Bei einem Verkehrsunfall muss die Kfz-Haftpflichtversicherung für die Schäden aufkommen. Aber was ist, wenn die Versicherung von einem fingierten Unfall ausgeht? Dann muss sie nachweisen, dass der Geschädigte mit dem „Unfall“ einverstanden war. Das Landgericht Lübeck hat eine solche Manipulation aufgrund der Umstände im Streitfall verneint und die Versicherung zur Zahlung verurteilt.
Darum geht es
Der Sohn des Klägers hatte im Haus seiner Eltern eine Party veranstaltet, bei der auch die Freundin des Erstbeklagten zu Gast war. Der Erstbeklagte wollte sie mit dem bei der drittbeklagten Versicherung versicherten Auto abholen, dessen Halter der Zweitbeklagte ist.
Die Zeugin (und Freundin des Erstbeklagten) wartete gemeinsam mit einer weiteren Zeugin an der Haustür, während der Erstbeklagte das Auto holte. Er fuhr rückwärts vor das Haus und kollidierte dabei mit dem geparkten Fahrzeug des Klägers.
Der Kläger hat die Haftpflichtversicherung vergeblich zum Schadensersatz aufgefordert. Die Versicherung meint, der Erstbeklagte sei - in Absprache mit dem Gastgeber - absichtlich gegen das Auto gefahren, um die Versicherungssumme zu kassieren.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Gericht hat entschieden, dass die Versicherung die Schäden ersetzen muss. Demnach stehen dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagten aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG zu.
Bei einem Verkehrsunfall muss der Geschädigte beweisen, dass der Schädiger sein Fahrzeug beschädigt hat. Meint die Haftpflichtversicherung, der Unfall sei abgesprochen gewesen, muss sie beweisen, dass der Geschädigte mit der Beschädigung einverstanden war.
Eine solche Beweisführung ist oft schwierig. Anders kann es bei einer Häufung von sog. Beweiszeichen für eine Unfallmanipulation sein, z.B. bei einer scheinbar klaren Schuldfrage wie rechts-vor-links Verstößen an abgelegenen Orten in den späten Abendstunden, wenn mit unbeteiligten Zeugen nicht zu rechnen ist.
Im Streitfall wurden der Fahrer und weitere Partygäste zu dem Vorfall befragt und ein technischer Sachverständige hinzugezogen.
Daraus hat sich nach dem Gericht ergeben, dass der Fahrer aus Versehen gegen das Auto des Vaters gefahren sei und es gerade keine Verabredung zu einem manipulierten Unfall gegeben habe.
Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass teilweise widersprüchliche Unfalldarstellungen nicht unbedingt für eine erfolgte Absprache sprechen.
Demnach hatte der Erstbeklagte auch keinen verdächtigen Kontakt zu dem Sohn des Klägers. Vielmehr hat er glaubhaft bekundet, dass sie sich erst auf der Party am Unfalltag kennengelernt hätten.
Auch habe sich aus den Ausführungen des Sachverständigen ergeben, dass das rückwärtsfahrende Fahrzeug eine Geschwindigkeit von 12 km/h aufwies und bei dieser Geschwindigkeit kein Warnsignal ertönt.
Auch aus dem Umstand, dass die Zeugin nicht direkt zum Auto ging, sondern mit einer Freundin (und weiteren Zeugin) am Hauseingang wartete, lässt sich nach dem Gericht nicht schließen, dass sie bewusst als Zeuginnen für ein nachfolgendes Schadensereignis abgestellt wurden.
Teil des Schadensersatzanspruchs ist nach dem Gericht auch eine Nutzungsausfallentschädigung für einen Zeitraum von insgesamt 14 Tagen zu 38 € pro Tag.
Die Nutzungsausfallentschädigung stehe dem Fahrzeugeigentümer auch dann zu, wenn das Fahrzeug Familienangehörigen zur Nutzung überlassen wurde, sofern in dieser Person Nutzungswille und -möglichkeit gegeben waren (vgl. BGH, Urt. v. 16.10.1973 - VI ZR 96/72).
Das Urteil ist rechtskräftig.
Landgericht Lübeck, Urt. v. 26.09.2024 - 3 O 193/22
Quelle: Landgericht Lübeck, Pressemitteilung v. 11.11.2024