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Unterhalt: Änderung des Vollstreckungstitels und Beweislast

Die Beteiligten eines Unterhaltsverhältnisses können im gegenseitigen Einvernehmen einen bestehenden gerichtlichen oder urkundlichen Unterhaltstitel außergerichtlich durch einen neuen Vollstreckungstitel ersetzen. Das hat der BGH entschieden. Die Richter klärten zudem die Beweislast bei der Haftung für Ansprüche volljähriger Kinder, die zur Zeit der Minderjährigkeit tituliert waren.

Sachverhalt

Der im Februar 1995 geborene Antragsteller, Student ohne eigenes Einkommen, und sein Vater streiten über die Abänderung einer Jugendamtsurkunde über den Kindesunterhalt. Die titulierte Kindesunterhaltspflicht wurde mehrfach abgeändert, unter anderem durch ein Urteil vom 06.08.2007.

Mit einer Jugendamtsurkunde vom 16.06.2008 verpflichtete sich der Antragsgegner, unter „Abänderung“ dieses Urteils einen höheren Unterhalt zu zahlen. Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller in Abänderung der Jugendamtsurkunde eine Erhöhung, der Antragsgegner eine Herabsetzung des Unterhalts beantragt.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

In dieser Entscheidung geht es um die Fragen, ob der ursprüngliche Unterhaltstitel, nämlich das amtsgerichtliche Urteil, weiterhin Bestand hat und ob er durch die vom Antragsgegner einseitig nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 60 SGB VIII errichtete Jugendamtsurkunde ersetzt werden konnte.

Ein Grundsatz, dass eine gerichtliche Entscheidung über Kindesunterhalt nicht durch eine vom Unterhaltspflichtigen einseitig errichtete Jugendamtsurkunde ersetzt werden könne, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Auch die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung hindert die Beteiligten nicht daran, ihre Rechtsbeziehungen abweichend als Ausdruck ihrer Privatautonomie neu zu gestalten.

Die Beteiligten wären durch eine außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens gemeinsam erstellte Urkunde zwar nicht in der Lage, eine gerichtliche Unterhaltsentscheidung oder einen sonstigen Unterhaltstitel im engeren Rechtssinn formell abzuändern, denn insoweit beruht das Rechtsbehelfssystem der §§ 238 ff. FamFG auf zwingendem Recht. Indessen steht es dem Unterhaltspflichtigen frei, mit der Erstellung einer (neuen) Jugendamtsurkunde einen weiteren Vollstreckungstitel im gleichen Unterhaltsverhältnis unter Erhöhung oder Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung zu erzeugen, während es dem Unterhaltsberechtigten auf der anderen Seite unbenommen bleibt, auf seine Rechte aus dem ursprünglichen Unterhaltstitel ganz oder teilweise zu verzichten (Argument: § 238 Abs. 3 Satz 2, § 240 Abs. 2 Satz 3 FamFG).

Die Beteiligten des Unterhaltsverhältnisses sind deshalb aus Rechtsgründen nicht daran gehindert, im Einvernehmen einen bestehenden (gerichtlichen oder urkundlichen) Unterhaltstitel durch einen neuen Unterhaltstitel zu ersetzen. Allerdings kann dem Unterhaltsberechtigten eine vom Unterhaltspflichtigen einseitig erstellte (ersetzende) Jugendamtsurkunde nicht aufgedrängt werden.

Aus der Entgegennahme und Verwendung der Urkunde durch den Antragsteller ist ein zumindest konkludentes Einvernehmen darüber abzuleiten, die gerichtliche Unterhaltsentscheidung durch die Jugendamtsurkunde zu ersetzen.

Anzupassen ist die Jugendamtsurkunde nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB.

Haben sich die Beteiligten schon im Voraus darüber geeinigt, dass ein bestimmter Unterhalt zu zahlen ist und in einer Jugendamtsurkunde tituliert wird, sind beide Beteiligten an die vereinbarten Grundlagen der Unterhaltsbemessung gebunden. Entsprechendes gilt, wenn ein Unterhaltsberechtigter einen bestimmten Unterhalt verlangt und der Unterhaltspflichtige daraufhin eine Jugendamtsurkunde über den geforderten Betrag erstellen lässt.

Ohne ein solches Einvernehmen zwischen den Beteiligten ist nur der Unterhaltspflichtige an die von ihm einseitig erstellte Urkunde gebunden. Er kann sich von seiner laufenden Unterhaltspflicht nur dann lösen, wenn sich die maßgebenden rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Nachhinein so verändert haben, dass ihm die Zahlung des titulierten Unterhalts ganz oder zumindest teilweise nicht mehr zuzumuten ist.

Stammt der abzuändernde Titel aus der Zeit der Minderjährigkeit des Kindes, haben sich mit der Vollendung des 18. Lebensjahres die maßgeblichen Verhältnisse geändert, die ihm zugrunde lagen. Dabei bleibt es bei den allgemeinen Regeln der Beweislast, sodass das volljährig gewordene Kind als Abänderungsantragsgegner auch im Abänderungsverfahren den Fortbestand seines Unterhaltsanspruchs und damit auch die auf die jeweiligen Elternteile entfallenden Haftungsanteile darlegen und beweisen muss.

Folgerungen aus der Entscheidung

Diese Entscheidung des BGH zeigt die Möglichkeit auf, einen bestehenden Unterhaltstitel durch eine einseitige Verpflichtungserklärung abzuändern. Gegen eine Erhöhung des Unterhalts wird der Unterhaltsberechtigte nichts einzuwenden haben.

Praxishinweis

Zu bedenken ist, dass dann zwei rechtskräftige Titel vorhanden sind. Der Unterhaltspflichtige sollte vom Unterhaltsberechtigten die Herausgabe des früheren Titels oder zumindest eine anwaltliche Zusicherung verlangen, dass daraus nicht weiter vollstreckt wird.

BGH, Beschl. v. 07.12.2016 – XII ZB 422/15

Quelle: Richter am Amtsgericht a.D. Dr. Wolfram Viefhues