Weist eine Stadt eine Fahrradstraße aus und begründet dies mit der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs, muss die Straßenverkehrsbehörde die Gründe für ein besonderes Gefährdungspotenzial darlegen und mit Tatsachenmaterial dokumentieren. Fehlen relevante Daten hierzu, ist die Ausweisung der Fahrradstraße rechtswidrig. Das hat das Verwaltungsgericht Köln in einem Eilverfahren entschieden.
Darum geht es
Auf Grundlage einer verkehrsrechtlichen Anordnung vom 10.01.2024 wies die Stadt Bonn auf der Straße „Auf den Steinen“ im Bereich zwischen „Hubertusstraße“ und „Henriettenstraße“ eine Fahrradstraße aus.
Hiergegen stellte ein Anwohner des betroffenen Straßenabschnitts einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Köln.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Verwaltungsgericht Köln hat dem Eilantrag entsprochen.
Demnach liegen die Voraussetzungen für die Errichtung einer Fahrradstraße nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung offensichtlich nicht vor.
Die zugrundeliegende verkehrsrechtliche Anordnung lässt sich nach dem Gericht jedenfalls nicht auf die von der Antragsgegnerin angeführte Rechtsgrundlage stützen.
Soweit dem Grunde nach die Anordnung einer Fahrradstraße zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung getroffen werden könnte, um gemeindliche Verkehrskonzepte zu fördern, hat die Stadt Bonn ihre Entscheidung hierauf nicht gestützt.
Vielmehr beruht die Ausweisung der Fahrradstraße nach ihrem Vortrag im Eilverfahren alleine auf Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs.
Dies setzt nach dem Gericht aber voraus, dass die Straßenverkehrsbehörde die für das Vorliegen eines besonderen Gefährdungspotenzials sprechenden Gründe darlegt und gegebenenfalls anhand von Tatsachenmaterial dokumentiert.
Dem habe die Stadt Bonn jedoch nicht ansatzweise genügt. Weder aus der mehr als 2.000-seitigen Aktendokumentation noch aus dem Vorbringen im gerichtlichen Verfahren sei ersichtlich, dass die Stadt Bonn Ermittlungen hinsichtlich der tatsächlichen, verkehrsrechtlich relevanten Verhältnisse mit Blick auf etwaige Gefahrenlagen in der Straße „Auf den Steinen“ unternommen hätte.
Das Gericht hat dabei berücksichtigt, dass es bei einer aufgrund parkender Autos verbleibenden Restfahrbahnbreite von 3,20 bis 4,00 m zu Konflikten zwischen Fahrradfahrern und parkenden sowie passierenden Fahrzeugen kommen kann, die insbesondere in der Möglichkeit sog. Dooring-Unfälle begründet sind.
Dieser allgemeine, dem Grunde nach auf zahlreiche Straßenabschnitte im Bonner Stadtgebiet übertragbare Argumentationsansatz könne die Einrichtung einer Fahrradstraße im konkreten Fall jedoch nicht allein begründen.
So fehlten relevante Daten wie aktuelle Verkehrszählungen oder sonstige Datenerhebungen zur Verkehrssituation oder Verkehrssicherheit in dem betroffenen Straßenabschnitt.
Ob ein den Radverkehr gefährdendes Verkehrsaufkommen herrscht, wie hoch das Aufkommen an Radfahrenden - auch in Relation zu Autofahrenden - ist, habe die Stadt Bonn nicht ansatzweise dargelegt.
Diese unzureichenden Ermittlungen führten zudem dazu, dass die verkehrsrechtliche Anordnung an Ermessensfehlern leide. Denn eine Betätigung des Ermessens zu Fragen der Sicherheit des Straßenverkehrs für die Anordnung der Fahrradstraße habe im Rahmen des Verwaltungsverfahrens nicht stattgefunden.
Vielmehr habe sich die Antragsgegnerin ausweislich der vorgelegten Dokumentation des Fahrradstraßenkonzepts und des darauf beruhenden Ratsbeschlusses offenbar allein auf dieser Grundlage für die Anordnung einer Fahrradstraße entschieden.
Im Hinblick auf die gemäß dem Markierungskonzept der Stadt Bonn am Fahrbandrand aufgebrachten durchgezogenen roten Linien hat das Gericht die Beteiligten zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten darauf hingewiesen, dass diese zudem als solche und damit auch auf der Grundlage einer möglichen neuen verkehrsrechtlichen Anordnung rechtswidrig sein dürften.
Denn insoweit bestehe nach dem maßgeblichen Gesamtbild beim flüchtigen Betrachten Verwechslungsgefahr mit amtlichen Verkehrszeichen in Gestalt von weißen durchgezogenen Linien, die regelmäßig ein Überfahren verbieten. Die Straßenverkehrsordnung kennt demzufolge das Verkehrszeichen Markierung in Gestalt roter durchgezogener (Begrenzungs-)Linien nicht.
Gegen den Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde zu, über die das Oberverwaltungsgericht NRW entscheiden würde.
Verwaltungsgericht Köln, Beschl. v. 20.08.2024 - 18 L 1279/24
Quelle: Verwaltungsgericht Köln, Pressemitteilung v. 21.08.2024