Bei einem Mangel an Flughafenpersonal für die Gepäckverladung, der zu einer großen Flugverspätung geführt hat, kann es sich um einen „außergewöhnlichen Umstand“ nach der EU-Fluggastrechteverordnung handeln. Das hat der EuGH entschieden. Ob die die Fluggesellschaft im konkreten Streitfall hierdurch tatsächlich von Ausgleichszahlungen befreit ist, muss nun ein deutsches Gericht klären.
Darum geht es
Im Jahr 2021 kam es bei einem von der Gesellschaft TAS ausgeführten Flug von Köln-Bonn (Deutschland) zur griechischen Insel Kos zu einer Verspätung von drei Stunden und 49 Minuten.
Diese Verspätung war auf mehrere Gründe zurückzuführen, hauptsächlich aber auf einen Mangel an Personal des Flughafens Köln-Bonn für die Gepäckverladung in das Flugzeug.
Eine Reihe von Fluggästen, die von dieser Verspätung betroffen waren, hatten ihre etwaigen Ausgleichsansprüche an Flightright abgetreten.
Dieses Unternehmen erhob bei den deutschen Gerichten Klage gegen TAS und machte geltend, dass die Verspätung TAS zurechenbar sei und nicht durch außergewöhnliche Umstände gerechtfertigt werden könne.
Nach dem Unionsrecht (Verordnung Nr. 261/2004 v. 11.02.2004 - „Fluggastrechteverordnung“) ist eine nicht verpflichtet, für eine große Verspätung, d. h. eine Verspätung von mehr als drei Stunden, Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn sie nachweisen kann, dass die Verspätung auf „außergewöhnliche Umstände“ zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Das mit dem Rechtsstreit befasste deutsche Gericht fragt den EuGH, ob es sich bei einem Mangel an Personal bei dem für die Gepäckverladung in die Flugzeuge verantwortlichen Flughafenbetreiber um einen „außergewöhnlichen Umstand“ handeln kann.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der EuGH hat die Frage des vorlegenden deutschen Gericht bejaht: Bei einem Mangel an Personal bei dem für die Gepäckverladung in die Flugzeuge verantwortlichen Flughafenbetreiber kann es sich um einen „außergewöhnlichen Umstand“ handeln.
Ein „außergewöhnlicher Umstand“ liegt vor, wenn das Vorkommnis erstens weder seiner Natur noch seiner Ursache nach Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der Fluggesellschaft ist und zweitens von ihr nicht tatsächlich beherrschbar ist.
Es ist Sache des deutschen Gerichts, zu beurteilen, ob diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind. Demzufolge wird es erstens zu beurteilen haben, ob im vorliegenden Fall die bei der Gepäckverladung festgestellten Mängel als allgemeine Mängel anzusehen sind.
Wäre dies der Fall, könnten die Mängel kein Vorkommnis darstellen, das Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der Fluggesellschaft ist. Zweitens wird es zu beurteilen haben, ob die Mängel von TAS nicht beherrschbar waren.
Dies wäre insbesondere dann nicht der Fall, wenn TAS befugt wäre, eine tatsächliche Kontrolle über den Flughafenbetreiber auszuüben.
Selbst wenn das deutsche Gericht feststellen sollte, dass es sich bei dem fraglichen Personalmangel um einen „außergewöhnlichen Umstand“ handelt, wird TAS ferner zur Befreiung von ihrer Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen an die Fluggäste zum einen nachweisen müssen, dass sich dieser Umstand auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären und zum anderen, dass sie gegen dessen Folgen alle der Situation angemessenen Vorbeugungsmaßnahmen ergriffen hat.
EuGH, Urt. v. 16.05.2024 - C-405/23
Quelle: EuGH, Pressemitteilung v. 16.05.2024