§ 201 StGB, der die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes unter Strafe stellt, erfasst nach einem Beschluss des Landgerichts Osnabrück keine Äußerungen im Zusammenhang mit Diensthandlungen der Polizei im öffentlichen Raum. Demnach rechtfertigen Video- und Tonaufzeichnungen eines Polizeieinsatzes wegen des insoweit fehlenden Anfangsverdachts nicht die Beschlagnahme des Handys.
Darum geht es
Im Rahmen von Polizeieinsätzen kommt es mitunter zu heftigeren Auseinandersetzungen. Dürfen solche Auseinandersetzungen durch eine Handyaufnahme in Bild und Ton festgehalten werden?
Und ist die Polizei berechtigt, in einem solchen Fall das Handy zu beschlagnahmen, mit dem derartige Aufnahmen gemacht worden sind? Hiermit hat sich das Landgericht Osnabrück in einer Beschwerdeentscheidung befasst.
Am 13.06.2021 kam es in der Osnabrücker Innenstadt zu einem Polizeieinsatz einer Funkstreifenbesatzung, bei der es u.a. zur Fixierung einer sich widersetzenden Person auf dem Boden kam. Während dieser Maßnahmen wurden die Einsatzkräfte wiederholt durch umstehende Personen - u.a. auch durch den Beschwerdeführer - gestört.
Die Beamten versuchten, die Situation zu beruhigen und sprachen hierzu Platzverweise aus. Der Beschwerdeführer fertigte währenddessen mit seinem Handy Video- und Tonaufzeichnungen der Situation an.
Die Polizeibeamten forderten den Beschwerdeführer auf, die Aufzeichnungen zu unterlassen, weil derartige Tonaufnahmen strafbar seien. Im weiteren Verlauf wurde das Mobiltelefon des Beschwerdeführers wegen des Verdachts einer Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gegen dessen Willen sichergestellt.
Das Amtsgericht Osnabrück bestätigte mit Beschluss vom 14.07.2021 die Beschlagnahme. Gegen diesen Beschluss wandte sich der Beschwerdeführer.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Landgericht Osnabrück hob die amtsgerichtliche Entscheidung auf und gab dem Beschwerdeführer Recht. Es liege kein Anfangsverdacht für eine strafbare Handlung vor, so dass das Handy nicht hätte beschlagnahmt werden dürfen.
Die von den Polizeibeamten vorgenommenen Diensthandlungen seien im öffentlichen Verkehrsraum vorgenommen worden. Die insoweit gesprochenen Worte seien in faktischer Öffentlichkeit gesprochen, weil der Ort frei zugänglich gewesen sei.
Die Strafvorschrift des § 201 StGB, die die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes unter Strafe stelle, erfasse solche Äußerungen nicht. Die Vorschrift schütze die Unbefangenheit der mündlichen Äußerung. Diese Unbefangenheit sei bei dienstlichem Handeln, das rechtlich gebunden sei und der rechtlichen Überprüfung unterliege, nicht tangiert.
Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass gem. § 201a StGB das Anfertigen von Bildaufnahmen im öffentlichen Raum - von wenigen Ausnahmenfällen abgesehen - straffrei sei.
Es sei kein Grund ersichtlich, warum das Aufnehmen von Tonaufnahmen im öffentlichen Raum strenger geahndet werden sollte als die Fertigung von Bildaufnahmen in demselben Umfeld.
Landgericht Osnabrück, Beschl. v. 24.09.2021 - 10 Qs 49/21
Quelle: Landgericht Osnabrück, Pressemitteilung v. 04.10.2021