Immobilienkredite: Transparenz von Mindestzinsklauseln 

Ob bei Hypothekendarlehen Mindestzinssatzklauseln Transparenzvorgaben einhalten, kann im Rahmen einer Verbandsklage, die sich gegen eine Vielzahl von Banken richtet, kontrolliert werden. Das hat der EuGH klargestellt. Bei der Prüfung ist zu berücksichtigen, dass sich zwischenzeitlich ggf. der Aufmerksamkeitsgrad und Informationsstand des Durchschnittsverbrauchers verändert hat.

Darum geht es

Mindestzinssatzklauseln sind Standardklauseln in Hypothekendarlehensverträgen mit variablem Zinssatz, die von zahlreichen Finanzinstituten in Spanien mit Verbrauchern geschlossen wurden. 

Mit ihnen wurde ein Mindestsatz festgelegt, unter den der variable Zinssatz nicht absinken durfte, auch wenn der Referenzsatz (in der Regel der Euribor) diesen Mindestsatz unterschritt. 

In Spanien wurden Tausende von Klagen erhoben, mit denen die Rechtswidrigkeit der Mindestzinssatzklauseln im Hinblick auf die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln (Richtlinie 93/13/EWG v. 05.04.1993) über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen geltend gemacht wurde. 

Der Spanische Verband der Nutzer von Banken, Sparkassen und Versicherungen (ADICAE) hat eine Verbandsklage gegen 101 in Spanien tätige Finanzinstitute erhoben. 

Diesen soll die Verwendung von Mindestzinssatzklauseln untersagt werden und die Rückzahlung der gemäß diesen Klauseln gezahlten Beträge aufgegeben werden. Nach Aufrufen in den nationalen Medien haben sich 820 Verbraucher der Verbandsklage angeschlossen. 

Nachdem die Banken in zwei Rechtszügen unterlagen, haben sie ein Rechtsmittel beim spanischen Obersten Gerichtshof eingelegt. Dieser hegt insbesondere in Anbetracht der großen Zahl beteiligter Verbraucher und Finanzinstitute Zweifel, dass sich ein Verfahren über eine Verbandsklage dafür eignet, die Mindestzinssatzklauseln auf ihre Transparenz hin zu überprüfen, um festzustellen, ob sie missbräuchlich sind. 

Der spanische Oberste Gerichtshof  hält es in diesen Fällen auch für schwierig, bei der Transparenzkontrolle das Kriterium des „Durchschnittsverbrauchers“ zu verwenden, da die Mindestzinssatzklauseln an verschiedene spezifische Verbrauchergruppen gerichtet seien. 

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der EuGH hat festgestellt, dass nichts in der Richtlinie darauf hindeutet, dass die gerichtliche Transparenzkontrolle im Rahmen einer Verbandsklage ausgeschlossen wäre. 

Die Kontrolle muss lediglich an die Besonderheiten von Verbandsklagen angepasst werden und sich auf die vertraglichen und vorvertraglichen Standardpraktiken des Gewerbetreibenden gegenüber dem Durchschnittsverbraucher konzentrieren. 

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass im vorliegenden Fall die erste der beiden Voraussetzungen für die Erhebung einer Verbandsklage gegen mehrere Gewerbetreibende erfüllt ist: Die Klage ist gegen Gewerbetreibende desselben Wirtschaftssektors gerichtet (es handelt sich um Kreditinstitute). 

Die durch die Komplexität der Rechtssache bedingte organisatorische Herausforderung – die sich aus der beträchtlichen Anzahl von Kreditinstituten und Verbrauchern ergibt – darf die Wirksamkeit der den Verbrauchern durch die Richtlinie zuerkannten subjektiven Rechte nicht beeinträchtigen. 

Der EuGH hat festgestellt, dass auch die zweite Voraussetzung erfüllt zu sein scheint, da die fraglichen Mindestzinssatzklauseln - vorbehaltlich der Überprüfungen durch den spanischen Obersten Gerichtshof - ähnlich zu sein scheinen. 

Dass die Verträge, in denen die Klauseln enthalten sind, zu verschiedenen Zeitpunkten oder unter der Geltung verschiedener Regelungen geschlossen wurden, kann diese Ähnlichkeit nicht bereits ausschließen. 

Sodann hat der Gerichtshof hervorgehoben, dass gerade die Heterogenität der betroffenen Verkehrskreise den Rückgriff auf die Figur des Durchschnittsverbrauchers erforderlich macht, dessen Gesamtwahrnehmung für die Transparenzkontrolle relevant ist. 

Diese Wahrnehmung kann jedoch eine Entwicklung durchlaufen haben, so dass der spanische Oberste Gerichtshof prüfen muss, ob der die 2000er Jahre kennzeichnende Zusammenbruch der Zinssätze oder die Verkündung seines Urteils vom 09.05.2013, mit dem die fehlende Transparenz der Mindestzinssatzklauseln festgestellt wurde, im Lauf der Zeit eine Änderung des Aufmerksamkeitsgrads und des Informationsstands des Durchschnittsverbrauchers zum Zeitpunkt des Abschlusses eines Hypothekendarlehensvertrags zur Folge haben konnte. 

EuGH, Urt. v. 04.07.2024 - C-450/22

Quelle: EuGH, Pressemitteilung v. 04.07.2024

Spezialreport Mietrecht und WEG – Jahresrückblick 2022

Zusammenfassung der wichtigsten Neuerungen im Miet- und WEG Recht an, die Sie auch 2023 beschäftigen – auf den Punkt gebracht von unseren Experten.

» Jetzt hier kostenlos herunterladen!

 

Das WEG sicher beherrschen: Rüsten Sie sich mit der Neuauflage perfekt und sicher im Umgang mit dem WEG-Recht aus – auch und gerade nach der Reform!

198,00 € zzgl. Versand und USt