Verkehrsrecht -

Abgasskandal: Schadensersatz bei „verbrieftem Rückgaberecht"

Welche Folgen haben Rückgaberechte, die zur Finanzierung des Autokaufs in Darlehensverträgen verbrieft sind? Das hat der BGH für Ansprüche im „Abgasskandal“ geklärt. Demnach entfällt der Schaden nicht nachträglich dadurch, dass der Käufer dieses Recht nicht ausgeübt, sondern das Finanzierungsdarlehen vollständig abgelöst hat. Im Streitfall ging es um ein Darlehen der Audi Bank.

Darum geht es

In dem ursprünglich ebenfalls zur Verhandlung anstehenden Verfahren VII ZR 256/21, das die Haftung der AUDI AG und der Volkswagen AG für die sog. Aufheizstrategie betraf, ist die Revision der beiden beklagten Motor- bzw. Fahrzeugherstellerinnen zurückgenommen worden.

Der Kläger nahm die beklagte Motor- und Fahrzeugherstellerin - die AUDI AG - auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch.

Der Kläger erwarb im Februar 2017 einen von der AUDI AG hergestellten Pkw Audi A6 Avant 3.0 TDI (Euro 6) als Gebrauchtwagen zum Preis von 46.800 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der AUDI AG hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 897 ausgestattet.

Der Kaufpreis wurde finanziert über ein Darlehen der AUDI Bank. Der Darlehensvertrag verbriefte ein Rückgaberecht des Klägers dergestalt, dass er das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Schlussrate in der 9. Kalenderwoche 2021 an die Verkäuferin zu einem bereits festgelegten Kaufpreis zurückübertragen konnte. Der Kläger hat davon keinen Gebrauch gemacht.

Das Fahrzeug unterlag einem im Jahr 2018 erlassenen verpflichtenden Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung bzw. der unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems. Der Kläger ließ ein vom KBA freigegebenes Software-Update im Januar 2019 auf sein Fahrzeug aufspielen.

Die in der Hauptsache auf Erstattung des Kaufpreises und der Finanzierungskosten unter Abzug einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichtete Klage war in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.

In dem ursprünglich ebenfalls zur Verhandlung anstehenden Verfahren VII ZR 256/21, das die Haftung der AUDI AG und der Volkswagen AG für die sog. Aufheizstrategie betraf, ist die Revision der beiden beklagten Motor- bzw. Fahrzeugherstellerinnen zurückgenommen worden.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der BGH hat auf die Revision des Klägers das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Hinsichtlich des verbrieften Rückgaberechts, das dem Kläger bei der Finanzierung des Fahrzeugkaufpreises eingeräumt worden war, hat der BGH entschieden, dass der Schaden des Klägers nicht dadurch nachträglich entfallen ist, dass er dieses Recht nicht ausgeübt, sondern das Finanzierungsdarlehen vollständig abgelöst hat.

Nach der allgemeinen Lebenserfahrung hätte der Kläger den Kaufvertrag in Kenntnis der - revisionsrechtlich zu unterstellenden - unzulässigen Abschalteinrichtung und wegen des daraus resultierenden Stilllegungsrisikos nicht abgeschlossen (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19; Urt. v. 30.07.2020 - VI ZR 397/19).

Der Schaden liegt in der Eingehung einer ungewollten Verpflichtung (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19).

Dass der Kläger das Darlehen vollständig ablöste, anstatt das Fahrzeug zu den beim Erwerb festgelegten Konditionen an die Verkäuferin zurückzugeben, macht diese Verletzung seines wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts nicht ungeschehen.

Der Nichtausübung des Rückgaberechts ist keine Zustimmung zu dem ursprünglich ungewollten Vertragsschluss zu entnehmen. Allein der Fortführung des ursprünglich geschlossenen Finanzierungsvertrages durch Zahlung der Schlussrate kommt kein Bestätigungswille im Hinblick auf den Kaufvertrag zu.

Dem Kläger ist auch keine Verletzung einer Obliegenheit zur Schadensminderung anzulasten. Das Risiko, bei Ausübung des Rückgaberechts wirtschaftlich schlechter zu stehen als bei einem Vorgehen - wie hier - im Wege des Schadensersatzes gemäß § 249 Abs. 1 BGB, musste der Kläger nicht eingehen.

Die Rechtsprechung des Senats zur Berechnung des Nutzungsersatzes im Rahmen von Leasingverträgen (vgl. BGH, Urt. v. 16.09.2021 - VII ZR 192/20) ist auf den finanzierten Eigentumserwerb unter Einräumung eines Rückgaberechts nicht übertragbar.

Die Darlehensraten sind keine Gegenleistung für die Einräumung der Nutzungsmöglichkeit. Ein Leasingnehmer erwirbt nur die Möglichkeit zur Nutzung für einen begrenzten, vorher festgelegten Zeitraum zu bestimmten, mit dem Leasinggeber vereinbarten Bedingungen.

Dagegen beruht der fremdfinanzierte Kauf trotz der Rückgabeoption auf einer Investitionsentscheidung, die von vornherein auf den Eigentumserwerb gerichtet ist und dem Erwerber erst die Möglichkeit verschafft, das Fahrzeug dem Finanzierungsgeber zur Sicherung zu übereignen.

Ein widersprüchliches, womöglich den Anspruch gemäß § 242 BGB ausschließendes Verhalten des jeweiligen Klägers ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar.

Da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu den übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 826 BGB getroffen hat, war die Sache nicht zur Endentscheidung reif.

BGH, Urt. v. 16.12.2021 - VII ZR 389/21

Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 16.12.2021

 

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