Die Bündelung der Nebenklagevertretung ist Teil der StPO Reform 2019 und soll zum einen die wirksame und nachhaltige Wahrnehmung der Opferinteressen in der Hauptverhandlung ermöglichen.
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Zum anderen sollen Verfahrensverzögerungen vermieden und die „Waffengleichheit“ als konstituierendes Element einer fairen Verfahrensführung sichergestellt werden.
Die Regelungsziele sollen durch die Änderung der Vorschriften zur Bestellung eines Beistands bzw. über die Prozesskostenhilfe gemäß § 397a StPO erreicht werden. Der Entwurf sieht dabei einen neuen § 397b StPO vor. Dieser hat zum Inhalt, dass das Gericht mehreren Nebenklägern, die gleichgerichtete Interessen verfolgen, nur einen Nebenklagevertreter (Mehrfachvertretung) beiordnen können soll.
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Bei seiner Ermessensentscheidung bildet das Gericht Gruppen von Nebenklägern anhand einer Abwägung zwischen den Verfahrensrechten des Angeklagten einerseits und der Nebenklage andererseits bei Berücksichtigung verschiedener Interessen und von Verfahrensdauer und -effizienz.
Gleichgerichtete Interessen sollen dabei in der Regel in den Fällen des § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO (Kinder, Eltern, Geschwister, Ehegatten und Lebenspartner einer getöteten Person) anzunehmen sein.
In der Gesetzesbegründung soll klargestellt werden, dass diese Aufzählung nicht abschließend ist und gleichgerichtete Interessen auch bei den Angehörigen mehrerer Opfer von Terroranschlägen oder Großschadensereignissen gegeben sein können. Zudem soll den betroffenen Nebenklägern vor der Beiordnung beziehungsweise Bestellung eines gemeinschaftlichen Rechtsanwalts die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Neuregelung zu einer fiskalischen Entlastung der Länder führen wird, da die Anzahl der Beiordnungen sinken werde. Zudem greife sie schonend in die bisherigen Rechte des Nebenklägers ein und belasse ihm die Möglichkeit, zusätzlich einen Individualbeistand seines Vertrauens auf eigene Kosten zu beauftragen.
Kritik: Hier wird bereits die verwendete Sprachregelung kritisiert. So seien die Begriffe „Opfer“, „Opferinteressen“ und „Opferanwälte“ nicht mit der geltenden Unschuldsvermutung in Einklang zu bringen. Die Nebenklagevertretung sei vielmehr ein Instrument, um die Interessen der Personen zu vertreten, die behaupten, „Verletzte“ zu sein. In der Praxis dürften die geplanten Neuregelungen vor allem dann Sinn machen, wenn einer großen Anzahl von Nebenklägervertretern nur wenige angeklagte Personen gegenüberstehen. Beispielhaft sind hier das NSU-Verfahren und der Loveparade-Prozess zu erwähnen. Da aber weiter die Möglichkeit bestehen soll, frei einen Anwalt zu wählen, ist bereits fraglich, ob es so tatsächlich zu dem gewünschten Effekt kommt. Vielmehr dürften vor allem fiskalische Interessen im Vordergrund stehen.
Zweifelhaft ist weiter, ob man die Interessen der Nebenkläger so gleichschalten kann, wie es der Gesetzesentwurf tut (am Beispiel der Angehörigen einer getöteten Person). Die Strafverteidigervereinigungen weisen zurecht darauf hin, dass die Interessen deutlich vielgestaltiger sind.
Den einen gehe es um eine gerichtliche Aufklärung des Sachverhalts, den anderen um eine Schuldfeststellung, wieder anderen um eine möglichst hohe Strafe oder um die Zuerkennung von Schadensersatz.
Diese Interessen könnten massiv miteinander in Konflikt geraten und sich vor allem im Lauf der Hauptverhandlung ändern. Ohnehin sind die einschlägigen Fälle eher selten, sodass sich die Auswirkungen wohl in Grenzen halten dürften.