Neuerungen im täglichen Verkehrsrechtsmandat mit Europabezug.
„In den letzten zehn Jahren hat sich das Verkehrsrecht erheblich verändert – jetzt gibt es EU-Richtlinien“, betonte Rechtsanwalt Oskar Riedmeyer aus München. Er referierte in der Arbeitsgemeinschaft „Verkehrsrecht“ über die Neuerungen im täglichen Mandat anhand der Themen: Regulierung von Verkehrsunfällen im Ausland, Vollstreckung ausländischer Bußgeldbescheide und Gültigkeit von EU-Führerscheinen. Unter dem Motto „Deutschlands Anwaltschaft in Europa“ veranstaltete der Deutsche Anwaltverein e.V. den 58. Anwaltstag vom 16. bis zum 18. Mai 2007 in Mannheim.
„Das System der Schadensregulierung, das seit zwei Jahren existiert, funktioniert in der Praxis gut“, meint Riedmeyer. Heute wird der Schaden innerhalb von sechs Wochen von einer Versicherung reguliert. Wer früher einen Unfall in Mailand hatte, bekam mit viel Glück nach einem Jahr ein Schreiben von einem italienischen Anwalt und musste mit Sprachproblemen kämpfen. Die EU-Richtlinie bezüglich der Regulierung von Verkehrsunfällen im Ausland ist in nationales Recht umgesetzt worden. Damit ist das Pflichtversicherungsrecht direkt anwendbares Recht. Die Regulierung läuft somit wie in Deutschland.
Die Voraussetzung für die Regulierung stehen im § 12 a PflichtVG. Alle Unfälle innerhalb der EU - 27 Mitgliedstaaten, und EWR sind umfasst. Außerhalb der EU kann eine Regulierung erfolgen, wenn der Kfz-Versicherte dem System der Grünen Karte angehört.
Der Zentralruf der Autoversicherer ist die Auskunftsstelle für ausländische Kennzeichen. Hier ist die Angabe des Kennzeichens ausreichend. Der Zentralruf kooperiert mit anderen Auskunftsstellen. Das Zentralregister identifiziert Alter, Halter etc. Darüber kann der ausländische Versicherer erfragt werden, der die Regulierung vornimmt.
Der Regulierungsbeauftragter in Deutschland, Vertreter des ausländischen Versicherers, hat die vollumfängliche Regulierungsbefugnis. Er führt die Korrespondenz in Deutsch und verfügt über ausreichende Kenntnis des anwendbaren materiellen Rechts. Die Entscheidungskompetenz liegt beim Beauftragten.
Es gilt ein enger Zeitrahmen. Innerhalb von zwei Monaten nach Anfrage muss der Zentralruf die Versicherung ermitteln. Drei Monate nach Anmeldung des Schadens hat der Regulierungsbeauftragte der Versicherung Zeit seine begründete Stellungnahme abzugeben. Erfolgt eine Anmeldung bei der Verkehrsopferhilfe e. V. ist eine Nachfrist von zwei Monaten zur begründeten Stellungnahme einzuhalten. In der Regel übernimmt die Verkehrsopferhilfe e. V. die Schäden bei fehlendem Versicherungsschutz, z. B. im Falle von Unfallflucht, abgelaufener Versicherung, wenn die Ermittlung der Versicherung nicht möglich oder kein Regulierungsbeauftragter benannt ist.
Der Umfang des Schadensersatzes kann sich jedoch kompliziert ausgestalten. Jeder Mitgliedstaat hat diesbezüglich andere Regelungen. Deshalb ist Vorsicht mit Aufwendungen geboten.
„Die Abläufe bei Gericht funktionieren“, sagt Riedmeyer. Das Problem ist der Gerichtsstand: Wo kann ich klagen gegen den Direktanspruch des Versicherers? Der Wohnsitz des Geschädigten soll als Erwägungsgrund eingeführt werden. Es ist deshalb mit einer Änderung der VO (GG) 44/2001, Artikel 11 Abs. 2 zu rechnen durch die 5. KH-Richtlinie 2005/14/EG Artikel 5.
