Kann ein deutscher Staatsbürger mit einer im EU-Ausland ausgestellten Fahrerlaubnis nicht belegen, dass er in dem Ausstellerstaat einen Wohnsitz über einen ausreichend langen Zeitraum begründet hatte, kann die deutsche Behörde feststellen, dass er nicht berechtigt ist, im Bundesgebiet ein Kraftfahrzeug zu führen. Das hat das Verwaltungsgericht Neustadt a.d. Weinstraße entschieden.
Darum geht es
Der im Landkreis Germersheim wohnhafte Antragsteller geriet im Januar 2014 in eine Fahrzeugkontrolle der Polizei, weil er den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte. Er wies sich dabei durch eine im Mai 2012 in Tschechien vom Magistrat in Teplice ausgestellte Fahrerlaubnis aus. Der Landkreis Germersheim (Antragsgegner des Eilverfahrens) ermittelte daraufhin, dass der Antragsteller seit 1982 ununterbrochen mit einer Wohnanschrift im Landkreis gemeldet war und drei Kraftfahrzeuge auf seinen Name zugelassen waren.
Das tschechische Verkehrsministerium teilte dem Antragsgegner im März 2014 mit, es sei dort nicht bekannt, dass der Antragsteller einen Wohnsitz in Tschechien gehabt oder sich mindestens 185 Tage dort aufgehalten habe. Daraufhin stellte der Antragsgegner mit Bescheid vom 22. August 2014 fest, dass die dem Antragsteller im Mai 2012 erteilte tschechische Fahrerlaubnis nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland berechtige.
Der Antragsteller legte dagegen Widerspruch ein und suchte um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz mit der Begründung nach, der Antragsgegner verstoße mit seiner Entscheidung gegen das in Europa existente Souveränitätsprinzip. Im Übrigen spreche die Beibehaltung eines (Zweit-)Wohnsitzes in der Bundesrepublik nicht gegen die Begründung eines Erstwohnsitzes in der tschechischen Republik.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Gericht hat den Eilantrag abgelehnt. Zur Begründung führten die Richter aus: Die Ungültigkeit der tschechischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ergebe sich aus § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung. Danach gelte die Berechtigung, Kraftfahrzeuge im Inland zu führen, nicht, wenn der Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland gehabt habe.
Ein ordentlicher Wohnsitz sei gegeben, wenn der Betreffende wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen ihm und dem Wohnort erkennen lassen, während mindestens 185 Tagen im Jahr im Ausstellerstaat wohne.
Diese Regelungen stünden mit Unionsrecht in Einklang. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei geklärt, dass ein aus dem Führerschein oder aufgrund unbestreitbarer Informationen aus dem Ausstellerstaat ersichtlicher Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip die Berechtigung des Aufnahmemitgliedstaats auslöse, die ausländische Fahrerlaubnis nicht anzuerkennen.
Mit der Eintragung eines Wohnsitzes im Ausstellerstaat werde keine unwiderlegliche Vermutung dafür begründet, dass das Wohnsitzerfordernis erfüllt sei. Der Aufnahmemitgliedstaat sei bei der Prüfung der Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses auch nicht ausschließlich auf Informationen beschränkt, die sich unmittelbar aus dem Führerschein ergäben oder vom Ausstellerstaat von sich aus zur Verfügung gestellt würden. Vielmehr dürfe der Aufnahmemitgliedstaat Informationen im Ausstellerstaat einholen, ob der Fahrerlaubnisinhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Zeitpunkt des Erwerbs im Ausstellerstaat tatsächlich gehabt habe.
Auch die nationalen Gerichte seien befugt und verpflichtet, die Informationen aus dem Ausstellerstaat inhaltlich dahingehend zu bewerten, ob sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Falles belegten, dass das Wohnsitzerfordernis tatsächlich erfüllt sei.
Als unbestreitbar sei eine vom Ausstellermitgliedstaat herrührende Information über den Wohnsitz dann zu werten, wenn sie nach dem Maßstab praktischer Vernunft und den Regeln der Beweiswürdigung als inhaltlich zutreffend zu beurteilen sei und keine erheblichen gegenteiligen Anhaltspunkte vorlägen, die ernstliche Zweifel an ihrer Richtigkeit begründeten.
Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs spreche hier sehr vieles dafür, dass das Wohnsitzerfordernis im maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis von dem Antragsteller nicht erfüllt worden sei. Nach der Auskunft des tschechischen Verkehrsministeriums vom 12. März 2014 sei dort nicht bekannt, dass der Antragsteller einen Wohnsitz in Tschechien gehabt oder sich mindestens 185 Tage dort aufgehalten habe.
Hinzu komme, dass der Antragsteller seit 1982 ununterbrochen mit Wohnsitz im Landkreis Germersheim gemeldet sei und auf ihn im Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis im Mai 2012 bei der Kreisverwaltung Germersheim drei Kraftfahrzeuge zugelassen gewesen seien. Ferner habe der Antragsteller in Deutschland Steuern bezahlt und Sozialleistungen bezogen.
Angesichts dessen hätte es dem Antragsteller oblegen, substantiierte und verifizierbare Angaben zu Beginn und Ende seines Aufenthalts in Tschechien im Zusammenhang mit der Fahrerlaubniserteilung sowie zu den persönlichen und beruflichen Bindungen zu machen, die im maßgeblichen Zeitraum zu dem im Führerschein angegebenen Wohnort bestanden hätten. Dem sei der Antragsteller nicht ausreichend nachgekommen.
Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zulässig.
Verwaltungsgericht Neustadt, Beschluss v. 10.09.2014 - 3 L 767/14.NW
Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt, Pressemitteilung v. 16.09.2014