Petra Beerhalter © fotolia.de

Miet- und WEG-Recht -

Mietminderung wegen Lärmbelästigung?

Welche Art von Lärmbelästigung durch Nachbarn müssen Mieter dulden? Und kann auch bei Kinderlärm ein Recht auf Mietminderung bestehen? Der BGH hat entschieden, dass auch bei Kinderlärm die Zumutbarkeit für Wohnungsnachbarn begrenzt ist. Zudem stellten die BGH-Richter klar, dass bei wiederkehrenden Lärmbelästigungen kein detailliertes Lärmprotokoll im Verfahren vorgelegt werden muss.

Sachverhalt

Eine Mieterin lebt in einer Dreieinhalbzimmerwohnung, die sich im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses in Berlin befindet. Nachdem eine Familie mit zwei kleinen Kindern in die über ihr befindliche Mietwohnung gezogen war, beschwerte sie sich bei ihrem Vermieter. Sie forderte, dass er gegen übermäßige Störungen durch Lärm vorgeht, die teilweise auch von den Eltern ausgehen würden. Schließlich machte sie gegenüber ihrem Vermieter eine Mietminderung i.H.v. 50 % der unter Vorbehalt gezahlten Miete geltend.

Die Mieterin berief sich darauf, dass es fast täglich zu einer massiven Störung durch Lärm käme. Dies sei durch heftiges Stampfen, Springen, Poltern, Schreie und sonstige lautstarke Auseinandersetzungen auch während der Ruhezeiten geschehen. Diesen Lärm habe sie trotz Verwendung von Ohrenstöpseln noch deutlich hören und spüren können. In der Küche sprängen die Töpfe in den Regalen und die Türen wackelten in ihren Angeln. Die Mieterin legte hierzu auch mehrere Lärmprotokolle vor, die sich insgesamt über einen Zeitraum von über einem Jahr erstreckten.

Nachdem das AG die Klage der Mieterin abgewiesen hatte, legte sie hiergegen Berufung ein. Das LG Berlin wies diese jedoch zurück. Nach Auffassung des LG Berlin hatte die Mieterin nicht hinreichend substanziiert vorgetragen, dass der Lärm als erheblicher Mangel i.S.v. § 536 BGB anzusehen ist. Zwar müssten auch Kleinkinder und deren Eltern auf ihre Nachbarn Rücksicht nehmen und übergroßen Lärm vermeiden.

Zu berücksichtigen sei jedoch, dass es sich hier um öffentlich geförderte Wohnungen handelt. Diese sind infolge dessen preiswert und auch für kinderreiche Familien erschwinglich. Aus diesem Grunde müsse man als Mieter hier ein höheres Maß an Geräuschtoleranz aufbringen als in teuren oder seniorengerechten Wohnungen. Das LG ließ die Revision zum BGH nicht zu. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Mieterin hatte Erfolg.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Der BGH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf. Die Richter begründeten dies damit, dass das LG Berlin das Recht der Mieterin auf rechtliches Gehör verletzt hat. Denn es hat sich nur unzureichend mit den dargelegten Punkten auseinandergesetzt und zu strenge Anforderungen an die Substantiierungspflicht der Mieterin gestellt. Kinderlärm aus einer benachbarten Wohnung muss nicht in jeglicher Form hingenommen werden.

Die geschilderten Geräuschemissionen überschreiten das, was Ausdruck eines natürlichen Bewegungsdrangs von Kindern ist. Dies gilt insbesondere auch für die ständigen lauten Streitigkeiten zwischen Eltern und Kindern in Form von ständigem Schreien und Brüllen. Darüber hinaus führte der BGH aus, dass bei wiederkehrenden Lärmbelästigungen kein detailliertes Lärmprotokoll vorgelegt werden braucht. Hier reicht es aus, wenn die Art des Lärms näher beschrieben wird.

Infolgedessen hätte sich die Vorinstanz als Tatsacheninstanz ein eigenes Bild über das Ausmaß des Lärms machen müssen. Zwecks Klärung verwies der BGH die Sache zurück an die Vorinstanz.

Folgerungen aus der Entscheidung

Mieter müssen bei Nachbarn mit Kleinkindern mehr Lärm hinnehmen. Dies erklärt sich daraus, dass gerade kleine Kinder einen höheren Bewegungsdrang haben. Eine Unterdrückung würde sich fatal auf die kindliche Entwicklung auswirken. Eltern können daher nicht immer Lärm verhindern. Dies gilt vor allem auch bei Babys, die zuweilen auch mehrmals in der Nacht schreien.

Das bedeutet aber nicht, dass Nachbarn keine Rechte haben. Die eingeforderte Toleranz hat auch Grenzen. Diese hängen von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls wie vor allem dem Alter des Kindes ab. So ist fraglich, ob man lautes Stampfen etc. akzeptieren muss, wenn es sich häufig über Stunden hinzieht bzw. nachts geschieht. Das Gleiche gilt für häufiges Rumbrüllen während der Ruhezeiten.

Geradezu bedenklich erscheint, dass nach der Begründung der Vorinstanz Mieter von preiswerten geförderten Wohnungen wohl jeglichen Kinderlärm akzeptieren müssen. Dem hat der BGH zu Recht eine Absage erteilt. Darüber hinaus dürfen an die Darlegung des Lärms keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Dies gilt vor allem dann, wenn dieser sich über einen Zeitraum von Jahren wiederholt. Diesbezüglich verweist der BGH auf seine ständige Rechtsprechung (z.B. BGH, Urt. v. 29.02.2016, VIII ZR 155/11).

Praxishinweis

Bei Kinderlärm sollten zunächst einmal die Eltern angesprochen werden. Oftmals kann eine gemeinsame Lösung gefunden werden, wie die Anschaffung eines Teppichs bzw. dass die Eltern nachts mehr auf die Vermeidung von Lärm achten (z.B. indem sie ihrem Kleinkind nachts kein lautes Spielzeug geben). Sofern dies nicht hilft, sollten Mieter ein Lärmtagebuch führen. Darin sollte möglichst genau mit Datum und Uhrzeit angegeben werden, um was für einen Lärm es sich handelt.

Vor Geltendmachung einer Mietminderung muss zunächst einmal der Vermieter angeschrieben und Abhilfe gefordert werden. Wichtig ist, dass eine Lärmminderung nicht zu hoch angesetzt wird. Im Zweifel sollten Mieter die Mietzahlungen unter Vorbehalt in voller Höhe leisten. Ansonsten müssen sie eventuell mit einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges rechnen, wenn kein Mangel vorlag oder die Minderung zu hoch angesetzt wurde. Um dies zu vermeiden, sollten sie sich durch einen Mieterverein oder Rechtsanwalt beraten lassen.

Dabei sollte auch geprüft werden, inwieweit der Mieter vom Vermieter eine bessere Trittschalldämmung verlangen kann. Vermieter sollten ungeachtet der rechtlichen Verpflichtung Wert auf eine gute Trittschalldämmung legen, weil dadurch weniger Konflikte zwischen den Mietern wegen Lärm auftreten würden.

BGH, Beschl. v. 22.08.2017 - VIII ZR 226/16

Quelle: Harald Büring