Wann kann ein Elternteil vom Umgang mit dem Kind ausgeschlossen werden? Der Umgang kann ausgeschlossen werden, wenn und solange das Kindeswohl gefährdet ist – dabei ist auch der Kindeswille zu berücksichtigen. Das OLG Bremen hat entscheiden, dass im Beschwerdeverfahren des ausgeschlossenen Elternteils auch eine zeitliche Verlängerung des Umgangsausschlusses möglich ist.
Sachverhalt
Der seine Vaterschaft anerkennende Vater begehrt Umgang mit seiner 2009 geborenen Tochter, die bei der Mutter lebt. Nach zweimalig begleitetem Umgang wurde die Maßnahme bedingt durch das Verhalten des Vaters und dessen Unvermögen, die Angst seiner Tochter zu erkennen, abgebrochen. Ein Gutachten stellte beim Vater eine schizophrene Erkrankung mit deutlichen Defiziten der intuitiven elterlichen Kompetenzen fest und befürwortet neben begleitetem Umgang eine intensive Elternarbeit.
Gegen den Umgangsausschluss bis Juni 2015 legte der Vater Beschwerde ein. Bedenken gegen die Wiederaufnahme des begleiteten Umgangs bestanden nicht. Die erneuten Treffen gestalteten sich jedoch zunehmend problematisch - von heftigen abfälligen Meinungsäußerungen bis zum dem Kind nicht gefallenden heftigen Drückens –, sodass sie erneut abgebrochen wurden. Seitdem hat es keinen persönlichen Kontakt mehr gegeben.
Im April 2015 beantragt der Kindsvater erneut die Regelung des Umgangs. Nach ausführlicher Prüfung hat das Gericht den Umgangsausschluss bis April 2018 verlängert. Hiergegen legt der Vater erneut Beschwerde ein. Sowohl Mutter als auch Verfahrensbeistand und Jugendamt verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung. Der Senat bewertet die Beschwerde als unbegründet und verlängert den Umgangsausschluss nochmals.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Zu Recht hat der Senat den Umgang des Kindesvaters mit dem Kind ausgeschlossen. Gemäß § 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB kann das Familiengericht über den Umfang des Umgangsrecht entscheiden und dessen Ausübung näher regeln, soweit dies zum Wohle des Kindes erforderlich ist.
Ausgesetzt oder ausgeschlossen werden, kann der Umgang nur, wenn das Kindeswohl gefährdet ist, wobei hieran strenge Maßstäbe geknüpft werden. Grundsätzlich ist der Kindeswille zu berücksichtigen, wobei dem eines Kleinkindes aufgrund seiner beschränkten Fähigkeit zur Willensbildung eher ein geringes Gewicht zukommt. Mit zunehmendem Alter und damit verbundener Einsichtsfähigkeit steigt dessen Bedeutung.
Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der Umgang mit dem Elternteil dem Kindeswohl entspricht, ist dieser ggf. auch gegen den Kindeswillen zu gewähren, soweit nicht die Begründung seiner Ablehnung aus der Sicht des Kindes berechtigt erscheint. Die Nichtbeachtung eines kindlichen Widerstandes wird nur dann zu rechtfertigen sein, wenn die Äußerungen des Kindes die wirklichen Bindungsverhältnisse nicht zutreffend wiedergeben. Prüfkriterien sind insoweit die Zielorientierung, die Intensität, die Stabilität und die Autonomie des Kindeswillens.
Eine Umgangseinschränkung ist nur dann veranlasst, wenn nach den Umständen des Einzelfalles der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren. Voraussetzung für eine längerfristige Umgangsbeschränkung ist eine konkrete Kindeswohlgefährdung.
