Sozialrecht -

Ausschluss von Elterngeld bei Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" für langjährig geduldete Ausländer verfassungswidrig?

B 10 EG 15/10 R Z. ./. Land Rheinland-Pfalz

Der 10. Senat des Bundessozialgerichts hält § 1 Abs. 7 Nr. 2d Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz in der Fassung vom 19.08.2007 für verfassungswidrig. Er holt deshalb eine Entscheidung des BVerfG zu der Frage ein, ob es mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG erteilt worden ist, keinen Anspruch auf Elterngeld haben.

Darum geht es:

Auf die Anwendung der dem BVerfG vorgelegten Vorschrift kommt es in einem Revisionsverfahren an:

Die 1988 geborene Klägerin ist serbisch-montenegrinische Staatsangehörige. Sie reiste als Minderjährige mit ihren Eltern in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 09.07.2008 wurde ihr eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erteilt, die befristet war und zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigte. Seit dem 01.01.2010 ist die Klägerin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 AufenthG.

Im Dezember 2008 beantragte die ledige Klägerin bei der zuständigen Kreisverwaltung Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer am 10.11.2008 geborenen Tochter. Damit hatte sie im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren bislang keinen Erfolg. Mit ihrer Revision macht die Klägerin im Wesentlichen eine Verfassungswidrigkeit des ihrer Anspruchsberechtigung entgegenstehenden § 1 Abs. 7 Nr. 2d Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz geltend.

Der 10. Senat ist von der Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs. 7 Nr. 2d Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz überzeugt. Zwar darf der Gesetzgeber - wie das BVerfG bereits zum Bundeserziehungsgeld entschieden hat - solche Ausländer vom Elterngeld ausschließen, die voraussichtlich nicht auf Dauer in Deutschland bleiben oder hier nicht arbeiten dürfen. Das trifft jedoch für langjährig geduldete Ausländer, denen nach § 104a AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" erteilt worden ist, nicht ohne weiteres zu. Denn ein solcher Aufenthaltstitel setzt nach § 104a Abs. 1 AufenthG bereits ein gewisses Maß an Integration voraus, berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit (§ 104a Abs. 4 Satz 2 AufenthG) und ist, wie sich aus § 104a Abs. 5 und 6 AufenthG ergibt und der Fall der Klägerin zeigt, einer Verlängerung und damit auch einer günstigen Daueraufenthaltsprognose zugänglich.

Quelle: BSG - Pressemitteilung vom 15.12.11