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Miet- und WEG-Recht -

Mietverträge: Voraussetzungen der Verwertungskündigung

Der BGH hat die Voraussetzungen einer Kündigung durch den Vermieter wegen einer wirtschaftlichen Verwertung nach § 573 BGB näher bestimmt. Demnach müssen Vermieter die ihnen ansonsten drohenden „erheblichen Nachteile“ genau darlegen. So reichte im Streitfall der Hinweis auf eine langfristige Sicherstellung von Mieteinnahmen sowie auf die existentielle Bedeutung einer Geschäftserweiterung nicht.

Darum geht es

Die Beklagten haben im Jahr 2012 von der Rechtsvorgängerin der Klägerin eine 7-Zimmer-Wohnung in St. Blasien gemietet; die monatliche Nettomiete für die rund 190 qm große Wohnung beläuft sich auf 850 €. Die Klägerin, die V-KG, hat das Anwesen, in dem die Wohnung liegt, im Jahr 2015 erworben und ist dadurch in den Mietvertrag mit den Beklagten eingetreten. Sie ist überdies Eigentümerin des mit Gewerberäumen bebauten Nachbargrundstücks, das sie an die S-KG verpachtet hat, die dort ein Modehaus betreibt. Beide Gesellschaften sind persönlich und wirtschaftlich miteinander verbunden.

Mit Schreiben vom 29.06.2015 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB und begründete dies damit, das gesamte Gebäude abreißen zu wollen, um ein Objekt mit Gewerberäumen zur Erweiterung des benachbarten Modehauses zu errichten. Selbst unter Berücksichtigung der Investitionskosten sei durch die langfristige Verpachtung an die S-KG ein deutlich höherer Ertrag zu erwirtschaften als bei Fortführung der bisherigen Mietverhältnisse.

Die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der BGH hat entschieden, dass die Kündigung unwirksam ist, weil der Klägerin - jedenfalls aufgrund der in dem Kündigungsschreiben aufgeführten Gründe - bei Fortbestand des Mietverhältnisses keine erheblichen Nachteile im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB drohen. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts beruht auf einer grundlegenden Verkennung der bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Verwertungskündigung zu berücksichtigenden Belange.

Im Ausgangspunkt stellt der Abriss des Gebäudes zur Erweiterung des benachbarten Modehauses zwar eine von vernünftigen sowie nachvollziehbaren Erwägungen getragene und mithin angemessene wirtschaftliche Verwertung des betreffenden Grundstücks im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar. Allerdings ist eine Verwertungskündigung nur unter der zusätzlichen (hohen) Voraussetzung zulässig, dass dem Eigentümer durch den Fortbestand des Mietverhältnisses andernfalls ein „erheblicher Nachteil“ entstehen würde.

Bei der Beurteilung dieser Frage haben die Gerichte aber stets zu beachten, dass nicht nur die Rechtsposition des Vermieters, sondern auch das vom Vermieter abgeleitete Besitzrecht des Mieters von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie geschützt ist. Vor diesem Hintergrund gewährt das Eigentum dem Vermieter keinen uneingeschränkten Anspruch auf Gewinnoptimierung oder Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeit, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil verspricht.

Auf der anderen Seite dürfen die dem Vermieter bei Fortbestand des Mietverhältnisses entstehenden Nachteile jedoch auch keinen Umfang annehmen, welcher die Nachteile weit übersteigt, die dem Mieter im Falle des Verlustes der Wohnung erwachsen. Insbesondere darf das Kündigungsrecht des Eigentümers bei einer Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht auf Fälle andernfalls drohenden Existenzverlusts reduziert werden.

Vorliegend hat das Berufungsgericht bei der Bejahung erheblicher Nachteile für die Klägerin maßgeblich auf die langfristige Sicherstellung von Mieteinnahmen sowie auf die „existentielle“ Bedeutung der Erweiterung für das Modehaus abgestellt. Allerdings hat das Landgericht tatsächliche Umstände, die eine solche Beurteilung tragen, nicht ansatzweise festgestellt - sondern sich insoweit lediglich auf den allgemeinen, ebenfalls nicht näher konkretisierten Vortrag der Klägerin gestützt.

Diese oberflächliche und pauschale Betrachtungsweise des Berufungsgerichts läuft letztlich darauf hinaus, einen zur Kündigung berechtigenden Nachteil schon dann zu bejahen, wenn der Eigentümer einer vermieteten Wohnung mit dieser - im Interesse einer möglichen bloßen Gewinnoptimierung - nicht nach Belieben verfahren kann. Dies jedoch wird den (hohen) gesetzlichen Anforderungen an eine Verwertungskündigung nicht gerecht.

Weiterhin sind bei einer Verwertungskündigung - anders als etwa bei einer Eigenbedarfskündigung - nach dem eindeutigen Wortlaut des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB allein solche (erheblichen) Nachteile zu berücksichtigen, die dem Vermieter selbst entstehen würden. Bei der das Modehaus betreibenden S-KG handelt es sich aber um eine von der Klägerin verschiedene Personengesellschaft, woran auch die persönliche und wirtschaftliche Verflechtung der Gesellschaften nichts zu ändern vermag.

Außerdem können gemäß § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung (soweit sie nicht nachträglich entstanden sind) nur solche Gründe Berücksichtigung finden, die im Kündigungsschreiben angegeben wurden. Hier jedoch hatte die Klägerin die Interessen ihrer Schwestergesellschaft an einer Sicherung ihrer Existenzgrundlage in dem Kündigungsschreiben nicht einmal ansatzweise aufgeführt. Bereits aus diesem Grund kommt auch eine Berücksichtigung dieser Drittinteressen über die Generalklausel des § 573 Abs. 1 BGB nicht in Betracht.

Nach alledem hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen, damit diese Feststellungen zu den weiteren von der Klägerin ausgesprochenen Kündigungen treffen kann.

BGH, Urt. v. 27.09.2017 - VIII ZR 243/16

Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 27.09.2017