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Um Anhaltspunkte für das Aussehen eines unbekannten Spurenlegers zu gewinnen, soll durch Änderung des § 81e Abs. 2 StPO ermöglicht werden, dass auch an aufgefundenem, sichergestelltem und beschlagnahmtem Material molekulargenetische Untersuchungen vorgenommen werden können, die die Bestimmung der Haar-, Augen und Hautfarbe sowie des Alters des Spurenlegers mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ermöglichen.
Kritik: Kein Punkt der geplanten StPO-Reform 2019 muss sich so viel Kritik gefallen lassen wie die Erweiterung der DNA-Analyse. Dabei stehen vor allem grundrechtliche Bedenken aufgrund der Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen im Vordergrund, aber auch praktische Bedenken werden in zahlreicher Form angebracht. Die Diskussion ist dabei keineswegs neu. Bereits vor zwei Jahren wurden ähnliche Argumente hinsichtlich der Regelung des „DNA-Beinahetreffers“ sowie der Online-Durchsuchung vorgebracht.
So stelle bereits die geltende Fassung des § 81e StPO bezogen auf „einfache“ DNA-Beweise das Strafverfahren vor erhebliche Probleme hinsichtlich der Bewertung von Aussagekraft, Fehleranfälligkeit und Genauigkeit der molekulargenetischen Untersuchung. In der Praxis würden die hohen Laborwahrscheinlichkeiten regelmäßig nicht erreicht.
Weiter sei zu berücksichtigen, dass gut identifizierbare DNA-Spuren eben nur gut identifizierbare Spuren seien, die im Zusammenhang mit dem möglichen Tatverlauf, vor dem Hintergrund weiterer Ermittlungsergebnisse und Beweise und unter Infragestellung möglicherweise frühzeitig gefasster Ermittlungshypothesen bewertet werden müssten.
Sie würden aber nichts darüber aussagen, wie die Spuren an den Tatort, die Tatwaffe oder den/die Geschädigte gelangt seien. Den am Strafverfahren Beteiligten fehle zudem zumeist die wissenschaftliche Fachkenntnis, DNA-Spuren und die daraus gewonnenen Informationen sachgerecht zu interpretieren. Die vorgesehene erweiterte DNA-Analyse werfe sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht neue Probleme auf.
Bei der Bestimmung phänotypischer Merkmale wie der Augen-, Haut- und Haarfarbe seien die erzielten Wahrscheinlichkeiten geringer als beim bisher geltenden DNA-Beweis. Die Wahrscheinlichkeiten bei der Bestimmung der Augenfarbe würden z.B. einerseits von der jeweiligen Population abhängen, andererseits von der bestimmten Augenfarbe.
Für die Bestimmung der Hautfarbe würden Wahrscheinlichkeitswerte von 84 bis 98 Prozent angegeben, die Vorhersage der Haarfarbe gelinge nur noch mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 Prozent – mithin Werte, die deutlich unterhalb jenen liegen würden, die bei Vorliegen einer guten DNA-Spur im DNA-Vergleich erzielt würden.
Vor allem bei der Haut- und Haarfarbe eines Menschen handele es sich um äußere Merkmale, die einerseits einem natürlichen Veränderungs- und Alterungsprozess unterlägen, zum anderen problemlos nach Belieben verändert werden könnten – und von einem nicht geringen Anteil der Bevölkerung auch regelmäßig verändert würden.
Die genetische Information indessen würde den wahrscheinlichen Zustand eines Teenagers ungeachtet möglicher (auch künstlicher) Sonnenbräunung, Schminke, altersbedingtem Haarausfall und -verfärbung (blonde Haare werden i.d.R. dunkler) oder -ergrauung, krankhafte Pigment- oder Hautveränderung, Haarfärbung etc. beschreiben.
Dies wecke ernste Zweifel an der kriminalistischen Effektivität der DNA-Phänotypisierung zu Fahndungszwecken. Denn nur dann, wenn kein konkreter Verdacht gegen eine Person mithilfe des DNA-Identifizierungsmusters bestätigt werden könne (und auch der Abgleich mit der DNA-Analysedatei ergebnislos bliebe), sei die Phänotypisierung überhaupt sinnvoll, um mit ihrer Hilfe einen großen Kreis potenziell Tatverdächtiger einzugrenzen.
Selbst wenn man davon ausgehe, dass keine erhebliche Veränderung der per DNA-Analyse identifizierten äußeren Merkmale durch Alterung, Krankheit oder künstliche Eingriffe stattgefunden habe, sei dies wiederum nur dann kriminalistisch sinnvoll, wenn die Phänotypisierung auf den Träger von Minderheitenmerkmalen hinweise.
Ergebe die Auswertung der DNA-Spur aber, dass der Spurenleger mit hoher Wahrscheinlichkeit der Bevölkerungsmehrheit angehöre, so enge dies den Kreis der potenziell Verdächtigen eben nicht ausreichend ein. Ergebnisse seien ermittlungstechnisch also nur zu verwerten, wenn sie auf Minderheiten hindeuten würden
Nicht nur dies führe zu erheblichen grundrechtlichen Bedenken. Darüber, dass die Auswertung genetischen Spurenmaterials zum Zwecke der Strafverfolgung in den grundrechtlich geschützten Kernbereich privater Lebensführung eingreife und von daher nur im überwiegenden Allgemeininteresse und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeits-grundsatzes aufgrund eines Gesetzes zulässig sei, herrsche Einigkeit.
Als unstrittig könne auch gelten, dass die Feststellung von Erbanlagen, Charaktereigenschaften, Krankheitsanlagen oder psychischen Dispositionen in den unantastbaren Kernbereich der Persönlichkeit eingreifen würde und von daher unzulässig sei. Gleichwohl greife die erweiterte DNA-Analyse auf den codierenden Bereich der DNA zu, der bislang – wenn auch in § 81e StGB nicht explizit genannt – der strafrechtlichen Ermittlung verschlossen blieb.
Damit aber würde genau jener kleine Bereich der DNA, der die Erbinformationen enthalte, die typischerweise zum unantastbaren Kernbereich der Persönlichkeit gehören würde, für die forensische Forschung eröffnet und zum Ermittlungsfeld erklärt werden. Der damit einhergehende Grundrechtseingriff sei angesichts fraglicher Ermittlungsvorteile nicht zu rechtfertigen.