Das Landgericht Berlin hält die Regelung über die Mietpreisbremse nach § 556d BGB für verfassungswidrig. In einem Hinweisbeschluss hat das Landgericht seine Rechtsansicht mit einem Verstoß gegen Art. 3 GG begründet. Später stellte sich allerdings heraus, dass im konkreten Verfahren eine mögliche Verfassungswidrigkeit der Mietpreisbremse nicht mehr entscheidungserheblich war.
Darum geht es
Es handelt sich um die Klage einer Mieterin, die von der Vermieterin u.a. begehrte, 1.241,11 € überhöhte Miete zurückzuerhalten. Die Parteien hatten am 24.08.2015 einen Mietvertrag über eine in Berlin-Wedding gelegene 1-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 39 m² geschlossen. Als Mietzins war ein Betrag von 351,00 € netto kalt monatlich vereinbart worden. Die Vormieterin hatte zuvor 215,00 € netto kalt an die Vermieterin gezahlt.
Die Klägerin rügte u.a. mit Schreiben vom 24.02.2016, dass die Miethöhe ihrer Ansicht nach überhöht sei. Mit ihrer Klage beanspruchte die Klägerin, nachdem das Mietverhältnis zwischen den Parteien zum 30. September 2016 beendet war, die Rückzahlung überhöhten Mietzinses für die Zeit von September 2015 bis Februar 2016 in Höhe von 136,00 € monatlich sowie für die Monate März bis September 2016 in Höhe von 60,73 € monatlich.
Nachdem die Vermieterin für die Zeit ab März 2016 anerkannt hatte, dass die zulässige Miete monatlich nur 275,73 € betragen solle, sprach das Amtsgericht Wedding der Klägerin einen Rückzahlungsbetrag von 297,57 € (42,51 € monatlich für die Zeit von März bis September 2016) zu, da die ortsüblich zulässige Miete monatlich 233,22 € betragen habe. Das Amtsgericht wies die Klage wegen des restlichen Betrages von 943,54 € ab. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Landgericht wies die Parteien zunächst in einem Hinweisbeschluss vom 14.09.2017, der nachstehend abgerufen werden kann, darauf hin, dass es die Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 556d BGB) für verfassungswidrig halte. Es liege eine ungleiche Behandlung von Vermietern vor. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz gebiete dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln. Soweit der Gesetzgeber Differenzierungen vornehme, müssten diese durch Gründe gerechtfertigt werden, die dem Ziel der Differenzierung und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen seien.
Dies habe der Gesetzgeber bei der Neuregelung von § 556d BGB nicht beachtet und in verfassungswidriger Weise in das Recht der Mietvertragsparteien, im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit den Mietpreis zu regeln, eingegriffen. § 556d BGB in Verbindung mit der von dem Land Berlin erlassenen Rechtsverordnung begrenze die zulässige Neuvermietung auf 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete.
Da bundesweit der Wohnungsmietmarkt preislich seit langem starke Unterschiede aufweise, belaufe sich die ortsübliche Vergleichsmiete zum Beispiel in München auf 11,28 € pro Quadratmeter in 2013 und 12,28 € pro Quadratmeter in 2016, während sie in Berlin nur bei 6,49 € bzw. 7,14 € (Berlin-West) pro Quadratmeter gelegen habe. Der Unterschied betrage mithin jeweils über 70 %.
Damit habe der Gesetzgeber eine Bezugsgröße gewählt, die Vermieter in unterschiedlichen Städten wesentlich ungleich treffe. Weder der Gesetzeszweck noch die mit der gesetzlichen Regelung verbundenen Vorteile noch sonstige Sachgründe rechtfertigten dies. Insbesondere seien im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens die für eine mögliche sachliche Rechtfertigung relevanten einkommensbezogenen Sozialdaten von Mietern nicht erhoben worden.
Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass die einkommensschwächeren Haushalte und Durchschnittsverdiener, die vom Gesetz geschützt werden sollten, in höherpreisigen Mietmärkten wie München erheblich besser gestellt seien als die gleichen Zielgruppen in Berlin.
Darüber hinaus liege auch deshalb eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vor, da diejenigen Vermieter, die bereits in der Vergangenheit eine (zu) hohe Miete (d.h. eine 10 % der ortsüblichen Vergleichsmiete übersteigende Miete) mit ihrem Mieter vereinbart hatten, ungerechtfertigt begünstigt würden. Denn diese Vermieter dürften bei einer Neuvermietung die „alte“ Miete weiterhin unbeanstandet verlangen. Ein Bestandsschutz für diese „alte“ Miete könne jedoch bei einer Neuvermietung nicht angenommen werden.
Zudem sei die Ungleichbehandlung mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise schlichtweg unvereinbar. Denn diejenigen Vermieter, die in der Vergangenheit eine maßvolle Miete verlangt hätten, würden erheblich benachteiligt gegenüber denjenigen Vermietern, die schon in der Vergangenheit die am Markt erzielbare Miete maximal ausgeschöpft und damit ungleich höher dazu beigetragen hätten, dass Wohnraum für Geringverdiener knapp werde.
Letztlich hat jedoch das Landgericht Berlin aufgrund weiteren Vortrags der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2017 den Rechtsstreit nicht mehr aussetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen müssen (nur das Bundesverfassungsgericht darf eine Rechtsnorm für verfassungswidrig erklären, nicht jedoch die Instanzgerichte selbst). Denn es habe sich herausgestellt, dass das Merkmal „Sammelheizung“ für die Wohnung vorliege, so dass der von dem Amtsgericht Wedding für noch zulässig erkannte Mietwert von 233,22 € monatlich netto kalt richtig berechnet sei.
Damit stehe der Mieterin kein weiterer Rückzahlungsanspruch zu, und zwar auch nicht für die Monate vor März 2016. Denn für die davor liegende Zeit fehle es an einer nach dem Gesetz erforderlichen ausreichenden schriftlichen Rüge gegenüber der Vermieterin, aus welchen Gründen die vereinbarte Miete überhöht sei. Daher ist die Berufung der Klägerin durch Urteil zurückgewiesen worden.
Landgericht Berlin, Beschl. v. 14.09.2017 und Urt. v. 19.09.2017 - 67 S 149/17
Quelle: Landgericht Berlin, Pressemitteilung v. 19.09.2017