Auch nach der Aufhebung der Bewilligung von Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe wegen unrichtiger Angaben ist ein erneuter Antrag mit zutreffenden Angaben zulässig. Der Sanktionscharakter der Aufhebung bleibt auch bei anschließender erneuter Beantragung erhalten, denn eine Bewilligung gilt nur für Kosten, die ab der erneuten Antragstellung anfallen. Das hat der BGH entschieden.
Sachverhalt
Das Familiengericht bewilligte der Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe. Diese Bewilligung wurde aufgehoben, nachdem sich unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse herausstellten.
Kurz darauf beantragte sie erneut Verfahrenskostenhilfe mit zutreffenden Angaben. Der Antrag wurde unter Hinweis auf die Falschangaben im vorhergehenden Verfahren abgelehnt. Hiergegen richtet sich ihre zugelassene Rechtsbeschwerde.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Der BGH hat der Rechtsbeschwerde stattgegeben und die Entscheidung aufgehoben. Durch den neuen Antrag war ein neues Verfahren auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe in Gang gesetzt worden, das eine neue Prüfung der Bewilligungsvoraussetzungen erfordert.
Der vorherige Aufhebungsbeschluss steht dem nicht entgegen, denn dieser hatte zwar formelle, aber keine materielle Rechtskraft erlangt. Ungeachtet der falschen Angaben im vorangegangenen Verfahren liegt jetzt dem neuen Antrag ein anderer Sachverhalt zugrunde, da die Antragstellerin jetzt vollständige und wahre Angaben gemacht hat.
Der mit der Aufhebung der Erstbewilligung verbundene Sanktionscharakter kann nicht auf das erneute Bewilligungsverfahren übertragen werden. Eine Verwirkung des Anspruchs auf Verfahrenskostenhilfe kann nicht mit einer analogen Anwendung des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO begründet werden (BGH v. 19.08.2015 – XII ZB 208/15, FamRZ 2015, 1874 Rn. 13).
Unter welchen Voraussetzungen ein erneuter Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unabhängig von der Bedürftigkeit allein wegen Mitwirkungsverschuldens des Antragstellers abgelehnt werden kann, regelt § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Eine weitergehende Regelung, die es ermöglicht, nach Aufhebung einer zuvor bewilligten Verfahrenskostenhilfe einen erneut gestellten Antrag abzulehnen, enthält das Gesetz – so der BGH – hingegen nicht, und zwar weder aus Verwirkung noch aus dem Rechtsgedanken des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.
Der BGH verweist auf die Rechtsprechung des BVerfG, nach der Unbemittelten die Rechtsverfolgung und -verteidigung im Vergleich zu Bemittelten nicht unverhältnismäßig erschwert werden dürfen. Der Unbemittelte muss grundsätzlich ebenso wirksamen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können wie ein Bemittelter.
Nach Ansicht des BGH besteht dieser verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz grundsätzlich auch für einen Beteiligten, der sich durch vorangegangenes Fehlverhalten gegen die Rechtsordnung gestellt hat. Andernfalls ergäbe sich die weitreichende Folge, dass das beabsichtigte Verfahren – etwa ein Scheidungsverfahren – nicht fortgeführt werden kann, letztendlich also der Zugang zum Rechtsschutz versagt bleibt.
Folgerungen aus der Entscheidung
Ein anderer Senat des BGH hat in einer früheren Entscheidung klargestellt, dass die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung wegen falscher Angaben, die absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit gemacht worden sind, nicht voraussetzt, dass die falschen Angaben zu einer objektiv unrichtigen Bewilligung geführt haben (BGH, Beschl. v. 10.10.2012 - IV ZB 16/12, NJW 2013, 68).
Folglich ist diese Norm als Verwirkungstatbestand anzusehen, bei dem es auf eine Kausalität der falschen Angaben für die Bewilligung nicht ankommt. Damit hat der Antragsteller nicht die Möglichkeit, sich in dem Entziehungsverfahren mit dem Hinweis, ohne die falschen Angaben hätte auch Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden müssen, zu entlasten.
Die Entscheidungen des BGH vom 10.01.2018 (XII ZB 287/17) und vom 19.08.2015 (XII ZB 208/15) gewähren nun selbst einem Antragsteller, dem im ersten Verfahren nur wegen eines offensichtlichen Betruges Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist und dem nach der Entdeckung dieses Betruges die Verfahrenskostenhilfe entzogen worden ist, ohne Einschränkung eine Neubewilligung zu beantragen. Ob diese Konsequenz durch die vom BGH als Begründung herangezogene verfassungsrechtliche Gleichbehandlung von Unbemittelten und Bemittelten tatsächlich geboten ist, kann durchaus bezweifelt werden.
Der Hinweis des BGH, durch eine mögliche Neubewilligung der Verfahrenskostenhilfe auf den neu gestellten Antrag blieben die vorherigen Falschangaben auch nicht sanktionslos, da die erneute Verfahrenskostenhilfe nur ab neuer Antragstellung zu bewilligen ist und von der erneuten Bewilligung die bis dahin angefallenen Kosten nicht erfasst würden, sondern nur die ab dem erneuten Antrag neu anfallenden Kosten, ist da nur ein schwacher Trost.
Praxishinweis
In der anwaltlichen Praxis besonders zu beachten ist aber die Tatsache, dass durch die Vorlage eines falsch ausgefüllten Formulars und die daraufhin erfolgte – unberechtigte – Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe das strafrechtlich relevante Verhalten eines Betruges erfüllt ist. Auch dann, wenn vor der Bewilligung auf Nachfrage des Gerichts Angaben im Formular korrigiert werden müssen, steht jedenfalls der Vorwurf eines versuchten Betruges im Raum, der durch die spätere Korrektur der Angaben nach der Entdeckung ihrer Unrichtigkeit nicht beseitigt wird!
Es ist ratsam, die Mandantschaft eindringlich nicht nur auf die Verpflichtung zu wahrheitsgemäßen Angaben, sondern auch auf diese strafrechtlichen Risiken hinzuweisen!
BGH, Beschl. v. 10.01.2018 - XII ZB 287/17
Quelle: Dr. Wolfram Viefhues