Um missbräuchlich gestellte Beweisanträge leichter ablehnen zu können, sollen mit der StPO-Reform 2019 die Voraussetzungen für die Annahme der Verschleppungsabsicht abgesenkt werden.
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Der gesetzliche Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht gemäß § 244 Abs. 3 S. 2 Variante 6 StPO soll in der Weise präzisiert werden, dass er in objektiver Hinsicht nicht mehr die Eignung der verlangten Beweisaufnahme zu einer „wesentlichen“ Verzögerung des Verfahrens verlangt. Das Erfordernis der „wesentlichen“ oder „erheblichen“ Verzögerung habe bislang maßgeblich dazu beigetragen, dass der Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht in der juristischen Praxis lediglich ein Schattendasein friste.
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In § 244 StPO soll klargestellt werden, dass die Frage, ob ein Beweisantrag nur der Prozessverschleppung dient, der Würdigung des Instanzgerichts obliegt. Somit werde deutlich, dass das Tatgericht (und nicht das Revisionsgericht) den Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht selbst zu würdigen habe, was sich auf die Begründungsanforderungen auswirke.
Im Übrigen soll gesetzlich klargestellt werden, dass es einer Ablehnung nicht entgegensteht, wenn neben der Verzögerung weitere verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden, etwa politische Propaganda, die Diskreditierung Dritter oder eine Nötigung des Gerichts.
Die Anforderungen an das Vorliegen eines Beweisantrags, der – im Gegensatz zu einem Beweisermittlungsantrag – nur unter den strengen Voraussetzungen von § 244 Abs. 3 und 4, § 245 Abs. 2 StPO abgelehnt werden darf, sollen gesetzlich definiert und präzisiert werden. Bislang enthält die StPO hierzu nur rudimentäre Bestimmungen, und auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) bietet hier kein vollständig einheitliches Bild.
Bei der Legaldefinition soll deshalb das bislang richterrechtlich determinierte Erfordernis der Konnexität von Beweistatsache und Beweismittel im Gesetz verankert werden. In der Gesetzesbegründung soll zudem klargestellt werden, dass Sinn und Zweck des § 244 Abs. 6 StPO eine erneute Fristsetzung nur bei solchen Beweisanträgen erfordert, die sich aus der Beweisaufnahme nach Wiedereintritt ergeben.
Kritik: Besonders in diesem Punkt trifft der Gesetzesentwurf auf reichlich Gegenwind. Die Strafverteidigervereinigungen bezeichnen den Titel der „Vereinfachung des Beweisantragsrechts“ als Euphemismus. Vielmehr werde nicht das Beweisantragsrecht vereinfacht, sondern die tatrichterliche Handhabe, sich Beweisanträgen einfacher zu „entledigen“. Zudem würden Beweisanträge selbst komplizierter, wenn das Merkmal der Konnexität Gesetz werde.
Besonders deutliche Worte findet man für das Vorhaben, die tatrichterliche Annahme einer Verschleppungsabsicht der revisionsrichterlichen Kontrolle entziehen zu wollen. So werde das Beweisantragsrecht in einer Weise enthauptet, wie dies zuvor nur in der rechtsstaatsfreien Zeit zwischen 1933 bis 1945 der Fall gewesen sei.
So sei das Beweisantragsrecht als notwendig erkanntes Korrektiv zur inquisitionsrichterlichen Macht der Tatrichter entwickelt worden und damit gleichsam auch eine Schöpfung revisionsrichterlicher Kontrolle des Tatrichters. Nur das von einem ehemaligen Oberstaatsanwalt vertretene rechtspolitische Programm der AfD gehe in diesem Sinne noch einen Schritt weiter (Abschaffung der Revision und Ersetzung durch eine Annahmeberufung).
In der Tat darf unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht vergessen werden, dass das Beweisantragsrecht in der Hauptverhandlung von überragender Bedeutung und Wichtigkeit ist, um dem staatsanwaltschaftlich geprägten Ermittlungsverfahren etwas entgegensetzen zu können.
Dabei darf es keine Rolle spielen, ob die Beweisanträge lediglich auf Vermutungen beruhen. In der Praxis ist zu befürchten, dass Beweisanträge immer häufiger deshalb zurückgewiesen werden, weil sie angeblich „ins Blaue hinein“ gestellt worden seien. Dabei entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass mit einem Beweisantrag zulässigerweise auch Tatsachen unter Beweis gestellt werden können, welche der Antragsteller lediglich vermutet oder für möglich hält.
Auch hier kann nicht nachvollzogen werden, warum der Gesetzgeber nach seinen massiven Einschnitten vor zwei Jahren bereits wieder tätig werden will. Mit der Fristsetzungsbefugnis des § 244 Abs. 6 StPO ist schließlich gerade erst ein neues Instrument entwickelt worden.
Sollte die geplanten Änderungen tatsächlich in Gesetzesform gegossen werden, wäre ein richterlicher Missbrauch nicht unwahrscheinlich – insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine revisionsrechtliche Kontrolle nicht möglich wäre und sich Gerichte „Scheinbeweisanträgen“ bereits jetzt problemlos erwehren können.