corbisrfsomos © fotolia.de

Vermieterin muss Entschädigung wegen Diskriminierung zahlen

Das Landgericht Berlin II hat eine Wohnungsgesellschaft zu einer Entschädigung von 11.000 € für eine Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verurteilt. Im Streitfall hatte die Vermieterin einem behinderten Mieter eine Rollstuhlrampe für den Zugang zum Wohnhaus verweigert. Nach dem Gericht greift das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot nach § 19 AGG.

Darum geht es

Der Kläger sitzt im Rollstuhl. Um sein Wohnhaus eigenständig verlassen oder betreten zu können, verlangten er und sein Ehemann von der Vermieterin die Zustimmung zum Bau einer Rampe. 

Die Vermieterin verweigerte diese, so dass die Frage in einem anderen gerichtlichen Verfahren geklärt werden musste. Das Landgericht Berlin II hat daraufhin entschieden, dass die Vermieterin die Zustimmung zum Bau einer Rampe erteilen muss (Urt. v. 11.11.2022 - 66 S 75/22).

Vor dem Amtsgericht Berlin-Kreuzberg verlangte der Mieter zudem eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen (Urt. v. 22.11.2023 - 7 C 118/23). 

Das Amtsgericht war der Auffassung, dass ein Entschädigungsanspruch nicht besteht, weil in der Weigerung der Beklagten, die Zustimmung zum Bau einer Rampe zu erteilen, weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 AGG liege. Zudem sei ein etwaiger Entschädigungsanspruch nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 21 Abs. 5 AGG geltend gemacht worden.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Im Berufungsverfahren hat das Landgericht Berlin II die Entscheidung der Vorinstanz abgeändert und dem Mieter eine Entschädigung in Höhe von 11.000 € zugesprochen.

Die Vermieterin habe den  Mieter aufgrund seiner Behinderung diskriminiert. Grundlage ist das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot nach § 19 AGG. 

Danach ist eine Benachteiligung, z.B. wegen einer Behinderung, auch in zivilrechtlichen Massengeschäften unzulässig. Vermietung von Wohnraum fällt darunter, sofern Vermieter insgesamt mehr als 50 Wohnungen vermieten, was vorliegend der Fall ist.

Es liegt liegt nach dem Berufungsgericht auch eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG vor. Da die Vermieterin die Zustimmung zum Bau der Rampe über zwei Jahre bis zur Entscheidung des Landgerichts verwehrte, habe sie den Mieter durch Unterlassen unmittelbar benachteiligt. 

Die Benachteiligung liege dabei in der Vorenthaltung eines gesetzlich eingeräumten Vorteils, dessen Ziel es ist, bestehende Nachteile zu beseitigen oder zu verhindern. Eine davon betroffene Person werde weniger günstig behandelt, als es das Gesetz zur Herstellung gleicher Chancen für erforderlich hält.

Die Vermieterin sei nach § 5 AGG verpflichtet gewesen, die Benachteiligung des Klägers durch positive Maßnahmen, z.B. die Erteilung der Zustimmung zum Bau einer Rampe, zu beseitigen. 

Dieser Handlungspflicht sei die Vermieterin nicht nachgekommen. Im Vergleich zu anderen Mietern ohne (körperliche) Behinderung sei ihm der Zugang zur Wohnung rechtswidrig versagt worden.

Die Höhe der Entschädigung begründet das Gericht mit den gravierenden Folgen der Benachteiligung für den Kläger und dem Verhalten der Vermieterin. 

Aus Sicht des Gerichts handelte diese nicht problemorientiert, sondern verweigerte zwei Jahre lang hartnäckig die Zustimmung zum Bau der Rampe aus pauschalen Gründen, die nicht ansatzweise zu überzeugen vermochten. 

Ohne Hilfe Dritter war es dem Kläger nicht möglich, die vorhandenen sechs Treppenstufen zu überwinden und er konnte das Haus nicht spontan verlassen oder betreten. Er war dadurch in seiner Bewegungs- und Handlungsfreiheit stark eingeschränkt.

Der Kläger habe auch die gesetzliche Ausschlussfrist nach § 21 Abs. 5 AGG gewahrt, wonach der Entschädigungsanspruch innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend gemacht werden muss.

Das Verhalten der Beklagten ist demnach als eine Dauerhandlung aufzufassen. Dies habe zur Folge, dass der Anspruch des Klägers auf Zustimmung zu den Baumaßnahmen nicht verjähren könne, solange die Zustimmung nicht erfolgt ist.

Landgericht Berlin II, Urt. v. 30.09.2024 - 66 S 24/24

Quelle: Landgericht Berlin II, Pressemitteilung v. 11.10.2024

Spezialreport Mietrecht und WEG – Jahresrückblick 2022

Zusammenfassung der wichtigsten Neuerungen im Miet- und WEG Recht an, die Sie auch 2023 beschäftigen – auf den Punkt gebracht von unseren Experten.

» Jetzt hier kostenlos herunterladen!

 

Jetzt Mängelexemplar mit 50% Rabatt sichern!
Der topaktuelle Praxisleitfaden zur Bearbeitung Ihrer mietrechtlichen Mandate – auf dem Stand der Mietspiegelreform 2022!

114,00 € zzgl. Versand und USt