Bietet der Verkäufer eines mangelhaften Fahrzeugs dem Käufer eine Nachbesserung an, kann der Käufer stattdessen regelmäßig noch eine Nachlieferung verlangen, wenn er die Nachbesserung nicht verlangt und sich darauf nicht mit dem Verkäufer geeinigt hat. Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferung ist im Prozess nach dem Rücktritt verspätet. Das hat das OLG Hamm entschieden.
Darum geht es
Die Klägerin aus Herzebrock-Clarholz erwarb im Juni 2013 vom beklagten Autohaus in Oelde einen fabrikneuen KIA Ceed zum Kaufpreis von ca. 16.300 €. Im Dezember 2013 erhielt die Klägerin Kenntnis von einem Transportschaden am Auspuffrohr und Tank des Fahrzeugs, der bereits bei der Fahrzeugübergabe vorhanden und nicht fachgerecht behoben worden war. Die Beklagte bot der Klägerin eine kostenfreie Schadensbeseitigung an, auf die sich die Klägerin nicht einließ, weil die Beklagte eine zusätzliche Minderung des Kaufpreises ablehnte.
Daraufhin verlangte die Klägerin unter Fristsetzung die Nachlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs und erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag, nachdem die Beklagte hierzu nicht bereit war. Mit ihrer Klage hat die Klägerin - unter Anrechnung eines Nutzungsvorteils - die Rückzahlung des Kaufpreises und die Erstattung der Zulassungskosten in Höhe von zusammen ca. 15.000 € gegen die Rückgabe des Fahrzeugs verlangt. Das Landgericht hat den Rücktritt als unverhältnismäßig angesehen und die Klage abgewiesen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Klagebegehren war in zweiter Instanz erfolgreich.
Das OLG Hamm hat die Beklagte - unter Anrechnung eines Nutzungsvorteils von ca. 2.850 € - zur Rückzahlung des Kaufpreises und Erstattung der Zulassungskosten in Höhe von zusammen ca. 13.600 € gegen Rückgabe des Fahrzeugs verurteilt.
Die Klägerin sei, so der Senat, wirksam vom Vertrag zurückgetreten. Das verkaufte Fahrzeug habe bei der Übergabe einen Sachmangel aufgewiesen. Deswegen habe die Klägerin eine Ersatzlieferung verlangen dürfen.
Ihr Nachlieferungsverlangen sei nicht wegen einer vorrangigen Nachbesserung ausgeschlossen. Eine Nachbesserung habe die Klägerin nicht verlangt, sie sei ihr vielmehr von der Beklagten angeboten worden, ohne dass sich die Parteien über ihre Modalitäten verständigt hätten. Daher habe die Klägerin danach noch eine Nachlieferung verlangen können.
Die Nachlieferung sei der Beklagten auch möglich gewesen. Sie habe nicht dargelegt, kein mangelfreies anderes Neufahrzeug mit der geschuldeten Ausstattung beschaffen können.
Den Einwand der Unverhältnismäßigkeit einer Nachlieferung könne die Beklagte nicht mehr mit Erfolg erheben. Der Einwand müsse vom Verkäufer geltend gemacht werden, solange noch ein Nacherfüllungsanspruch bestehe. Dieser erlösche u.a. dann, wenn der Käufer zu Recht vom Vertrag zurücktrete. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte den Einwand verspätet, weil erstmals im Prozess erhoben.
Der Rücktritt sei auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die infrage stehende Pflichtverletzung der Beklagten als unerheblich anzusehen sei. Unerheblich sei nur ein geringfügiger Mangel, der mit einem Kostenaufwand von bis zu 5 % des Kaufpreises zu beseitigen sei. Ein derartiger Mangel habe im vorliegenden Fall nicht vorgelegen. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten seien Mangelbeseitigungskosten zu veranschlagen gewesen, die ca. 12 % des Kaufpreises ausgemacht hätten.
OLG Hamm, Urt. v. 21.07.2016 - 28 U 175/15
Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung v. 15.08.2016