Das Verwaltungsgericht Neustadt hat für eine Wohnanlage eine Baugenehmigung aufgehoben, weil diese zu unbestimmt war. Eine Baugenehmigung muss Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung eindeutig erkennen lassen, damit der Bauherr den Nutzungsumfang und Drittbetroffene das Maß ihrer aus der Baugenehmigung resultierenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können.
Darum geht es
Die Kläger sind Eigentümer eines Reihenhauses in Grünstadt. Südwestlich ihres Grundstücks befindet sich die bereits am 18.08.2017 eröffnete „alla hopp!“-Anlage. Am 30.01.2017 hatte die Kreisverwaltung Bad Dürkheim die hierfür erforderliche Baugenehmigung erteilt.
Bei dieser Anlage, die sich in der Nähe des Grünstadter Bahnhofs befindet, handelt es sich um einen generationsübergreifenden Bewegungs- und Begegnungsraum, der aus mehreren Bereichen besteht.
Im Norden der Anlage und damit am nächsten zum Haus der Kläger gelegen befindet sich ein naturnaher Spiel- und Bewegungsbereich für ältere Kinder mit u. a. einer Spiellandschaft, einem „Mikadowald“, einem Familienkarussell und einem Streifen zum „Generationenschaukeln“.
Richtung Süden schließt sich ein Spielbereich für Kinder unter sechs Jahren an, danach – getrennt durch den „Von-Skell-Platz“ und einen Parkplatz – ein generationsübergreifender Bewegungsparcours und schließlich ein Bereich für Jugendliche mit Treffpunkt und multifunktionalen Möglichkeiten.
Die Kläger haben im November 2017 gegen die Baugenehmigung Widerspruch erhoben und geltend gemacht, dass von der Anlage ein unzumutbarer Lärm ausgehe. Sie werde extensiv genutzt, auch über die Öffnungszeiten hinaus. Ihr Nachtschlaf werde insbesondere durch junge Erwachsene gestört, die sich dort aufhielten und Alkohol konsumierten.
In der Benutzungssatzung waren die Öffnungszeiten ursprünglich festgelegt auf 7.00 Uhr bis zur Dunkelheit, maximal bis 22.00 Uhr, von montags bis freitags, an Samstagen und Sonntagen auf 9.00 Uhr bis zur Dunkelheit, maximal bis 22.00 Uhr.
Aufgrund des Widerspruchs der Kläger wurden die Öffnungszeiten im nördlichen Bereich verkürzt (montags bis freitags von 8.00 Uhr bis zur Dunkelheit, maximal bis 20.00 Uhr, samstags und sonntags von 9.00 Uhr bis zur Dunkelheit, maximal bis 20.00 Uhr).
Eine Schallmessung durch ein Ingenieurbüro am 19.09.2018 ergab, dass bei einer Nutzung der Anlage durch ca. 150 Kinder die einschlägigen Immissionshöchstwerte in der Ruhezeit überschritten werden.
Nachdem über den Widerspruch bis August 2019 keine Entscheidung ergangen war, haben die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße erhoben. Sie machen geltend, dass die Anlage selbst bei schlechtem Wetter, vor allem aber bei gutem Wetter von mehreren hundert Menschen genutzt werde.
Die Nutzung beginne morgens um 7.00 Uhr und ende erst nach Mitternacht. Besonders intensiv sei die Nutzung am Sonntagmittag. Die Nutzer seien sehr laut; die Schallimmissionen würden die Orientierungswerte der Freizeitlärmrichtlinie auf ihrem Grundstück zum Teil deutlich überschreiten. Besonders störend sei auch die Nutzung nachts durch Alkohol trinkende junge Erwachsene.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Verwaltungsgericht Neustadt hat die Baugenehmigung nach Durchführung der mündlichen Verhandlung aufgehoben.
Die Baugenehmigung sei zu unbestimmt. Eine Baugenehmigung müsse regelmäßig Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung eindeutig erkennen lassen, damit der Bauherr die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und Drittbetroffene das Maß der für sie aus der Baugenehmigung resultierenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen könnten.
Das sei vorliegend aber nicht der Fall, weil die Baugenehmigung keinerlei Regelungen hinsichtlich der beabsichtigten Nutzungsmodalitäten enthalte.
In Fällen, in denen der Standort der Anlage in einer unter dem Aspekt des Immissionsschutzes kritischen Nähe zur Nachbarschaft liege, bei der es problematisch sein könne, ob die Geräuschimmissionen eine für die Nachbarn maßgebende Zumutbarkeitsgrenze überschreiten, müsse die Baugenehmigung das gestattete Ausmaß der Geräuschimmissionen durch Inhalts- oder Nebenbestimmungen festlegen, um sicherzustellen, dass die Nachbarn nicht unzumutbar beeinträchtigt werden.
Solche Bestimmungen seien in der angefochtenen Baugenehmigung aber gerade nicht enthalten.
Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beantragt werden.
Verwaltungsgericht Neustadt, Urt. v. 17.07.2020 - 4 K 919/19.NW
Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt, Pressemitteilung v. 17.07.2020