Nachdem ein Nachbarstreit über Hühnerhaltung in einer Wohngegend sowie überhängende Äste und Laubanfall zu einem zivilrechtlichen Verfahren geführt hatte, kam es vor dem Amtsgericht München auch zu einem Strafverfahren: Einer der Nachbarn hatte seinen Kontrahenten massiv bedroht und Geld verlangt. Das Gericht verurteilte ihn daraufhin wegen versuchter räuberischer Erpressung.
Darum geht es
Nach im Zivilverfahren unwidersprochenem Vortrag des Nachbarn hält der dort Beklagte seit Sommer 2017 auf seinem Grundstück einen Hahn und knapp zehn Hennen, die nur während der Nacht im Hühnerstall sind.
Der Hahn kräht ab früh morgens (ca. 4 Uhr) unregelmäßig mindestens einmal in der Stunde, ca. 15 Mal pro Tag bis zum Einbruch der Dunkelheit. Die Hühner gackern laut vernehmlich durchgehend von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. Zudem kommt es dadurch zu einer enormen Geruchsbelästigung.
Im November 2018 begann der Beklagte damit, Laub auf das Grundstück des Klägers zu werfen, um es auf diese Weise zu entsorgen. Mit Schreiben vom 12.11.2018 bat der Kläger den Beklagten zukünftig Laubentsorgungen auf seinem Grundstück zu unterlassen.
Der Beklagte warf dieses Schreiben ungeöffnet in den Briefkasten des Klägers zurück und entsorgte in der beschriebenen Weise weiter bis Dezember mehrfach Laub. Dieses stammt von einer ca. 100 Jahre alten Hängebuche. Die steht allerdings auf dem Grundstück des klagenden Nachbarn ca. einen Meter von der Grundstücksgrenze entfernt.
Für die Zivilrichterin war entscheidend, dass Hühnerhaltung auf dem in reiner Wohngegend befindlichen Grundstück keine ortsübliche Nutzung darstellt und der Beklagte sich gegen den eventuell überhängenden Baum, nicht aber gegen das herabfallende Laub zur Wehr setzen kann.
Am 21.02.2019 gegen 19:00 Uhr drohte der Verurteilte seinen Nachbarn durch von ihm eingeworfenen Brief, dessen Haus in Brand zu stecken, sollte dieser nicht die erwähnte anhängige Zivilklage vor dem Amtsgericht München gegen ihn zurücknehmen. Weiter forderte er - erfolglos - die Zahlung von 10.000 €.
Vor dem Schöffenstrafgericht ließ er durch seinen Verteidiger den vorgeworfenen Sachverhalt vollständig einräumen. Er habe damals vermutet, schwerwiegend erkrankt zu sein, habe am Tattag als dem Tag seiner zivilrechtlichen Verurteilung fünf Bier getrunken und dann diesen Brief verfasst. Er habe damit seinem Nachbarn lediglich Angst einjagen wollen. Etwaig erhaltenes Geld hätte er einer gemeinnützigen Einrichtung gespendet.
In seinem letzten Wort erklärte er: „Das Ganze ergab sich. Ich fing die Nachbarschaftsstreitigkeit nicht an. Es geht um ein paar Hühner und Tauben. Keiner hatte einen Schaden. Er soll mit mir reden. So kann man auch keine Probleme lösen.“
Wesentliche Entscheidungsgründe
Für die Zivilrichterin am Amtsgericht München war entscheidend, dass Hühnerhaltung auf dem in reiner Wohngegend befindlichen Grundstück keine ortsübliche Nutzung darstellt und der Beklagte sich gegen den eventuell überhängenden Baum, nicht aber gegen das herabfallende Laub zur Wehr setzen kann.
Der Mann musste es demnach unterlassen, Hühner in der Weise zu halten, dass davon ausgehendes Krähen, Gackern oder Geruch auf dem Grundstück seines Nachbarn wahrzunehmen ist. Zudem musste er es unterlassen Laub, Gartenabfälle oder sonstiges Material auf das Grundstück des Nachbarn zu werfen oder auf sonstige Weise dorthin zu entsorgen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ihm die Verhängung von Ordnungsgeld angedroht.
Das Amtsgericht München hat dann im Rahmen des Strafurteils den 58jährigen Privatier wegen versuchter räuberischer Erpressung seines Nachbarn zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten zur Bewährung verurteilt - das Gericht wies ihn an, als Bewährungsauflage 3.000 € an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen.
Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne war zu Gunsten des Angeklagten dessen vollumfängliches Geständnis zu berücksichtigen, bereits von Anfang an hatte er die Tat bei der Polizei eingeräumt. Es lag eine gewisse alkoholische Enthemmung vor.
Der Angeklagte ist nicht vorbestraft. Einen Tag befand er sich in Haft in dieser Sache. Da er am ersten Verhandlungstag vor dem Schöffenstrafgericht unentschuldigt nicht erschienen war, war Haftbefehl gegen ihn erlassen worden. Dieser war erst am Folgetag der Festnahme gegen Zusicherung, nun pünktlich zum nächsten Verhandlungstermin zu erscheinen, aufgehoben worden.
Auch die Umstände des langwierigen Nachbarschaftsstreites waren zu berücksichtigen. Gegen den Angeklagten spricht, dass er mit Brandstiftung und potenziell auch mit dem Tod bedroht hat. Auch der erstrebte Vermögensvorteil von 10.000 € ist erheblich.
Sowohl das Straf- als auch das Zivilurteil sind rechtskräftig.
Amtsgericht München, Strafurteil v. 10.04.2019 - 824 Ls 256 Js 122450/19 und Zivilurteil v. 21.02.2019 - 233 C 19258/18
Quelle: Amtsgericht München, Pressemitteilung v. 28.10.2019