Familienrecht -

Unterhaltsvereinbarung: Verwirkung bei einer Wertsicherungsklausel

Auch wenn eine Forderung mehr als 30 Jahren nicht geltend gemacht wurde, muss für eine Verwirkung zu dem Zeitmoment ein besonderer Umstandsmoment hinzutreten, wonach der Schuldner annehmen darf, dass die Forderung endgültig nicht mehr geltend gemacht werden soll. Das hat das Kammergericht Berlin im Fall einer Wertsicherungsklausel in einer Unterhaltsvereinbarung entschieden.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten um die Verwirkung des Rechts zur Erhöhung des Unterhaltsbetrages aufgrund der in einer Unterhaltsvereinbarung festgelegten Wertsicherungsklausel.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, das vertraglich vereinbarte Recht, eine Anpassung der Rente verlangen zu können, sei insgesamt verwirkt, weil die Antragsstellerin während mehr als 32 Jahren nichts für die Durchsetzung ihres Rechts getan hat, sondern untätig geblieben ist.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die Verwirkung wegen Zeitablaufs als Fall einer unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens setzt voraus, dass der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment), und außerdem der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen wird (Umstandsmoment).

Sowohl für das Unterhaltsrecht als auch bei anderen periodisch fällig werdenden Zahlungen ist für die Verwirkung im Allgemeinen jedoch anerkannt, dass die Verwirkung sich nicht auf das Stammrecht als solches bezieht, sondern stets nur auf die daraus fließenden Einzelansprüche. Denn Zahlungsansprüche – zumal periodisch wiederkehrende – können nicht verwirkt sein, bevor sie überhaupt fällig geworden sind.

Folglich kann das Recht zum Erhöhungsverlangen als solches nicht der Verwirkung unterliegen, da es sich hierbei um das vereinbarte „Stammrecht“ handelt. Die Verwirkung, die die Antragsgegnerin einwendet, kann sich also von vornherein nur auf die einzelnen Erhöhungsbeträge beziehen.

Zudem kann eine Verwirkung nur angenommen werden, wenn sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment gegeben sind. Denn der bloße Zeitablauf allein ist noch nicht geeignet, um eine Verwirkung rechtfertigen zu können, weil ansonsten über das Institut der Verwirkung eine Art von neuem Verjährungsrecht geschaffen würde, bei dem es in der Tat allein auf den Zeitablauf ankommt. Tatsächlich müssen neben dem Zeitmoment als ein weiteres, prognostisches Element Umstände hinzutreten, die geeignet sind, den Schuldner in der Annahme zu bestärken, dass er weiterhin nicht mit einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger zu rechnen hat.

Der Vertrauenstatbestand der Verwirkung kann also nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden, und deshalb kann ein bloßes Unterlassen der Geltendmachung des Anspruchs für sich genommen kein berechtigtes Vertrauen des Schuldners auslösen. Soweit derartige Vertrauensgesichtspunkte nicht festgestellt werden, kommt eine Verwirkung nicht in Betracht.

Folgerungen aus der Entscheidung

Zwar können auch titulierte Ansprüche nach der gleichen Zeitspanne grundsätzlich verwirken; es sind jedoch erheblich strengere Voraussetzungen beim Umstandsmoment zu beachten. Bislang hat die Rechtsprechung der Obergerichte zur Verwirkung titulierter Ansprüche vom Gläubiger verlangt, durch aktive Maßnahmen wie z.B. regelmäßige Vollstreckung den Eintritt der Verwirkung zu verhindern (OLG Brandenburg, Beschl. v. 25.03.2014 – 10 UF 128/13; OLG Hamm, Beschl. v. 13.05.2013 – 2 WF 82/13; OLG Koblenz, Beschl. v. 07.03.2012 – 11 WF 250/12; vgl. auch OLG Oldenburg, Beschl. v. 23.08.2011 – 13 UF 16/11; KG, Beschl. v. 28.06.2017 – 13 UF 75/16).

In seiner Begründung verweist der BGH ausdrücklich auf seine Entscheidung vom 09.10.2013 (XII ZR 59/12 = AnwBl 2014, 272). Dort ist ausgeführt, der Schuldner müsse bei einem gegen ihn ergangenen Titel generell davon ausgehen, dass der Gläubiger 30 Jahre lang vollstrecken will.

Es kann also für ihn keine Überraschung sein, wenn aus diesem Titel auch noch Jahre später vollstreckt wird. Daher darf bei einem titulierten Anspruch erst recht aus der bloßen Nichtgeltendmachung der titulierten Forderung kein Vertrauenstatbestand i.S.d. Umstandsmoments des Verwirkungstatbestandes hergeleitet werden.

Praxishinweis

Die Entscheidung des KG liegt auf der Linie der neuen Rechtsprechung des BGH (siehe BGH, Beschl. v. 31.01.2018 – XII ZB 133/17 = NJW 2018, 1013 und BGH, Beschl. v. 07.02.2018 – XII ZB 338/17).

Die Verwirkung ist zwar als Einwendung von Amts wegen zu berücksichtigen, muss also nicht besonders geltend gemacht werden. Allerdings ist entsprechender Sachvortrag zur Begründung unverzichtbar. Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen trägt der Unterhaltsschuldner, der sich auf die Verwirkung berufen will.

KG Berlin, Beschl. v. 20.03.2018 - 13 UF 22/17

Quelle: Dr. Wolfram Viefhues, weiterer Aufsicht führender Richter am Amtsgericht a.D.