Gewährt ein Autohersteller „Menschen mit Handicap“ einen besonderen Rabatt, mindert dies den Schadensersatzanspruch eines Geschädigten. Der Unfallverursacher muss allein den rabattierten Neuwagenpreis ersetzen, in Höhe des Rabatts besteht dagegen kein ersatzfähiger Schaden. Das hat das OLG Frankfurt entschieden. Das Gericht sah insoweit eine Ähnlichkeit zum Werksangehörigenrabatt.
Darum geht es
Die Klägerin verlangt von den Beklagten nach einem Verkehrsunfall Schadensersatz. Die Beklagten sind voll einstandspflichtig. Das Fahrzeug der Klägerin war zum Unfallzeitpunkt eine Woche alt. Die körperlich beeinträchtigte Klägerin hatte beim Kauf des Fahrzeugs einen Preisnachlass i.H.v. 15 % erhalten.
Grundlage dafür waren Geschäftsbedingungen der Volkswagen AG, wonach „Kunden mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 % für höchstens zwei Fahrzeuge im laufenden Kalenderjahr, die nach der Lieferung mindestens sechs Monate lang gehalten werden müssen“, ein Sondernachlass i.H.v. 15 % gewährt wird. Dies soll nach den Angaben des Unternehmens dazu beitragen, den „Alltag von Menschen mit Handicap“ zu erleichtern.
Die Klägerin hatte nach dem Unfall erneut ein Fahrzeug der Volkswagen AG unter Einräumung dieses Sondernachlasses erworben. Da sie der Ansicht ist, dass dieser Nachlass dem Schädiger nicht gute kommen soll, begehrt sie von den Beklagten - die den Schaden im Übrigen ausgeglichen haben - noch Schadensersatz in Höhe des gewährten Rabattvorteils. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Der Klägerin sei hier in Höhe des eingeräumten Rabattes kein Schaden entstanden, urteilte das OLG. Sie habe allein Anspruch auf Erstattung des rabattierten Neuwagenpreises. Grundsätzlich sei ein Ersatzanspruch nach der sog. Differenzhypothese zu bemessen.
Die Vermögensentwicklung des Geschädigten mit und ohne das schädigende Ereignis sei zu bilanzieren. Rein rechnerisch habe die Klägerin in Höhe des ihr eingeräumten Rabattes keine unfallbedingte Vermögenseinbuße erlitten.
Es sei auch keine Korrektur dieser Schadensberechnung aufgrund wertender Gesichtspunkte geboten. Wenn ein Schadensereignis auch Vorteile verursache, sei allerdings wertend zu entscheiden, ob die Vorteile schadensmindernd in die Berechnung einfließen oder außer Betracht bleiben sollen.
Hier seien jedoch keine besonderen Wertungsgesichtspunkte ersichtlich, die dafür sprechen würden, der Klägerin in Höhe des ihr eingeräumten Rabatts eine weitere Entschädigung zuzusprechen. Der Rabatt stelle zwar eine Leistung dar, die Menschen mit Behinderungen freiwillig und nur unter bestimmten Voraussetzungen gegenüber erbracht werde.
Es sei aber nicht festzustellen, dass der Rabatt vorrangig eine soziale Funktion oder aber eine „freigiebige Leistung“ sei. „Freigiebige Leistungen“ eines Dritten seien vielmehr „dem gewerblichen Warenverkehr regelmäßig wesensfremd“.
Es sei deshalb ebenso naheliegend, „dass es sich um ein von einer sozialen Komponente mitbestimmtes Element der Absatzförderung und der Kundenbindung handelt“. Damit bestehe Ähnlichkeit zum Werksangehörigenrabatt, der ebenfalls schadensmindernd zu berücksichtigen sei.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zum BGH zugelassen, da die Frage, ob der Rabatt für Menschen mit Behinderungen bei der Abrechnung von Schadensereignissen dem Schädiger zugutekommen soll, bislang nicht höchstrichterlich geklärt sei.
OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 03.06.2019 - 29 U 203/18
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Pressemitteilung v. 13.06.2019