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Sonstige Themen -

Sparverträge: Unwirksame Zinsanpassungsklausel und Neuberechnung

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat der Musterfeststellungsklage von Verbraucherschützern gegen eine Sparkasse teilweise stattgegeben. Die Zinsanpassungsklausel in den Prämiensparverträgen der Bank sind demnach unwirksam. Bei der Anpassung der vertraglichen Zinsen und Neuberechnung stellte das Gericht aber im Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH auf die sog. Differenzmethode ab.

Darum geht es

Gegenstand der Musterfeststellungsklage sind Sparverträge, die ab den 1990er-Jahren von der Musterbeklagten unter der Bezeichnung S-Prämiensparen flexibel angeboten wurden. 

Die Verträge sahen eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine verzinsliche Prämie vor. Der Anfangszinssatz war in den Verträgen konkret vereinbart. 

Die Prämie war als prozentualer Zuschlag auf die Vorjahressparleistung versprochen; sie stieg von anfänglich 3% der Vorjahressparleistung bis zum 15. Sparjahr auf zuletzt 50% der Vorjahressparleistung an und blieb von da an für die gesamte Vertragsdauer gleich.

Die Verträge enthielten keine Vereinbarung über die Kriterien, nach denen der Zinssatz während der Vertragsdurchführung anzupassen ist. Die von der Musterbeklagten gestellten Bedingungen für den Sparverkehr sahen vor, dass sich der Zinssatz nach dem Aushang in ihren Geschäftsräumen richtet und mit der Änderung des Aushangs eine Änderung des Vertragszinses eintritt.

Im Jahr 2019 erklärte die Musterbeklagte die Kündigung einer Vielzahl von Prämiensparverträgen, in denen die höchste Prämienstufe erreicht war, unter Hinweis auf das langjährige Niedrigzinsumfeld und die Rechtsprechung des BGH, die darin einen zur ordentlichen Kündigung berechtigenden sachlichen Grund gesehen hat. 

Gekündigt wurden auch Prämiensparverträge, in denen es im Verlauf der Vertragsdurchführung zum Einsatz eines Formulars gekommen war, in dem als Vertragsdauer eine Laufzeit von 1188 Monaten genannt war.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat der Musterfeststellungsklage gegen die Sparkasse Nürnberg teilweise stattgegeben. Die mit der Musterfeststellungsklage angegriffene Zinsanpassungsklausel der Musterbeklagten ist nach gefestigter Rechtsprechung des BGH unwirksam. 

Auf den Antrag des Musterklägers hat das BayObLG die Parameter festgestellt, nach denen die Zinsanpassung während der Vertragsdurchführung vorzunehmen ist.

Den für die Höhe der variablen Verzinsung maßgebenden Referenzzinssatz hat das BayObLG in Abhängigkeit vom Datum des Vertragsabschlusses bestimmt. Maßgeblich sind Zeitreihen der Deutschen Bundesbank für langlaufende Bundeswertpapiere. 

Bei der Auswahl des maßgeblichen Referenzzinssatzes hat sich das Gericht der sachverständigen Hilfe eines Finanzmathematikers bedient. Aus den von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zeitreihen hat es jeweils die bei Vertragsschluss historisch verfügbare Reihe ausgewählt, die die vom Sachverständigen berechnete Zinsentwicklung einer vergleichbaren Alternativanlage am besten widerspiegelt.

Das Gericht hat weiter festgestellt, dass bei der Anpassung der vertraglichen Zinsen der anfängliche absolute Zinsabstand des Vertragszinses zum Referenzzins (Differenzmethode) beizubehalten ist, sodass der Vertragszins die Änderungen des Referenzzinses konsequent nachzeichnet. 

Insoweit weicht das BayObLG von der Rechtsprechung des BGH ab, die auf das relative Verhältnis zwischen anfänglichem Vertragszins und Referenzzins (Verhältnismethode) abstellt.

Zum Anpassungsmodus hat das Gericht zudem festgestellt, dass die Zinsanpassung monatlich und ohne Berücksichtigung einer Zinsschwelle vorzunehmen ist. Des Weiteren hat das Gericht festgestellt, dass der vertragliche Zinssatz nicht negativ werden kann.

Soweit der Musterkläger die Feststellung begehrt hat, dass an die Stelle eines variablen Zinssatzes der gesetzliche Zinssatz von 4% p.a. oder hilfsweise der jeweils vereinbarte Anfangszins trete, hatte die Klage keinen Erfolg.

Keinen Erfolg hatte die Klage auch insoweit, als der Musterkläger begehrt hat festzustellen, dass die Prämiensparverträge für die Sparkasse nicht bzw. frühestens nach Ablauf von 21 Sparjahren ordentlich kündbar seien. 

Diese Rechtsansicht hat das BayObLG als unzutreffend verworfen. Die Prämiensparverträge sind bei Vorliegen eines Sachgrundes für die Musterbeklagte nach dem Erreichen der höchsten Prämienstufe nach 15 Sparjahren ordentlich kündbar. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass in den Vertragsformularen die Prämientabelle über das 15. Sparjahr hinaus fortgeführt ist.

Das BayObLG hat allerdings festgestellt, dass die formularmäßige Bestimmung einer Vertragsdauer von 1188 Monaten eine einseitig zu Lasten der Musterbeklagten verbindliche Gesamtlaufzeit für 1188 Monate und einen Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts der Musterbeklagten für diesen Zeitraum beinhaltet. 

Im Musterfeststellungsverfahren hatte das Gericht insoweit nur über den Inhalt der Klausel zu entscheiden, nicht jedoch über die Frage, ob durch die Verwendung des Formulars in der jeweiligen Kundenbeziehung eine entsprechende Änderungsvereinbarung im Einzelfall tatsächlich zustande gekommen ist.

Schließlich hat das BayObLG im Hinblick auf die Verjährung der weiteren Zinsen, die sich aufgrund einer Neuberechnung nach Maßgabe der festgestellten Parameter ergeben, festgestellt, dass der Zinsmehrbetrag als Sparkapital anzusehen ist, der Anspruch hierauf wie die Hauptforderung auf Auszahlung der Spareinlage verjährt und der Lauf der Verjährungsfrist frühestens mit dem Zeitpunkt der wirksamen Beendigung des Sparvertrags beginnt.

Gegen das Musterfeststellungsurteil kann von beiden Parteien insoweit, als sie im Verfahren vor dem BayObLG unterlegen sind, Revision zum BGH eingelegt werden.

BayObLG, Urt. v. 28.02.2024 - 101 MK 1/20

Quelle: BayObLG, Pressemitteilung v. 28.02.2024

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