Der BGH hat entschieden, dass auch Leasingnehmer und Mietkäufer infolge des sog. Lkw-Kartells Schadensersatzansprüche gegen die Daimler AG haben können. Denn demnach sind infolge des Lkw-Kartells auch die Entgelte an die Finanzierungsgesellschaften überhöht. Dies gilt jedenfalls soweit sich die Leasing- oder Mietkaufverträge auf die vollständige Deckung des Anschaffungspreises richten.
Darum geht es
Die Klägerin nimmt die beklagte Daimler AG auf Ersatz kartellbedingten Schadens in Anspruch.
Nach einem Vergleich mit den Betroffenen stellte die Europäische Kommission mit Beschluss vom 19.07.2016 fest, dass die Beklagte und mindestens vier weitere Hersteller (MAN, Volvo/Renault, Iveco und DAF) durch Absprachen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen für mittelschwere und schwere Lkw sowie über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien für diese Fahrzeuge gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 EWR-Abkommen verstoßen haben.
Für die Zuwiderhandlung, die sich über den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum erstreckte und vom 17.01.1997 bis zum 18.01.2011 andauerte, verhängte die Kommission gegen die Beklagte ein Bußgeld von gut einer Milliarde €. Die Streithelferinnen zu 1 bis 9 sind Konzernunternehmen weiterer Hersteller von Lkw, die dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten sind.
Die Klägerin ist ein mittelständisches Unternehmen, das im Baustoffhandel tätig ist. Sie nutzte auf der Grundlage von zwölf Leasingverträgen und Mietkaufverträgen im Zeitraum von Februar 2005 bis 2012 von der Beklagten sowie dem Konzern der Streithelferinnen zu 1 bis 3 hergestellte mittelschwere und schwere Lkw. Das Landgericht hat ihre auf Schadensersatz in Höhe von 51.683,51 € gerichtete Klage abgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Klage wegen der zwischen 2005 und 2011 geschlossenen elf Leasing- und Mietkaufverträge als dem Grunde nach gerechtfertigt erkannt (vgl. § 304 ZPO). Wegen des 2012 geschlossenen Leasingvertrags hat es die Klage abgewiesen; insoweit ist das Urteil rechtskräftig.
Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte, von den Streithelferinnen unterstützt, ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Mit Recht hat das Berufungsgericht einen vorsätzlichen Verstoß der Beklagten gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV (Art. 81 EGV) sowie § 1 GWB festgestellt.
Es hat zutreffend die Feststellungen im Kommissionsbeschluss für bindend erachtet und angenommen, dass die Beklagte vom 17.01.1997 bis 18.01.2011 an einer Koordinierung der Bruttolistenpreise für mittelschwere und schwere Lkw beteiligt war (BGH, Urt. v. 13.04.2021 - KZR 19/20).
Das wettbewerbsbeschränkende Verhalten war geeignet, einen Schaden der Klägerin zu begründen, weil sie Leasing- und Mietkaufverträge über Lkw geschlossen hat, die sachlich und zeitlich von den Absprachen erfasst waren.
Der Klägerin ist aufgrund der Kartellabsprache auch mit der für ein Grundurteil erforderlichen Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstanden.
Zugunsten der Abnehmer eines an einer Kartellabsprache beteiligten Unternehmens streitet der Erfahrungssatz, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten.
Daraus folgt, dass auch die für kartellbetroffene Produkte von einem Leasingnehmer oder Mietkäufer an eine Finanzierungsgesellschaft zu entrichtenden Entgelte kartellbedingt überhöht sind, wenn die Leasing- oder Mietkaufverträge - wie es hier der Fall war - auf die vollständige Deckung des jeweiligen Anschaffungspreises gerichtet sind.
Aufgrund der Art und Schwere des Kartellverstoßes, der Marktabdeckung der Kartellbeteiligten im Europäischen Wirtschaftsraum von mehr als 90 % und der Aufrechterhaltung des Kartells über 14 Jahre kommt dem Erfahrungssatz bei der erforderlichen Gesamtabwägung ein erhebliches Gewicht zu.
Die Beklagte hat demgegenüber nicht erklärt, weshalb die Preiskoordinierung trotz ihrer langen Dauer wirkungslos geblieben sei. Die Gründung und Aufrechterhaltung des Kartells trotz der damit verbundenen erheblichen Risiken ist ohne eine lohnenswerte Kartellrendite nicht nachvollziehbar.
Vor diesem Hintergrund stehen die Vergleichsmarktbetrachtungen der Beklagten und der Streithelferinnen 1 bis 3, wonach nur ein insignifikanter Kartelleffekt eingetreten sein soll, für sich allein nicht der Annahme entgegen, dass jedenfalls ein Schaden in irgendeiner Höhe entstanden ist. Nunmehr wird das Landgericht im Betragsverfahren über die Schadenshöhe zu befinden haben.
BGH, Urt. v. 05.12.2023 - KZR 46/21
Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 05.12.2023