Der Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes (jetzt: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz: AGG) ist erneut geändert worden.
Wer diskriminiert wird, muss jetzt innerhalb von 2 Monaten schriftlich Ansprüche erheben, §§ 15 IV, 21 V 1 AGG. Ursprünglich waren 6 Monate vorgesehen.{DB:tt_content:2566:bodytext}
Im Entwurf vom Mai war die Frist auf 3 Monate halbiert worden. Diese Änderung ist europarechtlich bedenklich, da sie die bisherige Regelung bei Diskriminierung wegen des Geschlechts, § 611 a Abs. 4 BGB, verschlechtert. Dies verstößt gegen das EU Verbot, den bislang bereits erreichten Schutzstandard vor Diskriminierung durch die Neuregelung abzusenken. Zudem verstößt es gegen die Forderung der EU Richtlinien nach einem effektiven Schutz vor Diskriminierung. Wahrscheinlich wird diese Regelung vom Europäischen Gerichtshof aufgehoben.
Die Beweislast ist ebenfalls geändert worden. Der Diskriminierte muss Indizien beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines Diskriminierungsgrundes vermuten lassen, § 22 AGG. Ursprünglich musste der Diskriminierte Tatsachen glaubhaft machen, die eine Benachteiligung wegen eines Diskriminierungsgrundes vermuten lassen. Allerdings stellt die Begründung des Entwurfs fest, diese Neuformulierung solle nur klarstellen, dass eine eidesstattliche Versicherung des Diskriminierten allein nicht ausreicht, um eine Benachteiligung glaubhaft zu machen.
Im Arbeitsrecht sollen bei Kündigungen ausschließlich die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes gelten, § 2 Abs. 4 AGG. Bislang sollten diese „vorrangig“ gelten. Allerdings können durch die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes nicht die zwingenden EU Vorgaben zum Diskriminierungsschutz ausgehebelt werden. Damit ändert diese Änderung an der Rechtslage nichts. Insbesondere ist eine diskriminierende Kündigung grundsätzlich unwirksam.
Damit ändert diese Änderung an der Rechtslage wenig. Dies zeigt ein Blick auf die Fristen zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage: Einerseits ergibt sich aus dem neugefaßten § 2 Abs. 4 AGG, dass die dreiwöchige Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage auch bei diskriminierenden Kündigungen gilt. Andererseits kann der Beschäftigte auch nach Ablauf dieser Frist Schadensersatz wegen Diskriminierung verlangen. Dieser umfaßt auch den durch die Diskriminierung entgangenen Lohn.
Gewerkschaften und Betriebsräte dürfen weiterhin Arbeitgeber verklagen, die grob gegen die Vorschriften des AGG verstoßen, § 17 AGG. Diese Regelung ist bei der CDU/CSU besonders umstritten. Daher wurde das Klagerecht jetzt ausdrücklich auf grobe Verstöße beschränkt. Allerdings hat sich inhaltlich nichts verändert. Der bisherige Entwurf verwies auf eine Regelung des Betriebsverfassungsgesetzes, die zwingend einen „groben Verstoß“ voraussetzte, § 23 Abs. 3 BetrVG. Die jetzige Änderung ist daher schlicht überflüssig.
Weiter wird jetzt ausdrücklich klargestellt, daß Gewerkschaften und Betriebsrat nicht die Schadensersatzansprüche eines Kollegen einklagen dürfen, § 17 Abs. 2 S. 2 AGG.
Eine echte Einschränkung besteht darin, dass dieses Klagerecht nur noch in den betriebsratsfähigen Betrieben besteht. Es müssen also mindestens 5 Arbeitnehmer dort beschäftigt sein, von denen wenigstens drei seit 6 Monaten oder länger dort arbeiten, § 17 Abs. 2 S. 1 AGG. Da in diesen Betrieben ein Betriebsrat nicht existieren kann, entfällt lediglich das Klagerecht der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften.
Im Zivilrecht wird es keinen Schutz bei Diskriminierung wegen der Weltanschauung geben, § 1 Abs. 1 AGG. Damit sollen Rechtsextremisten daran gehindert werden, sich im Zivilrecht auf das AGG zu berufen.
Ein Diskriminierungsverbot gilt bei Wohnungsvermietung nur für Vermieter, die mehr als 50 Wohnungen vermieten, § 19 V AGG. Durch diese Regelung bleibt der größte Teil des Wohnungsmarkts offen für Diskriminierung. Auch größere Wohnungsgesellschaften können sich durch passende Gesellschaftskonstrukte auf diese Ausnahmeregel berufen. Allerdings ändert diese Regelung wenig, da bereits nach dem bisherigen Entwurf nur bei „Massengeschäften“ Diskriminierung verboten sein sollte.
In der Praxis ändert sich gegenüber dem Entwurf vom Mai 2006 wenig: Die Änderungen sind teilweise europarechtlich sehr bedenklich (Zweimonatsfrist und ausschließliche Geltung des Kündigungsschutzes). Andere Umformulierungen stellen nur klar, was ohnedies galt (Klagerecht des Betriebsrats und der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften, Beweislastregelung). Eine echte Änderung ist der entfallene Schutz gegen Diskriminierung wegen der Weltanschauung. Die Beschränkung des Klagerechts von Gewerkschaften auf betriebsratsfähige Betriebe ist eine Verschlechterung des Diskriminierungsschutzes in Kleinbetrieben. Allerdings beschäftigen sich Gewerkschaften mit diesen Betrieben nur sehr selten, so dass diese Beschränkung in der Praxis geringen Einfluß haben wird.
Anmerkung der Redaktion:
Der Verfasser dieser Mitteilung, Rechtsanwalt Dr. Alenfelder, ist Ständiger Vertreter des European Anti-Discrimination Council (EAC), London, bei der Bundesrepublik Deutschland und Rechtsexperte des Deutschen Antidiskriminierungsverbands.
Quelle: Ständiger Vertreter des EAC bei der Bundesrepublik Deutschland - Mitteilung vom 27.06.06