Auf öffentlichen Kreisstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften muss nur an besonders gefährlichen Stellen gestreut werden, um der Gefahr einer Glatteisbildung vorzubeugen. Besonders gefährlich sind nur solche Straßenabschnitte, auf denen ein Verkehrsteilnehmer den glatten Zustand der Straße nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann. Das hat das OLG Hamm entschieden.
Darum geht es
Die seinerzeit 59 Jahre alte Klägerin aus Lünen befuhr im Dezember 2011 mit ihrem PKW Renault Clio die Westruper Straße (Kreisstraße Nr. 26) in Richtung Haltern. Die Außentemperatur betrug ca. 3 Grad Celsius. Im Kilometerbereich 0.400 bei Haltern-Hullern durchfuhr die Klägerin eine leichte Linkskurve. Zuvor hatte sie ein kleines Waldstück passiert, danach grenzten Baumreihen an den linken Fahrbahnrand. In der Linkskurve geriet die Klägerin mit ihrem Fahrzeug infolge von Eisglätte ins Schlingern. Sie verlor die Kontrolle über ihr Fahrzeug, welches von der Fahrbahn abkam, gegen eine Baumgruppe prallte und umkippte.
Die Klägerin und ihre Beifahrerin erlitten Verletzungen und mussten von der Feuerwehr aus dem Fahrzeug geborgen werden. Mit der Begründung, die Unfallstelle sei wegen überfrierender Nässe - für sie nicht erkennbar - spiegelglatt gewesen und vom beklagten Kreis Recklinghausen verkehrssicherungspflichtwidrig nicht gestreut worden, hat die Klägerin vom Kreis Schadensersatz begehrt, unter anderem ca. 2.300 € für den am Fahrzeug entstandenen Schaden, ca. 3.900 € Haushaltsführungsschaden und ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 €.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Schadensersatzbegehren der Klägerin ist erfolglos geblieben.
Der Unfall beruhe nicht auf einer Amtspflichtverletzung des beklagten Kreises. Dieser habe an der Unfallstelle nicht streuen müssen, um der Gefahr einer Glatteisbildung vorzubeugen oder vorhandenem Glatteis entgegenzuwirken. Auf öffentlichen Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften müsse der Verkehrssicherungspflichtige gegen die Gefahr einer Glatteisbildung nur an besonders gefährlichen Stellen vorgehen.
Eine besonders gefährliche Stelle in diesem Sinne liege nur dann vor, wenn der Verkehrsteilnehmer bei der für Fahrten auf winterlichen Straßen zu fordernden schärferen Beobachtung des Straßenzustandes und der gebotenen erhöhten Sorgfalt den gefährlichen Zustand der Straßen nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und deswegen die Glatteisgefahr nicht meistern könne. An einer derartigen Stelle sei die Klägerin nicht verunfallt.
Ein umsichtiger Fahrer hätte an der Unfallstelle bei winterlichen Temperaturen grundsätzlich mit Glätte durch Eis oder Raureif gerechnet und seine Fahrweise darauf eingestellt. In einem Gebiet mit - wie vorliegend - abschnittsweise neben der Straße befindlichen Waldbeständen und damit unterschiedlicher Sonneneinstrahlung auf die Straßenoberfläche müsse ein umsichtiger Kraftfahrer auch mit überraschendem Auftreten von Glätte rechnen und seine Fahrweise dementsprechend anpassen.
Im Bereich der Unfallstelle lägen keine außergewöhnlichen gefahrenträchtigen Straßenverhältnisse vor. Dort weise die Fahrbahn kein besonderes Gefälle und keine seitliche Neigung o.ä. auf, die eine besondere Gefährlichkeit begründen könnten. Die Straßenführung sei für einen herannahenden Verkehrsteilnehmer gut sichtbar.
OLG Hamm, Urt. v. 12.08.2016 - 11 U 121/15
Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung v. 08.12.2016