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Offenlegungspflicht bei Vermögenslosigkeit?

Grundsätzlich müssen Offenlegungspflichten trotz einer Vermögenslosigkeit der Gesellschaft erfüllt werden. Ansonsten droht bei einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers bzw. Gesellschafters ein Ordnungsgeld. Anders ist dies erst, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt oder bereits das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Das hat das OLG Köln entschieden.

Sachverhalt

Eine Kapitalgesellschaft stellte bereits im Jahr 1993 ihre Geschäftstätigkeit ein und ist seitdem vermögenslos. Die Geschäftsunterlagen wurden nach Ablauf von zehn Jahren entsorgt. Eine Offenlegung des Jahresabschlusses 2012 unterblieb daher. Daraufhin drohte das Bundesamt für Justiz unter Setzung einer sechswöchigen Nachfrist ein Ordnungsgeld i.H.v. 2.500 € an und setzte das Ordnungsgeld unter Androhung eines weiteren Ordnungsgeldes entsprechend fest, weil eine Offenlegung zunächst unterblieb.

Gegen die erneute Androhung legte die Gesellschaft Einspruch und zugleich Beschwerde gegen die Ordnungsgeldfestsetzung ein. Das Landgericht Bonn hat die Beschwerde durch Beschluss vom 29.12.2015 (11 T 452/15) zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Gesellschaft hat daraufhin den Jahresabschluss hinterlegt und Rechtsbeschwerde beim OLG Köln eingelegt.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die Entscheidung des LG Bonn ist aus formalen Gründen aufzuheben, weil ein gestellter Wiedereinsetzungsantrag vom LG Bonn nicht entschieden worden ist und das OLG diesen Antrag an das vorinstanzliche Gericht zurückverweisen muss. Dies hat deshalb zu geschehen, weil den Beteiligten nicht die Möglichkeit genommen werden darf, dass das vorinstanzliche Gericht eine Wiedereinsetzung gewähren möchte, die dann unanfechtbar und damit der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts entzogen wäre.

In der Sache selbst liegt ein Verschulden der Kapitalgesellschaft vor. Denn die Kapitalgesellschaft ist nach §§ 242, 264 HGB offenlegungspflichtig. Die Offenlegungspflichten bestehen bis zur Löschung der Gesellschaft – und zwar unabhängig davon, ob die Gesellschaft mangels Geschäftsbetriebs noch oder kein Gewerbe mehr betreibt. Die Publizität liegt bis zur Löschung des Unternehmens aus dem Handelsregister im gesamtwirtschaftlichen Interesse und kann ggf. durch Offenlegung einer sogenannten Nullbilanz Rechnung getragen werden.

Eine „Verwirkung“ der gesetzlichen Offenlegungspflichten ist nicht eingetreten. Zwar könnte das erforderliche Zeitmoment nicht lediglich auf die einzelnen Jahresabschlusszeiträume, sondern auf die Nichtverfolgung (auch) früherer Verstöße zu beziehen sein. Allerdings fehlt es jedenfalls am Umstandsmoment, da nicht erkennbar ist, dass und warum die Kapitalgesellschaft kausal aufgrund behördlichen Handelns/Unterlassens in berechtigter und schutzwürdiger Weise darauf hätte vertrauen können, die Nichtoffenlegung der Jahresabschlussunterlagen werde auch in Zukunft weiterhin nicht verfolgt. Etwas anderes könnte gelten, wenn frühere Androhungsschreiben die Kapitalgesellschaft erreicht hätten und danach das Bundesamt für Justiz auf Einwendungen lange untätig geblieben wäre. Allein die mehrjährige behördliche Untätigkeit bei der Erstverfolgung – die hier nicht einmal vorlag - ist für sich genommen noch kein ausreichendes Kriterium.

Auch das Verschulden der Kapitalgesellschist zweifelsfrei gegeben, da sich alle Kapitalgesellschaften fortlaufend auf die Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten einzustellen, die gesetzlichen Grundlagen zu kennen und sich entsprechend so zu organisieren haben, dass sie von etwaigen gesetzlichen Neuerungen Kenntnis erlangen und diese auch beachten können. Zudem sind die Offenlegungspflichten schon lange im Gesetz geregelt (vgl. § 335 HGB a.F. in der Fassung des Bilanzrichtliniengesetzes v. 19.12.1985), lediglich die Sanktionierung etwaiger Pflichtverletzungen hat sich verschärft.

Auch die eventuell unzureichenden finanziellen Mittel der Gesellschaft lassen das Verschulden nicht entfallen. Denn dies liefe letztlich darauf hinaus, Gesellschaften die Erfüllung gesetzlicher Pflichten allein aus finanziellen Gründen zu erlassen.

Schließlich steht auch der Ablauf der handelsrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Geschäftsunterlagen dem Verschuldensvorwurf jedenfalls für das Geschäftsjahr 2012 nicht entgegen. Da zwischenzeitlich der Jahresabschluss 2012 offengelegt worden ist, war diese Pflicht trotz Ablaufs der Aufbewahrungspflicht nicht „unmöglich“ geworden.

Folgerungen aus der Entscheidung

Grundsätzlich muss die Offenlegungspflicht trotz Vermögenslosigkeit der Gesellschaft erfüllt werden. Dies ist erst anders, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt oder bereits das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Denn solange keine besonderen Umstände vorgetragen werden, ist regelmäßig noch von einer ausreichenden Liquidität zur Erstellung und Publikation des Abschlusses auszugehen – zumal Gesellschaften für diese Zwecke Vorsorge zu treffen haben. Ist ein Insolvenzverfahren eingeleitet, wird dies regelmäßig nicht mehr gelten: Kann eine insolvente Gesellschaft etwa mangels finanzieller Mittel ihrer Offenbarungspflicht über das freigegebene Vermögen nicht mehr nachkommen, ist ein Ordnungsgeldbeschluss unzulässig. Die noch im Amt befindlichen Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der Insolvenzgesellschaft sind dann insbesondere auch nicht verpflichtet, die Erfüllung der Offenlegungspflicht nach § 325 HGB aus ihrem Privatvermögen zu finanzieren.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt deutlich, wie wichtig es ist, dass Geschäftsführer und/oder Gesellschafter von vermögenslosen Gesellschaften bei ihren Überlegungen auch die Offenlegungspflichten beachten. Wie dieses Urteil zeigt, sollte jede vermögenslose Gesellschaft entweder ausreichend Vorsorge treffen, um den Offenlegungspflichten nachzukommen, oder bei einer Pflichtverletzung damit rechnen, dass ein Ordnungsgeld droht. Sofern gleichwohl nicht offengelegt wird und die Beendigung der Gesellschaft nicht kurzfristig zu erwarten ist, dürfte wohl nur der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens die weiterhin unterbliebene Offenlegung rechtfertigen. Ansonsten müssen die Organvertreter ggf. damit rechnen, dass auch ein Ordnungsgeld gegen sie persönlich festgesetzt wird, weil das Ordnungsgeld alternativ gegen Gesellschaft oder Leitungsorgan verhängt werden kann.

OLG Köln, Beschl. v. 14.07.2015 - 28 Wx 6/16

Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz