verfahren Sainte-Laguë/Schepers hätte die Liste B acht Sitze und die Liste C fünf Sitze erhalten. Deshalb meinten nun einige Arbeitnehmer, das angewendete und im Gesetz vorgesehen d´Hondtsche Höchstzahlverfahren sei verfassungswidrig, da es kleinere Gruppierungen benachteiligen würde. Der Ärger ist auch durchaus verständlich: Nun hatte die Liste A neun Sitze und die Listen B und C zusammen acht Sitze, obwohl letztere effektiv mehr Stimmen, nämlich 585, erhalten hatten.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Das BAG hat die Betriebsratswahl trotzdem als rechtmäßig erachtet. Die in § 15 Abs. 1 und 2 WO BetrVG vorgesehene Sitzverteilung nach dem d´Hondtschen Höchstzahlverfahren ist durchaus verfassungsgemäß. Das Verfahren verletzt weder den aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der Gleichheit der Wahl noch die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit.

Bei der Umrechnung von Wählerstimmen in Betriebsratssitze lässt sich bei der Verhältniswahl eine vollständige Gleichheit des Erfolgswertes einer Wählerstimme mit keinem der gängigen Sitzzuteilungsverfahren erreichen, da nur ganze Sitze verteilt werden können. Für das d´Hondtsche Höchstzahlverfahren spricht, dass es die Mehrheitssicherung fördert und es damit dem Ziel des Funktionierens der Arbeitnehmervertretung dient.

Folgerungen aus der Entscheidung

Das d´Hondtschen Höchstzahlverfahrens zur Berechnung der Verteilung der Betriebsratssitze bei der Betriebsratswahl kann bedenkenlos angewendet werden, weil es verfassungskonform ist. Das ist eine sichere Grundlage sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber.

Praxishinweis

In Betrieben mit in i.d.R. fünf bis 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern wird der Betriebsrat in einem (einfachen) zweistufigen Verfahren gewählt. Auf einer ersten Wahlversammlung wird der Wahlvorstand gewählt. Auf einer zweiten Wahlversammlung wird der Betriebsrat in geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt. Nur wenn es in größeren Betrieben mehrere Vorschlagslisten gibt, muss später das d´Hondtschen Verfahren angewendet werden. In kleineren Betrieben ist das also i.d.R. gar nicht der Fall.

Doch wie funktioniert das Verfahren überhaupt? Beim d´Hondtschen Verfahren werden zunächst die Vorschlaglisten nebeneinandergestellt. Ihnen werden dann die auf sie entfallenden Stimmzahlen zugeordnet. Die Zahlen werden reihenweise jeweils durch 1, 2, 3, 4 usw. geteilt. Ausgehend von der höchsten so ermittelten Zahl werden dann die Betriebsratssitze verteilt.

Ein weiteres Beispiel: 156 Stimmen wurden insgesamt abgegeben. Sie verteilen sich wie folgt: Vorschlagsliste 1 = 90, Vorschlagsliste 2 = 50, Vorschlagliste 3 = 16. Es geht um die Besetzung von 7 Betriebsratssitzen.

Liste 1 (90 Stimmen) Liste 2 (50 Stimmen)   Liste 3 (16 Stimmen)
90
(Ergebnis durch 1 teilen)
50 16
45
(Ergebnis durch 2 teilen) 
25 8
30
(Ergebnis durch 3 teilen)
16,6 5,3
22,5
(Ergebnis durch 4 teilen) 
12,5 4
18
(Ergebnis durch 5 teilen)
10 3,2

 

Die Höchstzahlen sind der Reihe nach: 90, 50, 45, 30, 25, 22,5, 18. Liste 1 erhält nach dieser Rechnung fünf Sitze für die Höchstzahlen 90/45/30/22,5/18. Liste 2 erhält zwei Sitze für die Höchstzahlen 50 und 25. Liste 3 geht leer aus.

Bei der Sitzverteilung ist zudem zu berücksichtigen, dass das im Wahlausschreiben benannte Geschlecht in der Minderheit mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein muss (§ 15 Abs. 5 BetrVG). Befindet sich unter den auf die Vorschlagslisten entfallenden Höchstzahlen nicht die erforderliche Mindestzahl von Angehörigen des Geschlechts in der Minderheit, so gelten folgende Grundsätze:

  1. An die Stelle der auf der Vorschlagsliste mit der niedrigsten Höchstzahl benannten Person, die nicht dem Geschlecht in der Minderheit angehört, tritt die in derselben Vorschlagsliste in der Reihenfolge nach ihr benannte, nicht berücksichtigte Person des Geschlechts in der Minderheit.
  2. Enthält diese Vorschlagsliste keine Person des Geschlechts in der Minderheit, geht dieser Sitz auf die Vorschlagsliste mit der folgenden, noch nicht berücksichtigten Höchstzahl und mit Angehörigen des Geschlechts in der Minderheit über. Entfällt die folgende Höchstzahl auf mehrere Vorschlagslisten zugleich, entscheidet das Los darüber, welcher Vorschlagsliste dieser Sitz zufällt.

BAG, Beschl. v. 22.11.2017 – 7 ABR 35/16

Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader