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Verkehrsrecht -

Unfall mit Mietwagen: Kein AGB-Ausschluss für Kardinalpflichten

Das OLG Frankfurt hat der Fahrerin eines Mietwagens nach einem Verkehrsunfall u.a. ein Schmerzensgeld von 90.000 € zugesprochen. Das Gericht stellte klar, dass die verschuldensunabhängige Garantiehaftung des Vermieters für anfängliche Mängel bei der Verletzung von Kardinalpflichten nicht durch AGB ausgeschlossen werden kann. Hierzu gehöre ein zumindest prinzipiell verkehrssicheres Fahrzeug.

Darum geht es

Die Beklagte betrieb eine gewerbliche Autovermietung. Als gewerbliche Stammkundin mietete die Klägerin bei der Beklagten im Herbst 2010 für eine Woche ein Fahrzeug für eine Fahrt von Frankfurt nach Berlin und zurück nutzte.

Gemäß Ziff. 8 der Mietvertragsbedingungen haftete die Beklagte für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers und der Gesundheit der Mieter nur bei grobem Verschulden oder fahrlässigen Pflichtverletzungen.

Auf dem Hinweg nach Berlin informierte die Klägerin die Beklagte, dass sie Probleme habe, in den zweiten Gang zu schalten. Auf der Rückfahrt geriet das Fahrzeug - während die Klägerin versuchte, die geöffnete Seitenscheibe hochzukurbeln und hierzu ihre linke Hand vom Steuer nahm - plötzlich ins Schleudern. Gegenlenken war nicht möglich.

Das Fahrzeug schleuderte weiter, schaukelte sich auf, kippte nach links und rutschte über die linke Seite über den Fahrbahnrand hinaus in eine Grünfläche.

Beim Umkippen des Mietfahrzeugs geriet der linke Arm der Klägerin durch das Fenster und wurde abgetrennt. Die Klägerin erlitt durch den Unfall schwerste Verletzungen. Eine Replantation des Armes war nicht möglich.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schmerzensgeld in Höhe von 120.000 €, eine Schmerzensgeldrente und die Feststellung der Einstandspflicht für zukünftige Schäden wegen des Verkehrsunfalls.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Klage abgewiesen (Urt. v. 22.01.2021 - 2-13 O 163/13).

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin hatte beim OLG Frankfurt am Main überwiegend Erfolg.

Die Klägerin könne Schadensersatz verlangen, da das gemietete Fahrzeug mangelhaft gewesen sei, stellte das OLG fest.

Im Kardangelenk der unteren Lenksäule sei ein Lager bereits bei Fertigung nicht richtig verbaut worden. Gemäß den Ausführungen des Sachverständigen sei damit das Fahrzeug von Anfang an „prinzipiell nicht verkehrssicher“ gewesen.

Das Kreuzgelenk habe sich während der gesamten Laufleistung aus der Lageraufnahme herausgearbeitet und sei dann plötzlich während der Fahrt der Klägerin herausgesprungen.

Für diesen von der Beklagten nicht verschuldeten Mangel des Fahrzeugs hafte die Beklagte. Der Unfall sei durch den Mangel verursacht worden.

Die Beklagte könne sich hier nicht auf den vereinbarten Haftungsausschluss für unverschuldete Schäden berufen.

Kraft Gesetzes (§ 536 a Abs. 1 BGB) hafte der Vermieter auch für unverschuldete Mängel der Mietsache, soweit sie bereits bei Vertragsschluss bestanden. Diese verschuldensunabhängige gesetzliche Haftung könne zwar grundsätzlich durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgeschlossen werden.

Dies gelte aber nicht, wenn sich der Haftungsausschluss auf Schäden im Zusammenhang mit der Verletzung einer sog. Kardinalpflicht, also einer wesentlichen Pflicht, des Vermieters beziehe. Zu diesen Kardinalpflichten gehöre es, ein verkehrssicheres Fahrzeug zu vermieten, bei dem insbesondere Lenkung und Bremsen funktionsfähig seien.

Der Mieter würde unangemessen entgegen Treu und Glauben benachteiligt, wenn die Klausel auch Schäden aus der Verletzung derartiger im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Hauptleistungspflichten des Vermieters umfassen würde.

Den typischen Vertragszweck prägende Pflichten dürften nicht durch einen Haftungsausschluss ausgehöhlt werden. Das Fahren im Straßenverkehr mit hoher Geschwindigkeit begründe stets eine latente erhebliche Gefahr für Leib und Leben der Insassen.

Ein Mieter müsse sich darauf verlassen können, dass das ihm anvertraute Fahrzeug verkehrstüchtig und frei von solchen Mängeln, die eine erhebliche Gefahr für ihn begründen könnten.

Der Klägerin stehe unter Berücksichtigung der hier vorliegenden prägenden Einzelfallumstände ein Schmerzensgeld von 90.000 € sowie eine monatliche Schmerzensgeldrente von 160 € zu.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Beklagte die Zulassung der Revision beim BGH beantragen.

OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 30.12.2021 - 2 U 28/21

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Pressemitteilung v. 24.01.2022

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