Im vorliegenden Fall sind beim Vater ausgeprägte Auffälligkeiten im Sozialverhalten festzustellen, die insbesondere in seiner Kommunikation und seiner Beziehungsgestaltung zum Ausdruck kommen, die wiederum seine elterliche Kompetenz beeinträchtigen. Der Vater versteht nicht die Notwendigkeit zur Verhaltensänderung. Sein Verhalten hat mittlerweile charakterprägende Züge angenommen, sodass selbst durch Einnahme von Medikamenten kaum Aussicht auf Veränderung besteht.
Der Kontakt zu seiner Tochter sei derzeit nicht förderlich; außerdem sei der von der mittlerweile Achtjährigen geäußerte Wunsch, den Vater nicht zu treffen, Ausdruck eines eigenen, klaren, konstanten, psychologisch nachvollziehbaren und ungeachtet ihres noch relativ jungen Alters beachtlichen Willens. Diesem Willen misst der Sachverständige ausschlaggebende Bedeutung zu.
Das Kind kann auf keine positiven Erfahrungen im Umgang mit dem Vater zurückblicken; bislang waren ihre Zusammentreffen i.d.R. angstbesetzt. Somit liegt eine erhebliche Kindeswohlgefährdung in dem Zwang der Tochter zum Umgang mit dem Vater gegen ihren Willen. Dadurch würde darüber hinaus auch ihr bislang positiv besetztes Verhältnis zur Mutter destabilisiert, weil sie diese als jemanden erleben würde, der sie Gefahren aussetzt, statt sie vor ihnen zu schützen. Der Senat ist wegen der erheblichen Risiken für die psychische Entwicklung des Kindes überzeugt, dass der persönliche Umgang notwendigerweise für längere Zeit ausgeschlossen werden muss.
Dieser Ausschluss ist auch verhältnismäßig, da derzeit kein milderes Mittel zur Gefahrenabwehr zur Verfügung steht. Auch flankierende Maßnahmen können der Gefahr einer psychischen Schädigung des Kindes nicht entgegenwirken. Die Verlängerung der veranschlagten Dauer des Ausschlusses ist nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer muss die für ihn nachteilige Entscheidung in Kauf nehmen
Folgerungen aus der Entscheidung
Die Aussetzung oder der Ausschluss des Umgangs kommen – geknüpft an strenge Maßstäbe - nur bei Gefährdung des Kindeswohls in Betracht. Das Gericht räumt dem Kindeswillen auch hierbei einen besonderen Stellenwert ein. Eine Durchsetzung des Umgangs gegen den Willen des Kindes soll nicht erfolgen. Soweit der Kindeswille die Realität widerspiegelt, ist er zu beachten. Das Kind hat keine Beziehung zu seinem Vater aufgebaut und die stattgefundenen Zusammentreffen haben – bedingt durch das Verhalten des Vaters – auch keine Annäherung ergeben.
Das Kind hat vielmehr Angst und fühlt sich unsicher; der Vater trägt nichts zu einer positiven Veränderung der Lage bei. Er ist vielmehr uneinsichtig und reflektiert sein Verhalten und dessen Wirkung auf seine Tochter nicht. Da die körperliche und seelische Entwicklung des Kindes geschützt werden muss, hat das Gericht die Aussetzung des Umgangs zugunsten des Kindes sogar noch verlängert.
Praxishinweis
In diesem Beschluss zeigt sich, dass auch dem Willen von Kindern im Grundschulalter unter bestimmten Vorgaben eine besondere Bedeutung beizumessen ist. Vertritt ein achtjähriges Kind einen realistischen und auch nachvollziehbaren Standpunkt, muss dieser bei der richterlichen Prüfung berücksichtigt werden. Dieser Wille ist zur Gesamtsituation in Relation zu setzen. Ist bei Durchsetzung des elterlichen Umgangsanspruchs eine Gefahr für die Entwicklung des Kindes in körperlicher oder seelischer Hinsicht zu befürchten, ist vom Umgang abzusehen.
OLG Bremen, Beschl. v. 21.11.2017 – 5 UF 81/16
Quelle: Ass. jur. Nicole Seier