Vollstreckung ausländischer Bußgeldbescheide
Der Rahmenbeschluss 2005/214/JI des Rates vom 24.02.2005 (ABl. EUL 76/16) über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Bußgeldbescheide soll voraussichtlich im Herbst 2007 in nationales Recht umgesetzt werden. Erst dann bekommt er eine direkte Geltung. Dennoch kommt dem Rahmenbeschluss eine gewisse Bedeutung zu, da die Frist zur Umsetzung bereits am 22. März 2007 abgelaufen ist. Er wird bei Geldstrafen und Bußgeldern von Gerichten und Behörden angewendet, wenn die Entscheidung rechtskräftig ist. Es ist dabei keine gegenseitige Strafbarkeit notwendig. Der Vollstreckungsstaat hat nach dem Grundsatz in Art. 6 RB keine Sachprüfungskompetenz. Das Strafrecht ist in den Staaten unterschiedlich. „In Holland wird der Halter bestraft – nicht der Fahrer“, sagt Riedmeyer. Bei überhöhter Geschwindigkeit von 11km/h liegt das Bußgeld in Belgien bei 250 Euro, in Italien bei 137 Euro und in Spanien wegen 6 km/h bei 150 Euro.
Die Verweigerungsgründe sind in Art. 7 RB und Art. 20 RB aufgeführt. Das Verfahren bezüglich des Rechtsschutzes ist noch ungeklärt. Eine gerichtliche Überprüfung muss jedoch auf Antrag zulässig sein. Außerdem sind noch viele Einzelfragen offen. Die Regelung hat jedenfalls keinerlei Auswirkung auf die deutsche Fahrerlaubnis, da nur „Geld“ vollstreckt wird.
Europäisches Fahrerlaubnisrecht
Die Grundlage für das Europäische Fahrerlaubnisrecht ist die 2. Führerschein-Richtlinie 91/439/EWG vom 29.07.1991 i.d.F. vom 29.9.2003. Diese ist mit den §§ 28, 30 FeV in nationales Recht umgesetzt worden.
Art. 1 der 2. FS-Richtlinie regelt die gegenseitige Anerkennung der Fahrerlaubnis aus anderen Mitgliedstaaten. Die Zuständigkeit der Erteilung der Fahrerlaubnis richtet sich nach dem Hauptwohnsitz (Wohnsitzzuständigkeit), Art. 7. Die Beschränkung oder der Ausschluss der Anerkennung bei Führerscheinmaßnahmen bestimmt Art. 8, welche im Strafurteil auszusprechen sind.
Problematisch ist die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis bei Wohnsitzverlegung nach dem Entzug der Fahrerlaubnis. „Ein Führerscheintourismus zur Umgehung von Erteilungsvoraussetzungen soll verhindert werden“, meint Riedmeyer. Die maßgeblichen Entscheidungen dazu sind:
- Urteil vom 29.04.2004 „Kapper“ (zfs 2004, 287 = DAR 2004, 333)
- Beschluss vom 06.04.2004 „Halbritter“ (zfs 2006, 416 = DAR 2006, 375)
- Beschluss vom 28.09.2006 „Kremer“ (DAR 2007, 77)
Die Grundsätze im „Kapper“ Urteil sind in den Beschlüssen wiederholt worden: Wenn die Fahrerlaubnis in einem Mitgliedstaat erteilt wurde, ist diese in einem anderen Mitgliedstaat anzuerkennen ohne jede Formalität. Die systematische Kontrolle der Erteilung ist unzulässig. Es gibt keine Prüfungskompetenz des Wohnsitzes. Die Nachträgliche Entziehung der Fahrerlaubnis ist nur durch den Ausstellungsstaat möglich. Bei "Umschreibung" ist eine nach Ablauf der Sperrfrist erteilte Fahrerlaubnis anzuerkennen.
Die 3. Führerschein-Richtlinie 2000/126 EG vom 20.12.2006 liegt vor. Voraussichtlich wird sie am 19.01.2011 In-Kraft-Treten (Art. 18 Abs. 1). Das Umsetzungsgesetz tritt anschließend am 19.01.2011 in Kraft (Art. 16 Abs. 1). Die Frist zur Umsetzung läuft bis zum 19.01.2013 (Art. 16 Abs. 2).
Eine Beschränkung der Anerkennung ist bis zum 19.01.2009 vorgesehen (Art. 18 Abs. 2). Insofern gibt es eine Umtauschpflicht der alten Führerscheine bis zum 19.01.2033.
Quelle: Sigrid Fiebig - Bericht über ARGE 'Verkehrsrecht', 58. Deutscher Anwaltstag vom 17.05.07