Erheblicher Baulärm kann zur Mietminderung berechtigen. Eine Minderung ist auch in Großstädten nicht deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil Baulärm dort regelmäßig hinzunehmen wäre. Das hat das Amtsgericht München entschieden. Das Gericht hielt im Streitfall in zwei unterschiedlichen Bauphasen jeweils eine Minderung der Bruttomiete von 30 % bzw. 25 % pro Monat für angemessen.
Darum geht es
Die Beklagte bewohnt seit Anfang 1997 in München-Maxvorstadt eine Drei-Zimmer-Wohnung mit 67,18 m², deren Miete seit Oktober 2015 brutto 989,08 € beträgt. Sie minderte die Mietzahlungen in den Monaten von Oktober 2015 mit Juni 2016 um insgesamt 1.536,98 € und begründete dies mit unzumutbarem Lärm einer benachbarten Großbaustelle, auf der unter Abriss einer früheren Fabrik über hundert neue Wohneinheiten erstellt wurden.
Dazu legte die Beklagte ein detailliertes Lärmprotokoll mit eingearbeiteter Fotodokumentation sowie das Ergebnis einer eigenen mehrtägigen Schallmessung vom Mai 2016 vor.
Die Klägerin bestreitet, dass die Baustelle unzumutbare Lärmstörungen verursacht habe. Die gesetzlichen Bauvorschriften seien eingehalten worden. Sie habe die Bautätigkeit aufgrund der erteilten Baugenehmigung auf dem Nachbargrundstück nicht verhindern können.
In einer Großstadt müsse mit Bautätigkeiten gerechnet werden, zumal die Beklagte bewusst eine Wohnung neben einer schon stillgelegten Fabrik angemietet habe. Die unwesentlichen und ortsüblichen Immissionen habe die Vermieterin also gegenüber dem Bauherrn nicht abwehren können. Sie seien von der Beklagten folglich hinzunehmen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der zuständige Richter am Amtsgericht München, der sich das Bautagebuch einschließlich der dort erfassten Lärmwerte vorlegen ließ und ein Sachverständigengutachten zur Unzumutbarkeit der Lärmbelästigung eingeholt hatte, gab weitgehend der Beklagten Recht. Er wies die Klage der Vermieterin auf Zahlung des im Wege der Mietminderung einbehaltenen Mietanteils nahezu vollständig - bis auf einen überhöhten Minderungsbetrag für April 2016 von 63,80 € - zurück.
Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht.
Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt. Eine Minderung ist daher entgegen der Auffassung der Klagepartei nicht deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil in Großstädten Baulärm regelmäßig hinzunehmen sei.
Zwar ist es zutreffend, dass in Großstädten immer irgendwo gebaut wird. Dennoch entspricht es der allgemeinen Verkehrsanschauung, dass man auch in Großstädten in Wohnungen ungestört von Baulärm leben kann. Denn die übergroße Mehrzahl der Wohnungen in Großstädten ist wohl Verkehrslärm, nicht aber Baulärm ausgesetzt.
Das Gericht ist nach den durchgeführten Beweisaufnahmen davon überzeugt, dass im streitgegenständlichen Zeitraum von Oktober 2015 bis einschließlich Juni 2016 von der benachbarten Großbaustelle erhebliche Lärm- und Schmutzeinwirkungen auf die Wohnung der Beklagten stattgefunden haben, welche zu einer mehr als unerheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung des Mietgebrauchs der Beklagten geführt haben, so dass die zur angemessenen Mietminderung berechtigt war.
Das Gericht hält bei Unterteilung des Baulärms für den Zeitraum Oktober 2015 bis einschließlich März 2016 in Bauphase 1 (Abriss und Grundarbeiten) und für den Zeitraum von April bis einschließlich Juni 2016 in Bauphase 2 (Hochbauarbeiten) eine Minderungsquote ausgehend von der Bruttogesamtmiete in Höhe von € 989,08 von 30% pro Monat für die Bauphase 1 und von 25% für die Bauphase 2 als angemessen.
Der Sachverständige hat festgestellt, dass im Jahr 2015 im Zeitraum September bis Dezember 2015 an 19 Tagen Lärmimmission gemessen werden konnten, die eine Einwirkung von über 63 Dezibel an der Wohnung der Beklagten ergeben haben, was als wesentliche Beeinträchtigung anzusehen ist. Im Jahr 2016 seien an 160 Tagen wesentliche Überschreitungen der Immissionsrichtwerte zu verzeichnen gewesen, wobei sogar an mehr als 60 Tagen Geräuschbelästigungen von mehr als 70 Dezibel vorhanden waren.
Bei Einzug der Beklagten sei nach der Beweisaufnahme die benachbarte Fabrik noch nicht leer gestanden, so dass sie nicht konkret mit Baumaßnahmen habe rechnen müssen.
Amtsgericht München, Urt. v. 01.02.2018 - 472 C 18927/16
Quelle: Amtsgericht München, Pressemitteilung v. 14.12.2018