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Verkehrsrecht -

Unfall nach Drängeln auf der Autobahn: Vorsatz oder nicht?

Das Landgericht Osnabrück hat nach einen Unfall einen Autofahrer wegen fahrlässiger Tötung und unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Mann hatte den Fahrer eines anderen Fahrzeugs auf der Autobahn bedrängt. Nach einer Kollision wurde der andere Fahrer schwer verletzt, sein Beifahrer verstarb. Einen Tötungsvorsatz verneinte das Gericht. 

Darum geht es

Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass der 30 Jahre alte Angeklagte am frühen Morgen des 30.10.2023 auf der A 33 den Fahrer eines VW Phaeton mehrfach bedrängte und durch Auffahren und Ausbremsen schikanierte. 

Als sich beide Fahrzeuge ungefähr auf gleichen Höhe befanden, lenkte der Angeklagte - nachdem er sich auf der linken Fahrspur hatte zurückfallen lassen - sein Fahrzeug ruckartig nach rechts in Richtung des auf der rechten Fahrspur fahrenden Fahrzeuges, abermals um dessen Fahrer zu bedrängen und zu schikanieren. 

Hierdurch kollidierte er mit dem VW Phaeton, welcher schließlich über die rechtsseitige Außenleitplanke flog, sich überschlug und in einer Entfernung von 100 m in dichtem Buschwerk liegen blieb. 

Der Fahrer des VW Phaeton wurde hierbei schwerverletzt. Er ist heute noch nicht arbeitsfähig. Der Beifahrer verstarb noch am Unfallort an den Folgen des Unfalls. 

Der Angeklagte hielt nach der Kollision am Fahrbahnrand an. Maßnahmen zur Feststellung seiner Beteiligung an dem Unfallgeschehen wurden von ihm in der Folge nicht unverzüglich ergriffen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Landgericht Osnabrück (Schwurgericht) hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Das Gericht würdigte die Taten als fahrlässige Tötung in Tatmehrheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort. 

Das Verhalten des Angeklagten sei sehr gefährlich gewesen. Er habe den anderen Verkehrsteilnehmer bedrängt und mit seiner Fahrweise schikaniert. Insoweit habe er auch mit Gefährdungsvorsatz gehandelt. 

Dem Angeklagten sei indes nicht der Vorwurf der Anklage, insbesondere der des Mordes, nachzuweisen. Eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände führe nicht zu Annahme von Schädigungs-, Körperverletzungs- und Tötungsvorsatz. 

Hierbei sei neben weiteren Umständen etwa zu berücksichtigen, dass nicht anzunehmen sei, der Angeklagte habe auch die Verletzung seiner Person sowie die Beschädigung des von ihm geführten, ihm aber nicht gehörenden Fahrzeuges billigend in Kauf genommen. Er habe zur Arbeit fahren wollen. 

Das Lenken nach rechts in Richtung des VW Phaeton sei letztlich eine weitere Schikane gegenüber dem Fahrer des VW Phaeton gewesen. Zudem sei der Winkel der Fahrzeuge zueinander sehr spitz gewesen, was auch gegen ein vorsätzliches „Von der Straße rammen“ spreche. 

Strafbarkeiten wegen Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB) und wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) würden ausscheiden. Es bleibe insoweit eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB). 

Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung bezüglich des Fahrers des VW Phaeton (§ 229 StGB) käme angesichts fehlenden Strafantrags und mangels Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses (§ 230 StGB) nicht in Betracht. 

Der Angeklagte habe indes keine rechtzeitigen Maßnahmen zur Feststellung seiner Beteiligung an dem Unfallgeschehen ergriffen, so dass er zudem wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu verurteilen sei.

Tat- und schuldangemessen sei unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände für die fahrlässige Tötung eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und für das unerlaubte Entfernen vom Unfallort eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten. 

Die Gesamtfreiheitsstrafe betrage nach nochmaliger Würdigung aller Umstände drei Jahre und zehn Monate. 

Zugunsten des Angeklagten sei zu berücksichtigen, dass er nicht vorbestraft sei. Erschwerend habe die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte aus nichtigem Anlass einen massiven Verkehrsverstoß begangen habe. Bei Geschwindigkeiten zwischen 110 km/h und 130 km/h habe das ruckartige Lenken in Richtung eines anderen Verkehrsteilnehmers ein besonders hohes Gefährdungspotential.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es kann binnen einer Woche mit der Revision zum BGH angegriffen werden.

Landgericht Osnabrück, Urt. v. 13.06.2024 - 6 Ks 4/24

Quelle: Landgericht Osnabrück, Pressemitteilung v. 14.06.2024

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